Der Spruch „Diversity Wins“ auf dem Airbus der Lufthansa, mit dem die deutsche Mannschaft am 14. November in das Trainingslager nach Oman (nicht direkt nach Katar) flog, stammt weder vom DFB (Deutscher Fußball-Bund) noch der Lufthansa. „Diversity wins“ lautet der Titel einer 2020 von der Unternehmensberatung McKinsey veröffentlichten Studie, die zeigen will, dass Firmen mit hoher Diversität in Führung und Belegschaft erfolgreicher sind als personell homogene. Stimmt das? Wie dem auch sei, für McKinsey hat sich die Studie gelohnt: Der Beratungsbedarf in Sachen „Diversity Management“ ist enorm gestiegen.
Auch die Sprachenvielfalt – derzeit werden weltweit rund 6.000 Sprachen verwendet – ist rückläufig: Es gibt ein „Sprachensterben“, das auch im deutschen Sprachgebiet zu beobachten ist, nämlich an den Dialekten. Sprachen verschwinden nicht plötzlich, sondern nach einer Entwicklung, in der die Sprache immer mehr kommunikative Funktionen verliert: Einen solchen Funktionsverlust erleidet im internationalen Kontext auch die deutsche Sprache, die hier von vielen Muttersprachlern durch Englisch ersetzt wird: Deshalb steht auf dem Flugzeug der deutschen Nationalmannschaft nicht „Vielfalt gewinnt“, sondern „Diversity Wins“. Sprachliche Diversität zu zeigen (man hätte die Beschriftung des Flugzeuges ja zweisprachig gestalten können), ist kein Anliegen von DFB und Lufthansa.
Kulturelle Vielfalt wird seit der Antike beschrieben und machte schon immer den Reiz des Reisens aus. Im 1813 erschienenen Buch „Über Deutschland“ (De l’Allemagne) der Schriftstellerin Madame de Staël beginnt das Kapitel „Über die Sitten und den Volkscharakter der Deutschen“ mit der Feststellung: „Die Unterschiede (les diversités) in diesem Land sind derart, dass man nicht weiß, wie man seine verschiedenen Religionen, Regierungsformen, klimatischen Verhältnisse und Völker auf einen gemeinsamen Begriff bringen kann.“
Madame de Staël beschrieb das alte, vornationale und konfessionell geteilte Deutschland mit Preußen und Österreich als Großmächten und einer Vielzahl von Kleinstaaten und Herrschaften. Die damaligen Diversitätsfaktoren christliche „Konfession“ (evangelisch oder katholisch) und regionale „Stammeszugehörigkeit“ (Franken, Schwaben, Bayern, Sachsen usw.) spielen in der heutigen Diversitätsdebatte keine Rolle mehr. Das war in der frühen Bundesrepublik noch anders: Die Kabinette von Bundeskanzler Adenauer (1949-1963) wurden nach Partei-, Konfessions- und Regionalproporz besetzt.
Die Diversität lag in der ethnischen Herkunft: Von den jeweils 16 eingesetzten Spielern hatten bei den Deutschen sechs einen Migrationshintergrund, bei den Japanern keiner. Das ethnisch diverse Team der Deutschen gewann aber nicht, sondern verlor, und erreichte auch gegen die ethnisch wenig diversen Spanier (1 Spieler mit Migrationshintergrund) keinen Sieg.
Fazit: Im Fußball gilt eher „Diversity doesn’t matter“ (Diversität ist gleichgültig) als „Diversity wins“. Um noch ins Achtelfinale zu kommen, braucht die Nationalmannschaft (undiverse) „deutsche Tugenden“ und, vor allem, Glück.