Nach Marokkos WM-Sieg über Belgien: Wenn sich Siegesfreude in Gewalt verwandelt
Matthias Nikolaidis
Nur zwei Tore im Spiel Belgien–Marokko führten zum Chaos in der Brüsseler Innenstadt, aber auch in mehreren niederländischen Städten. Vor allem afrikanische Randalierer nutzten die Gunst der Stunde, um sich Luft zu machen.
Nach der Niederlage Belgiens im Spiel gegen Marokko bei der Fußballweltmeisterschaft in Qatar kam es zu Ausschreitungen marokkanischer Fans in Brüssel, daneben auch in den Niederlanden. Das Spiel ging mit einem 0:2 für Marokko aus. In der belgischen Hauptstadt wurden daraufhin ganze Straßenzüge verwüstet. E-Scooter gingen in Flammen auf, parkende Autos wurden umgedreht, symbolisch zerdeppert und schließlich auch angezündet. Dabei sieht man nicht nur Marokkaner, sondern auch zahlreiche Schwarzafrikaner, die eine Art postkolonialen Rausch zu erleben schienen.
Ein junger Mann erklomm eine Hochhausfassade, um dort unter dem Jubel der Menge eine abgewandelte belgische Flagge abzureißen – was auch den französischen Journalisten und Politiker Éric Zemmour empörte („Was für ein Symbol!“).
Schon vor dem Spiel waren Feuerwerkskörper gezündet worden, vermutlich auch wieder manipulierte wie unlängst in Linz und Salzburg. Dadurch wurde laut der Polizei ein Journalist im Gesicht verletzt. Später geriet die Situation auf den großen Boulevards außer Kontrolle. Die Polizei rief über Twitter dazu auf, den Boulevard du Midi und die Umgegend zu meiden. Metro-Stationen wurden geschlossen, der Nahverkehr wurde auf Verlangen der Polizei teils eingestellt. Laut der Bild-Zeitung mussten 100 Polizisten mit Tränengas und Wasserwerfern gegen die Fans vorgehen.
Einige Twitter-Nutzer hatten noch während des Spiels in den Raum gestellt, dass man in Brüssel in jedem Fall mit Konfetti feiern werde, egal ob Belgien oder Marokko gewinnt. Es sollte anders kommen.
In den sozialen Medien kam es zu empörten Appellen an die Randalierer, etwa: „Zerschlag das Auto deines Vaters! Du hast nichts Besseres zu tun gefunden, als alles auf der Straße zu zerschlagen, Dummkopf!“ Doch alle Aufrufe zur Mäßigung nützten nichts mehr, als die zu allem entschlossenen jungen Marokkaner bereits auf den Straßen waren. Auf Anweisung des Bürgermeisters Philippe Close hin sollten Unruhestifter festgenommen werden, was in vorerst zwölf Fällen gelang.
Auch in Rotterdam, Amsterdam und Den Haag kam es zu Unruhen. In Rotterdam forderten 500 Randalierer die Mobile Einheit der Polizei heraus. Auch hier wurden Feuerwerkskörper und Glasflaschen auf die Polizei geworfen. Es kam zu zahlreichen Festnahmen. Zwei Polizisten wurden verletzt. Einer erlitt einen Hörschaden, der andere wurde laut einem Polizeisprecher am Kopf getroffen. Auf Bildern bekommt man den Eindruck eines selbstgebauten Flammenwerfers.
Der niederländische Telegraaf berichtet auch aus Amsterdam von einer „düsteren Atmosphäre“ mit 500 Randalierern auf dem Mercatorplein. Auch hier wurden teure Autos okkupiert, beschädigt und zerstört. Die Bereitschaftspolizei traf erst relativ spät um kurz vor acht ein, als ein brennendes Auto schon fast erloschen war. Rund herum um den Mercatorplein gab es da noch viel Feuerwerksknallerei.
Die Vorsitzende der Amsterdamer VVD, Claire Martens, sagte: „Das war keine Party. Das sind Typen, die denken, sie seien der Boss auf der Straße und nicht die Polizei. Das können wir nicht akzeptieren.“ In den kommenden Wochen müsse so etwas verhindert werden – aber wie? Dagegen wurde der Sieg in Marokko mit Respekt vor den geltenden Regeln gefeiert, wie einige Nutzer hervorhoben.
In Paris kam es ebenfalls zu größeren Fan-Ansammlungen, die aber anscheinend friedlich blieben. Man erwartet Ähnliches oder auch mehr davon am Mittwoch, wenn Frankreich gegen Tunesien spielt.
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