Bundeskanzler Olaf Scholz eilt seiner Innenministerin Nancy Faeser öffentlichkeitswirksam zu Hilfe. Pünktlich zur Vorstellung ihres Gesetzentwurfs zur schnelleren Einbürgerung von Ausländern lädt der Kanzler zusammen mit der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, zur Veranstaltung: „Deutschland. Einwanderungsland. Dialog für Teilhabe und Respekt“. Die Botschaft der Bundesregierung ist ganz offensichtlich vor allem, dass es für das politische Ziel einer schnelleren und weniger bedingten Vergabe der Staatsbürgerschaft keiner auch nur einigermaßen nachvollziehbarer Argumente bedarf. Das Wiederholen der im Koalitionsvertrag genannten Phrase vom „modernen Staatsangehörigkeitsrecht“ genügt weitestgehend.
Aber diese Menschen konnten schon längst auch nach der bisherigen Gesetzeslage Deutsche werden, zumindest sofern sie ihre frühere Staatsbürgerschaft ablegten und einen Sprach- und Einbürgerungstest bestanden. Um sie geht es in der Reform gerade nicht. Stattdessen geht es um Einwanderer, die vor gerade einmal fünf Jahren hierher kamen, also eben noch nicht „sehr lange“ hier leben. Man muss sich vergegenwärtigen, dass nach Faesers Entwurf jeder der mehr als eine Million in der sogenannten Flüchtlingskrise und noch danach Eingewanderten die Staatsbürgerschaft erwerben kann. Dass sehr viele dieser Zuwanderer weder ökonomisch, geschweige denn kulturell auch nur als einigermaßen integriert gelten können (sofern man diesen Begriff nicht völlig entwertet), ist für jeden realistischen Beobachter aus Statistik und Alltagserleben ersichtlich.
Das neue Staatsangehörigkeitsrecht, so es denn kommt, ist eben gerade keine Integrationsmaßnahme, sondern das Gegenteil: Es ist der Verzicht auf Integration und wird somit zu einer desintegrierten Gesellschaft beitragen, deren Staatsbürger nicht einmal die Sprache ihres Staates beherrschen müssen..
Scholz erzählt in seiner Video-Botschaft, wie „berührend“ es für ihn gewesen sei mitzuerleben, wenn ganze Familien in besten Kleidern zur Einbürgerungszeremonie kommen. Der Kanzler erwähnt sogar, dass dann am Ende gemeinsam die Nationalhymne gesungen werde.
Gerade die Aufrechterhaltung der Würde dieser Zeremonien und des Aktes der Einbürgerung sollte es verbieten, sie durch extrem kurze Fristen und das Entfallen der bisherigen Bedingung der „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse“ zu entwerten. Faeser nennt die bisherige Regelung, wonach Einzubürgernde in der Regel ihre bisherige Staatsbürgerschaft aufgeben sollen (in der Praxis schon bislang oft umgangen) „schmerzhaft“ für die Betroffenen. Das mag im Einzelfall stimmen. Aber der Verzicht auf jegliche Mühen für die Einzubürgernden ist auch ein Signal der Entwertung: Je niedriger der Staat die Hürden zur Einbürgerung legt, desto mehr wird der Stellenwert der Staatsbürgerschaft herabgesetzt und desto geringer ist der Anreiz – von Druck gar nicht zu reden – für Einwanderer sich in die deutsche Gesellschaft einzufügen.
Die Dürftigkeit der Argumente in Faesers Gastbeitrag und Scholz‘ Videobotschaft ist erschreckend. Der Bundeskanzler spricht am Schluss einfach pauschal von der Notwendigkeit „besserer Regelungen“ für die „Einbürgerung all dieser tollen Frauen und Männer“. Selten hat ein Bundeskanzler sich auf solch ein infantiles, unreflektiertes Argumentationsniveau begeben. Faeser hat auch keine sachlichen Argumente dafür zu bieten, dass ihre erleichterte Einbürgerung die in der Überschrift ihres Gastbeitrags versprochenen „Anreize für Integration“ tatsächlich schafft. Aber dafür schließt sie ihren Text mit einem diffamierenden Pauschalurteil gegen jeden Andersdenkenden: „Über das Staatsangehörigkeitsrecht sind in Deutschland in der Vergangenheit viele Debatten geführt worden, die vor allem von Ressentiments und Stimmungsmache geprägt waren und viele Menschen tief verletzt haben.“
Der FDP, die das vorhaben im Koalitionsvertrag abgenickt hat, fällt nun auf einmal ein, dass sie eigentlich dagegen ist. Aber auch auf diesem Politikfeld, trauen sich die Liberalen wohl wieder allenfalls leichte Korrekturen und Verzögerungen zu: FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hatte den Zeitpunkt für die Einbürgerungspläne zuvor als falsch bezeichnet und auf die mangelnden Fortschritte bei der Rückführung und bei der Bekämpfung der illegalen Migration hingewiesen. Vor einer Reform seien ein konsequentes Abschieben ausreisepflichtiger Migranten sowie schnellere Asylverfahren und ein leistungsbezogenes Einwanderungsrecht notwendig, sagte Wolfgang Kubicki dem Handelsblatt (Dienstagsausgabe). „Wer die Einbürgerungshürden senkt, bevor diese Dinge geklärt und umgesetzt sind, sendet ein komplett falsches Signal.“