Tichys Einblick
Radikalisierung von Klimaprotesten

Der gleichgültige Bundestag angesichts der Angriffe von Klimaextremisten

Im Bundestag hallen die Debattenbeitäge lauter als sonst: gähnende Leere, als es um die Attacken von Klimaextremisten auf die kritische Infrastruktur geht. Die AfD greift an, die Grünen verteidigen - und die FDP überrascht einmal positiv.

Martin Hess, Wortführer der AfD, die eine Aktuelle Stunde zum Thema gefordert hatte.

IMAGO / Future Image

Der Bundestag stimmte über die „Letzte Generation“ bereits ab, ohne, dass der erste Redner gesprochen hatte. Es war die letzte Debatte in dieser Sitzungswoche, zudem von der AfD auf die Tagesordnung gesetzt. Wenig verwunderlich, dass also nach dem Ende der letzten Abstimmung zum Kita-Qualitätsgesetz sich die Reihen lichteten – und selbst für Bundestagsverhältnisse mehr als sonst. Sah man von den Reihen der AfD-Fraktion ab, war bei allen anderen Fraktionen fast nur die erste Reihe besetzt. Süffisant kündigte die Bundestagsvizepräsidentin Saliha Özoğuz das Thema an. Auch damit setzt man Zeichen.

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Martin Hess (AfD) sprach als erstes. Es war eine harte, aber keine überzogene Rede, wie man sie ab und an von Parteikollegen in der Vergangenheit gehört hatte. Hess bewies, dass man das Thema anfassen und dem politischen Gegner um die Ohren schlagen konnte, ohne ausfällig zu werden. Gezielt verwies er nicht nur auf die Straftaten der „Letzten Generation“; sondern setzte zur Beweisführung an, dass die Organisation eben doch extremistisch war, nicht nur durch Taten, sondern auch Zitate.

„Klimaextremisten greifen unsere Art zu leben frontal an“, sagte Hess. Eine Minderheit wolle versuchen, der Mehrheit eine Ideologie aufzuzwingen. Wer zur Durchsetzung seiner Ideologie vorsätzlich Straftaten begehe und schwere Gesundheitsbeschwerden oder den Tod von Menschen in Kauf nehme, der belege damit die massive Missachtung des Rechtsstaates. Er verwies dabei auf ein Zitat des Gesichts von „Fridays for Future“, Luisa Neubauer, die gesagt hatte: „Die Wahl zwischen Demokratie und Zeit haben wir nicht“. Das sei ein Zeugnis von Offener Demokratiefeindlichkeit. Die Äußerung des Präsidenten des Vorsitzenden des Bundesverfassungsschutzes, der gesagt hatte, die Proteste der „Letzten Generation“ zeigten, dass sie auf dem Boden des Rechtsstaates stünden, verurteilte Hess.

Einen bemerkenswerten Auftritt legte Wolfgang Kubicki (FDP) zum Schluss der Sitzung hin, der seit der Übernahme des Amtes als Vizepräsident des Bundestags deutlich weniger ans Rednerpult tritt als früher. Sein Aufschlag gegen die AfD sollte härter sein als der mancher Abgeordneter anderer Fraktionen, wenn er etwa konstatierte, dass die Gesinnung einiger AfDler in ihrer Radikalität jener der „Letzten Generation“ in wenig nachstehe.

Zugleich war Kubicki der einzige Nicht-AfDler, der es wagte, eine ganz ähnliche Beweisführung wie Hess anzutreten. „Die Letzte Generation stellt in Teilen die Demokratie als Staatsform infrage und das sage ich in allem Ernst.“ Die Demokratie sei demnach nicht geeignet, um die gewünschten Ergebnisse gegen den Klimawandel zu erreichen. „Die Letzte Generation ist dabei auch das Resultat einer politischen Kommunikation die seit Jahren auf der Grundlage von Panikmache versucht, politische Geländegewinne zu erzielen.“ Wer wirklich glaube, dass die Welt in wenigen Jahren untergehe, und dessen Ansicht aus dem politischen und medialen Feld gespeist werde, der sehe sich legitimiert, Grenzen des Rechtsstaats zu übertreten, so Kubicki.

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Bei aller berechtigten Kritik an der FDP zeigte Kubickis Auftritt zweierlei. Erstens, dass die Einordnung der „Letzten Generation“ keine reine AfD-Meinung ist und als solche daher auch nicht abgekanzelt werden sollte. Und zweitens, dass es in der Koalition genügend Reibungsfläche gibt, dass die FDP ihren Koalitionspartner auf diesem Feld düpiert, obwohl sie auch schlicht der veröffentlichten Mehrheitsmeinung nachfolgen könnte. Nicht, dass man daraus eine Politikwende lesen könnte; aber doch zumindest eine Provokation insbesondere gegenüber dem grünen Koalitionspartner, wie weit man in der Causa gehen kann.

Mit einem widersprüchlichen Debattenbeitrag konterte Peggy Schierenbach (SPD). Überraschend klar verurteilte sie die „Aktionen“ der „Letzten Generation“, insbesondere die am Berliner Flughafen BER. Sie betonte, dass die Sache glücklicherweise gut ausgegangen sei. Als eigentliches Übel geißelte sie, dass das originäre Anliegen – der Klimaschutz – zugunsten der Gruppe selbst immer mehr in den Hintergrund gerückt sei.

Doch dann die Volte: trotz allem handele es sich nicht um Extremisten. Sie stünden auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Und das, obwohl Hess noch ausgeführt hatte, warum dies nicht der Fall sei. Doch für die Sozialdemokratin ist damit die Sache erledigt: obwohl sie eben noch selbst vom risikoreichen Angriff auf den Flughafen erzählt hatte, behauptet sie nun, die Letzte Generation brächte keine Menschen in Gefahr. Lauter, nerviger Protest sei erlaubt. Die Roten sind ganz auf Haldenwang-Linie. Ziel richtig, Methode etwas unsauber.

Die Union traute sich mit Ingmar Jung aus der Deckung. Wie der Vorsitzende Friedrich Merz benannte er die „Aktionen“ der Klimaextremisten klar als Straftaten. Gerade deswegen dürften sie auch keinen Erfolg haben, sonst schaffe man ein „Massenphänomen“ und mache den Staat „lächerlich“. Die Ziele seien dabei völlig egal. Jung war es dabei besonders wichtig, sich von der AfD zu distanzieren, die das Thema nur auf die Tagesordnung gesetzt hätte, um eine Bewegung zu diskreditieren und letztlich ihre „kruden Leugnungstheorien“ voranzutreiben.

Verbrüderung statt Kritik
Medien kleben sich geistig mit auf Straßen und Rollfeld
Marcel Emmerich von den Grünen schloss dann genau daran an: erst ging es um die Diskreditierung der AfD und ihres Tagesordnungspunktes, nicht um den Tagesordnungspunkt selbst. Emmerich zog Haldenwang heran, um zu verdeutlichen, dass die Klimaextremisten keine Klimaextremisten seien, denn ihr Protest zeige ja deutlich, dass sie sich im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewegten. Dass die „Aufforderungen“ der Klimaextremisten sich aber kaum gegen die Regierung, denn vielmehr gegen Zivilisten und Infrastruktur wenden, haben die von den „Protestaktionen“ kaum Betroffenen offenbar verdrängt.

„Und genau deshalb muss von dieser Debatte heute auch die Botschaft rausgehen, dass wir als Parlament diese Proteste mit Maß und Mitte beurteilen und diese politische Bühne nicht für Populismus und zynische Vergleiche instrumentalisiert wird“, so Emmerich. Wonach der Grüne zur Hochform auflief: nicht die Klimakleber, sondern der Rechtsstaat liegt falsch. „Mir kann doch keiner erzählen, dass es verhältnismäßig ist, wenn man für zwei Stunden auf der Straße angeklebt sein 30 Tage ins Gefängnis soll. Das hat nichts mit Rechtsstaatlichkeit zu tun!“

Man fragt sich, was in Deutschland los wäre, würde sich nicht die „Letzte Generation“, sondern die AfD auf Straßen festkleben, um gegen die Migrationspolitik der Regierung zu protestieren. Die Antwort würde nur umso deutlicher die Verlogenheit der Debatte aufzeigen. Man könnte dem Bundestag Sympathie für das Geschehen außerhalb unterstellen – wenn die gähnend leeren Reihen nicht so offensiv zeigen würden, wie egal es den Volksvertreten ist, wie der Souverän tagtäglich mit den Attacken auf den Alltag leben darf. Auch hier: eine Parallele zur Migrationsfrage.

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