Der Unfug der „Gender“-Sprache beschäftigt immer mehr deutsche Parlamente. Das ist gut so. Denn die Abgeordneten haben den Auftrag, den Willen des Souveräns, also die Überzeugungen und Haltungen des Volkes in die Legislative einzubringen. Was die „Gender“-Sprache betrifft, ist der Wille des Souveräns eindeutig: Alle Umfragen der letzten Jahre haben eine übergroße Mehrheit der Bevölkerung gegen die Gendersprache dokumentiert. Die „Gender“-Sprache dagegen ist das hochnäsige Protzprojekt einer selbsternannten politischen und medialen Avantgarde. Wir haben auf TE regelmäßig darüber berichtet.
Soeben nun, am 9. November, hat sich der Thüringer Landtag mit der „Gender“-Sprache befasst. Die CDU-Fraktion hatte einen Antrag zur Abstimmung gebracht. Danach sollen Thüringens Landesbehörden und Landesregierung in ihrer öffentlichen Kommunikation auf gendergerechte Sprache verzichten.
Wie zu erwarten war, gab es eine heftige Debatte zu diesem Antrag. Am Ende stimmten 38 von 74 Landtagsabgeordneten für den CDU-Antrag, also gegen das „Gendern“; 36 Abgeordnete lehnten den CDU-Antrag ab, stimmten also für das „Gendern“. Die rot-rot-grüne Minderheitskoalition hatte mit einem Gegenantrag zuvor noch vergeblich versucht, einen Kompromiss mit einer „Selbstverpflichtung zu einer respektvollen Kommunikation“ zu finden.
Zu den Mehrheitsverhältnissen im Thüringer Landtag sei angefügt: In der betreffenden Sitzung waren 74 Abgeordnete anwesend. Insgesamt besteht der dortige Landtag seit der Wahl vom 27. Oktober 2019 aus 90 Abgeordneten. Die rot-rot-grüne Minderheitsregierung hat 42 Sitze (Linke: 29; SPD: 8, Grüne: 5), die Opposition aus CDU (21), AfD (19), FDP (4) und BfTh (4) in der Summe 48 Mandate.
Nun also 38 zu 36 Stimmen gegen das Gendern! Weil nicht sein kann, was angeblich nicht sein darf, fing bereits während der Landtagsdebatte die Geiferei an. Der „Linke“-Abgeordnete Christian Schaft warf der CDU vor, mit ihrem Antrag gegen die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache Stimmungsmache und einen rechten Kulturkampf zu betreiben, „wie man ihn sonst von der AfD-Fraktion erwarten würde“.
Noch halbwegs sachorientiert äußerte sich die SPD-Abgeordnete Cornelia Klisch; sie bezeichnete die gendersensible Sprache als „legitimes Mittel, die Gleichheit der Geschlechter zum Ausdruck zu bringen“. Die CDU verkenne, dass sich Sprache ständig weiterentwickle. Staatskanzleiminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) sagte, die Landesregierung halte sich an die Regeln, die unter anderem durch Gleichstellungsgesetze oder die Rechtsprechung gesetzt seien. Mit der geschlechtergerechten Sprache sei es wie mit der Frauenquote, so Hoff. „Sie muss erkämpft werden.“
CDU und AfD in einem Boot? Trotz Merz’scher Brandmauer?
Das Hauptproblem der Gender-Befürworter freilich war wohl ein anderes. Es ging gar nicht um die Sache, sondern darum, dass die AfD vorab angekündigt hatte, für den CDU-Antrag, also gegen das Gendern zu stimmen. Die AfD-Abgeordnete Corinna Herold hatte das Gendern vor der Abstimmung eine „Sprachverhunzung“ genannt.
CDU und AfD in einem Boot? Da werden plötzlich Erinnerungen wach. Weil es für Bodo Ramelow (Linke) am 5. Februar 2020 in zwei Wahlgängen nicht zur Wahl zum Ministerpräsidenten gereicht hatte, hatte die FDP ihren Abgeordneten Thomas Kemmerich nominiert. Dieser wurde im dritten Wahldurchgang mit einfacher Mehrheit zum Ministerpräsidenten gewählt. Und zwar mit den Stimmen von FDP, CDU und AfD. Dann trat die damalige Kanzlerin Merkel auf den Plan. Aus Südafrika ließ sie wissen: Diese Wahl sei „unverzeihlich“, es sei „ein schlechter Tag für die Demokratie“. Die Wahl habe mit der Grundüberzeugung gebrochen, die für CDU und sie persönlich gelte, nämlich, dass „keine Mehrheiten mit Hilfe der AfD gewonnen werden sollten“. Das Ergebnis müsse „rückgängig gemacht werden“. Merkels Äußerungen wurden – reichlich spät – im Juni 2022 vom Bundesverfassungsgericht als „verfassungswidrig“ gewürdigt. Kemmerich war übrigens bereits zwei Tag nach seiner Wahl vom 5. Februar 2020 zurückgetreten. Und in der aktuellen Frage um das „Gendern“ ist nun eben keine Merkel 2.0 in Sicht.
Nun beeilen sich nicht wenige, Schadenbegrenzung zu betreiben. Das ZDF, das sich ja an vorderster Stelle zur Gender-Avantgarde rechnet, meinte in einer „Anmerkung der Redaktion“: „Der erfolgreiche Antrag der CDU-Fraktion hat keine direkten rechtlichen Folgen, es handelt sich dabei lediglich um einen Appell.“
Der „Focus“ scheint auf den Merkel-Nachfolger Friedrich Merz zu hoffen. Das Magazin erinnert daran, dass CDU-Chef Merz gegen die AfD eine „Brandmauer“ errichten wollte. Wörtlich hatte Merz einmal erklärt: „Mit mir wird es eine Brandmauer zur AfD geben.“ Ende 2021 hatte Merz dem „Spiegel“ ferner gesagt: „Die Landesverbände, vor allem im Osten, bekommen von uns eine glasklare Ansage: Wenn irgendjemand von uns die Hand hebt, um mit der AfD zusammenzuarbeiten, dann steht am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an.“
Hofft der Focus nun auf die Sensation einer Merz’schen Merkel-2.0-Aktion? Kann Merz etwa wollen, dass die CDU nichts mehr einbringen darf, für das die AfD auch sein könnte? Und dass die CDU gegen nichts sein darf, wogegen auch die AfD sein könnte? Wäre es so, dann hätte die CDU/CSU am 10. November im Bundestag mit 188 Stimmen für das „Ampel“-Bürgergeld stimmen müssen und nicht dagegen. Schließlich hat die AfD erwartungsgemäß ja mit 70 Abgeordneten auch dagegen gestimmt. Muss Merz nun eine Brandmauer vor sich selbst aufbauen?
Jedenfalls gibt es sehr gute Gründe, die gegen das Gendern sprechen. Die CDU darf nicht von dieser Position abweichen, nur weil die AfD ihre Ansicht teilt. Ein Skandal sei das nicht. So schreibt immerhin die FAZ.
Wo ist in Sachen „Gendern“ eine klare Linie der CDU erkennbar?
Das Thema „Gendern“ ist viel zu wichtig, es bewegt die Leute. Deshalb muss die Union hier Farbe bekennen. Auch parlamentarisch. Denn ein bisschen konservativer Markenkern sollte ja doch noch sein. Es kann sich doch nicht wiederholen, was die CDU in Rheinland-Pfalz betrieben hat. Dort hat sie mit der Landes-„Ampel“ gegen ein Verbot des Genderns in den Schulen votiert, bloß weil der entsprechende Antrag von der AfD gestellt wurde. Konkret: Am 19. Januar 2022 wurde im Landtag von Rheinland-Pfalz der AfD-Antrag „Keine ‚geschlechtergerechte Sprache‘ an Schulen und in der Landtagsverwaltung“ (Drs. 18/2075) behandelt. Die AfD-Fraktion fordert die Landesregierung darin auf, mit einem Schreiben an die Schulleiter anzuordnen, dass Sonderzeichen wie Gender-Stern, Gender-Doppelpunkt oder Gender-Unterstrich sowie das Binnen-I im Bereich der Schule und in offiziellen Schreiben von Schulen nicht zu verwenden sind. Außerdem sollte der Landtag beschließen, dass alle Dokumente der Landtagsverwaltung auch in Bezug auf die Unterscheidung von Geschlechtern ausschließlich in der derzeit gültigen amtlichen Rechtschreibung abgefasst werden.
Der Antrag der AfD wurde erwartungsgemäß abgelehnt: von den drei „Ampel“-Koalitionspartnern, den Freien Wählern und (!) von der CDU-Fraktion. Deren Sprecherin Marion Schneid hatte sich mit einer wahrlich dünnen Argumentation letztlich für die Gendersprache ausgesprochen. Sie meinte, der AfD-Antrag sei „populistisch“, die AfD beschwöre ein Problem herauf, welches gar keines sei, und im übrigen habe Deutschland wichtigere Probleme … Naja, möchte man anfügen, vor allem die CDU hat wohl größere Probleme, nämlich mit ihrem Profil.
Ein Betätigungsfeld in Sachen Gendern fände die CDU auch im „Ländle“, das sie ja als Juniorpartner zusammen mit den „Grünen“ regiert. Das dortige „grüne“ Kultusministerium überlässt es nun den einzelnen Schulen, ob sie Genderzeichen wie das Sternchen in Aufsätzen und Prüfungen zulassen. „Es ist gut, wenn Schülerinnen und Schüler in der Schule für geschlechtergerechte Sprache sensibilisiert werden, und das Thema Geschlechtergerechtigkeit ist ja auch im Bildungsplan verankert“, sagte Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) Ende Juli 2021. Schopper weiter: „Und gut ist es auch, wenn Lehrkräfte gemeinsam mit ihren Schülerinnen und Schülern eine Schreibweise bezüglich der Sonderformen beim Gendern vereinbaren.“
Was eine von Schule zu Schule unterschiedliche sprachliche Praxis für Schüler bedeutet, die mit ihren Eltern umziehen und eine andere Schule mit anderen Sprachregeln besuchen müssen, scheint Frau Schopper nicht zu interessieren. Und es interessiert sie offenbar auch nicht, dass damit bereits von der Grundschule her die Einheit der deutschen Sprache dahin ist.