Als vor kurzem Königin Elizabeth II. starb, waren viele Beobachter erstaunt darüber, wie relativ störungsfrei der Übergang der Krone auf ihren Nachfolger Charles III. verlief. Charles war als Kronprinz nicht unbedingt populär; persönlich galt und gilt er als ein wenig verschroben und noch dazu als linkisch. Allzu sehr scheint er überdies einer Welt von aristokratischen Privilegien anzugehören, für die die meisten Briten nicht mehr allzu viel übrig haben.
Munition wird ihr geliefert aus dem Kreis der Dynastie selbst, denn Prinz Harry und seine fatale Gattin Meghan führen seit langem eine Kampagne gegen das Königshaus. Meghans Enttäuschung darüber, in Großbritannien nicht zum königlichen Medienstar geworden zu sein, und Harrys eigene Verbitterung über das harte Los des Zweitgeborenen verbinden sich hier zu einer toxischen Mischung. Zumindest in den USA, wohin der Herzog und die Herzogin jetzt übergesiedelt sind, stoßen Harry und seine Gemahlin auf eine Öffentlichkeit, die nur allzu gern jede Horrorgeschichte über das englische Königshaus glaubt.
Aber der aus der Art geschlagene Sohn, der sich mit seinem Vater seit seiner Ehe überworfen hat, dürfte jetzt eine Chance haben, auch in England selbst die Fundamente der Monarchie zu untergraben, was offenbar sein sehnlichster Wunsch ist.
Jedenfalls hatte eine altgediente Bedienstete des Hofes, Lady Hussey, eine Tochter des 12. Earl Waldegrave und eine langjährige Vertraute der verstorbenen Königin, beim besagten Empfang im Palast das Pech, auf Madame Fulani zu stoßen. Lady Hussey, das muss man zugeben, ist mit der Welt der heutigen Mikroaggressionen respektive der Empörung über solche vermeintlichen Aggressionen nicht vertraut. Sie fragte daher Fulani, woher sie stamme, und als Fulani einfach nur auf den Londoner Stadtteil verwies, in dem sie aufwuchs, insistierte sie mit der Absicht zu erkunden, aus welchem Teil Afrikas Fulanis Vorfahren ursprünglich kamen.
War das klug? Sicher nicht. War es taktvoll? Auch das sicher nicht. Allerdings kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Fulani, die das Gespräch offenbar auch mit Hilfe ihres Handys aufzeichnete, wie man jetzt hört, die greise Hofdame, die anscheinend noch überdies schwerhörig ist, bewusst in eine Falle lockte. Sie wollte, dass es zum Skandal kam, und der Erfolg gab ihr Recht. Und Fulani ist kein Unschuldslamm.
Was zeigt dieser Vorfall? Zum einen, dass ein Hofstaat, der immer noch nach traditionellen Prinzipien funktioniert, nicht mehr zeitgemäß ist. Im Palast sind Schlüsselfunktionen immer noch in der Hand lang gedienter Aristokraten ohne politisches Gespür und ohne jene soziale und kulturelle Kompetenz, die man heute in einer Welt braucht, in der jedes Wort von der Gegenseite als eine Art Kriegserklärung verstanden werden kann, und man letzten Endes in der Öffentlichkeit so wie einst an den Höfen der Renaissance stets eine undurchdringliche Maske tragen muss, wenn man überleben will.
Das war sicherlich nicht Lady Husseys Stärke. Anfang der 1990er Jahre soll sie einen Gast bei einem Empfang im Palast gefragt haben, womit er denn sein Geld verdiene. Der Gast antwortete, er sei Präsident der Vereinigten Staaten, es handelte sich um George Bush den Älteren. Ob er durch die Frage dauerhaft traumatisiert wurde, ist freilich nicht überliefert. Solche Hofbediensteten wird sich Charles III., wenn die Monarchie überleben soll, nicht mehr leisten können; er braucht Leute, die in jeder Konversation die Gefahr einer tödlichen Falle sehen und nie ihre wahre Meinung öffentlich äußern, ja am besten noch nicht einmal eine wahre Meinung besitzen.
Bei den professionellen Antirassisten wie Frau Fulani handelt es sich oft um Leute, die nie wirklich ehrlich sind und sich im Kampf gegen ihre politischen Gegner auch nicht an die Regeln des Anstandes gebunden fühlen. Ähnliches gilt für andere „woke“ Vorkämpfer gegen vermeintliche strukturelle Diskriminierungen, die etwa den Kritikern der Cancel Culture unterstellen, sie seien Antisemiten, wie es die Bundestagsabgeordnete Marlene Schönberger vor kurzem getan hat.
Ein ehrliches Gespräch mit diesen Leuten ist unmöglich. Da ihnen jeder Trick angemessen erscheint, um ihre Gegner oder eher Feinde zu denunzieren und zu diffamieren, muss man sie im Zweifelsfall mit den eigenen Waffen schlagen, und ebenfalls mit den Mitteln der Täuschung und der Dissimulation arbeiten. Wie sagte Descartes im 17. Jahrhundert? „Larvatus prodeo“ – ich gehe maskiert einher, um damit auf den Selbstschutz vor religiöser Intoleranz anzuspielen. Larvatus prodeo ist auch heute die einzige mögliche Lebensmaxime für den, der nicht selbst zu den Wokerati und hauptberuflichen Antirassisten gehört. Es war Lady Husseys Unglück, dass sie das nicht begriffen hat.