Tichys Einblick
Stephans Spitzen:

Wie der Feminismus versagt

Was ist eigentlich mit Feministinnen los, die offenbar glauben, der „Respekt“ vor einer anderen „Kultur“ und „Religion“ gebiete es geradezu, sich den muslimischen Männern nachgerade untertänig zu nähern. So wie Claudia Roth, die mit einem Kopftuch die iranischen Machthaber besuchte.

IMAGO / Marc John

Ich werde nie vergessen, wie eine deutsche Feministin nach dem Sieg der Mullahs in Persien den Vorzug des Hijabs beschrieb: Die Ganzkörperverhüllung sei im Grunde emanzipativ, weil damit die Konkurrenz unter Frauen beendet werden könne. So könne niemand erkennen, welche schön ist und welche weniger schön. Und sei nicht das Tragen von Kopftüchern und anderen Verhüllungen die freie Entscheidung der Musliminnen?

Ich weiß jetzt nicht, ob das bei allen Frauen so gesehen wird, die sich hierzulande als feministisch verstehen, obzwar ich es der einen oder anderen unter ihnen durchaus zutraue. Keine Kleidersorgen mehr! Keine Suche mehr nach Klamotten, die nicht nur für Größe 34-44 gedacht sind! Was für eine Befreiung. 

Gut, der WM-Botschafter Khalid Salman begründet die Verhüllung von Frauen weit charmanter: Man kaufe doch auch keine unverpackten Süßigkeiten. Darf man das als Kompliment nehmen?

Mal im Ernst: Was ist eigentlich mit den Feministinnen los, die offenbar glauben, der „Respekt“ vor einer anderen „Kultur“ und „Religion“ gebiete es geradezu, sich den muslimischen Männern nachgerade untertänig zu nähern? Man erinnere sich an Claudia Roth, die ihr Haupt züchtig bedeckte, als sie 2010 und 2015 den Iran besuchte – heute nennt sie das „einen stillen Protest“, da das Tuch ihr immer wieder verrutscht sei. Verrutscht war offenbar auch ihre freudige Begrüßung des iranischen Botschafters 2013 mit einem „High Five“.  

Aber lassen wir das. Feminismus gibt es für diese Feministinnen eben nur dort, wo er ungefährlich möglich ist, etwa in Deutschland, wo kein Mann es mehr wagt, auch nur gegen eine Frau zu konkurrieren. Er wäre damit sowohl in der Politik als auch im Geschäftsleben erledigt. Und der Islam, hören wir seit Jahren, gehört ja nunmal zu Deutschland! Also wollen wir es uns mit ihm nicht verderben.

Vor allem nicht mit dem Iran. Deutschland ist sein größter Handelspartner. Auch gebe es „historische Beziehungen“ zwischen beiden Ländern, wie der iranische Außenminister jüngst twitterte. Meint er vielleicht Persien, wie das Land hieß, bevor die Bärtigen die Macht übernahmen? 

Und dann ist da noch das Atomabkommen, das man angeblich der Sicherheit Israels wegen weiterbetreiben will, das in Wirklichkeit aber nur Geld in die Kassen der Mullahs spült.

Der Iran soll erklären, dass er nicht über Atombomben verfügen will. Schöne Idee. Ob man deshalb im Iran aufhören wird, Uran anzureichern?

Nun, das mögen alles realpolitische Erwägungen sein, die einer „feministischen Außenpolitik“ im Wege stehen, wie sie Annalena Baerbock zu betreiben behauptet. Ehrlicher wäre, sich von diesem „Blasenphänomen ohne wirkliche Substanz“ (NZZ) zu verabschieden. Denn wenn etwas Solidarität verdient, meinetwegen auch feministische, dann doch ganz gewiss die anhaltenden Proteste im Iran seit dem Tod der jungen Mahsa Amini, die im Gewahrsam der Sittenpolizei gestorben ist, die ihr vorwarf, das Kopftuch nicht korrekt getragen zu haben. Seither tanzen Tausende von Frauen um ein Feuer, in das sie ihr Kopftuch werfen. Junge Frauen schneiden sich vor einer applaudierenden Menge die Haare ab. Iranische Sittenwächter werden auf offener Straße angegriffen. Vor allem: Auch Männer solidarisieren sich mit den Frauen.

Das Regime reagiert darauf mit Schlägen, scharfer Munition, Gefängnis, Hinrichtungen. Reicht es da, wenn unsere feministische Außenpolitik nun zu Protokoll gibt, weitere Sanktionen gegen den Iran würden geprüft? 

Natürlich nicht. Das ist die reine Hilflosigkeit, die Baerbock schon früher hat erkennen lassen, als sie allen Ernstes behauptete, die Repression im Iran habe nichts mit Religion oder Kultur zu tun. 

Wo Feminismus sich bewähren sollte, versagt er. Vergessen wir ihn also. 


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