Ein spektakulärer Aufschrei eines Unternehmenslenkers erschallt aus Bayern. Klaus Josef Lutz, Chef des Agrar- und Energiekonzerns BayWa und Präsident des Bayrischen Industrie- und Handelskammertages, stellt der Bundesregierung ein katastrophales Zeugnis aus. „Was die Bundesregierung leistet, ist einfach ungenügend. Die Ampel ruiniert unser Land“, zitiert ihn die Bild-Zeitung. Im Zentrum seiner Kritik steht wenig überraschend die Energiepolitik und damit Wirtschaftsminister Robert Habeck. Lutz geiselt dessen „Abschaltorgien“ und kritisiert: „Die Bundesregierung sagt nicht die Wahrheit im Hinblick auf die Versorgung. Erneuerbare Energien, Fracking, Kernkraft – wir müssen jetzt alle Register ziehen und alles nutzen, was es gibt und vor allem ausbauen, so schnell es geht.“
Der Katar-China-Deal und auch das Verhalten der meisten Teilnehmerstaaten auf der UN-Klimakonferenz – besonders, aber nicht nur der nichtwestlichen – sollten eigentlich allmählich auch in der Bundesregierung zu einer entscheidenden Fragestellung führen: Was, wenn Deutschlands nicht der energiepolitische Vorreiter ist, sondern ihm auf dem eingeschlagenen Holzweg keiner folgt? Was, wenn der Rest der Welt bis auf Weiteres an den fossilen Energieträgern festhält?
Die Antwort ist klar: Dann wird Deutschland als Standort für jegliche energieintensive Wirtschaftstätigkeit extrem unattraktiv gegenüber anderen Standorten, die Deutschlands Weg nicht gefolgt sind. Und dann dürfte tatsächlich eine ruinöse wirtschaftliche Entwicklung folgen: „Wenn die Energiepreise so hoch bleiben, droht uns die De-Industrialisierung“, sagt Lutz.
Schon jetzt zeichnet sich zum Beispiel ab, dass Deutschland gegenüber Ländern, die bereits über LNG-Terminals verfügen, im Nachteil ist. Dieser zeigt sich auch dadurch an, dass die Kosten für die nun zu bauenden Hafenanlagen für Flüssiggas (LNG) mehr als doppelt so hoch liegen, wie ursprünglich veranschlagt. Wie die FAZ berichtet geht aus Unterlagen zu einer Sitzung des Haushaltsausschusses hervor: Statt 2,94 Milliarden Euro wie im Frühjahr geplant sind allein für dieses Jahr jetzt 6,56 Milliarden Euro für den Bund einkalkuliert.
Das sollte eigentlich niemanden wirklich wundern. Wenn bekannt ist, dass ein Auftraggeber keine Alternative hat, erhöhen die Lieferanten eben gerne mal die Preise. Sie können sich denken, dass die Bundesregierung schon zahlen wird. Wenn dann noch ein Regierungspolitiker wie das Grüne Haushaltsausschussmitglied Sven-Christian Kindler im Spiegel mahnt, Deutschland dürfe „keine fossilen Überkapazitäten für die Zukunft“ schaffen, wird jedem Terminal-Bauer und jedem potentiellen LNG-Lieferanten klar, mit welchem Auftraggeber man es zu tun hat. Jedenfalls einem, dem man nicht gerade einen Rabatt gewähren muss.
Staaten nehmen sich andere Staaten nach bisheriger historischer Erfahrung nur zum Vorbild, wenn sich deren Handeln als vorteilhaft herausstellt. Der Nutzen der deutschen „Abschaltorgien“ wird allerdings angesichts der geringen deutschen Anteils an den globalen Klimagasemissionen nicht spürbar, ja kaum überhaupt nachweisbar sein.
Die Bundesregierung jedoch baut auf dieser Hoffnung, dass andere Länder auch ohne internationale Verpflichtungen ihre Standortbedingunen ebenso radikal verschlechtern wie Deutschland, ihre gesamte Wirtschaftspolitik auf. Und der Einsatz in diesem Vabanque-Spiel ist der denkbar höchste. BayWa-Chef Lutz: „Wir reden über die Existenz unseres Landes, die Ampel setzt sie auf’s Spiel.“