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ZDF Neo lässt mit der Schwarzwaldklinik die BRD wieder auferstehen

ZDF Neo zeigt ab dem 27. November die Schwarzwaldklinik. Schon wieder. Die ständige Wiederholung kann man kritisch sehen. Doch die Serie hat auch ihren Wert – zumindest gilt das für die erste Staffel.

Schwarzwald-Folge "Glück im Spiel", mit Sascha Hehn (Dr. Udo Brinkmann), Barbar Wussow (Schwester Elke), Klausjürgen Wussow (Prof. Brinkmann) und Eva Maria Bauer (Oberschwester Hildegard, als Patientin), aufgenommen 1987 (geschätzt)

IMAGO / United Archives

Wer seinen Kindern oder Enkeln etwas über die alte BRD beibringen will, der sollte das nicht mit einem Museumsbesuch versuchen. Viel effektiver ist es, sich mit ihnen noch einmal die „Schwarzwaldklinik“ anzusehen. ZDF Neo bietet das – wieder einmal – an. Am Sonntag, 27. November, geht es los. Das lässt sich kritisch sehen. TE hat über die Wiederholungs-Strategie des ZDF-Ablegers bereits berichtet. Doch die Serie an sich hat ihren eigenen Wert: Westdeutscher war das Fernsehen nie zuvor und nie mehr danach gewesen. Das geht schon mit dem Spielort los, der so weit von der DDR entfernt lag, wie es in der BRD eben möglich war. Der sozialistische Staat wird in den rund 70 Folgen übrigens nicht erwähnt.

In der Lindenstraße ist das anders. Sie geht im Dezember 1985 in der ARD an den Start. Anderthalb Monate nach der Schwarzwaldklinik im ZDF. In einem der ersten Handlungsstränge wird die Figur des Joschi (Herbert Steinmetz) in der DDR verhaftet. Sein Versuch, Muttererde an einem Bahnhof mitzunehmen, wertet das Regime als Spionage. So viel Realität will das ZDF gar nicht zeigen. Schließlich heißt der Produzent der Schwarzwaldklinik Wolfgang Rademann, der für das Zweite bereits das „Traumschiff“ verantwortete.

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Entsprechend schreibt der Spiegel eine niederschmetternde Kritik zum Auftakt der Schwarzwaldklinik. Und wie das so ist mit etwas, das die Spiegel-Redaktion als schlecht befindet: Die Menschen lieben es. Bis zu 28 Millionen Zuschauer schalten in der ersten Hälfte der ersten Staffel ein. Damit stellt die Serie im deutschen Fernsehen einen Rekord für fiktionale Angebote auf. Der gilt immer noch. Vorbild für die Schwarzwaldklinik war die tschechoslowakische Serie „Das Krankenhaus am Rande der Stadt“, welche die ARD einige Jahre zuvor mit großem Erfolg gezeigt hatte.

Während die Lindenstraße die Tristesse eines deutschen Mietshauses zeigt, setzt die Schwarzwaldklinik auf Hochglanzoptik. Das beginnt schon mit dem Titel im Vorspann, der in goldener Schrift vor schwarzem Hintergrund zu lesen ist. Dann erscheinen imposante Landschaftsaufnahmen und die drei Hauptdarsteller Klausjürgen Wussow, Gaby Dohm und Sascha Hehn in Großaufnahmen. Das erinnert ein wenig an den Vorspann von „Dallas“, das bis dahin Maßstäbe im deutschen Fernsehen setzte.

Die Grundhandlungen sind denkbar simpel: Chefarzt liebt Krankenschwester, Vater liebt die gleiche Frau wie der Sohn oder Chefarzt muss mit seiner Ex zusammenarbeiten, vor der er eigentlich geflüchtet ist. Dazu gibt es jede Menge Landschaftsaufnahmen. Doch das Konzept Krankenhausserie bietet einen großen Vorteil: Es lässt wechselnde Gastauftritte zu. Die Schwarzwaldklinik nutzt diesen Effekt reichlich. Die besten deutschen Schauspieler der Ära treten auf: Gert Fröbe, Harald Juhnke oder Wolfgang Kieling.

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Sie leiden alle unter der Tragik, dass der deutsche Film seinen großen Schauspielern kaum große Rollen zu bieten hat. Zum Beispiel Wolfgang Kieling. Unter Hitchcock beweist er in „Der zerrissene Vorhang“, dass er zur Weltklasse gehört, in Deutschland muss er Rollen in Derrick annehmen. Auch in der Schwarzwaldklinik. Aber die Folge „Sterbehilfe“ wird zum herausragenden Höhepunkt der Serie. Der von Kieling verkörperte Landarzt Dr. Marker erfüllt seinem Patienten einen sehnlichen Wunsch und lässt ihn sterben. Dessen Familie bringt ihn vor Gericht. Die Folge kommt zu der für das Jahr 1985 progressiven Erkenntnis, dass es nicht immer richtig ist, Leben unter allen Umständen zu verlängern.

Das Konzept der Schwarzwaldklinik mag auch schon 1985 simpel und altbacken gewesen sein. Die Serie ist es nicht. Für ihre Zeit und als Angebot im Hauptabend traut sich Drehbuchautor Herbert Lichtenfeld einiges. Obwohl Chirurg, raucht Wussow als Professor Brinkmann, und wie Schimanski rutscht ihm ab und an ein „Scheiße“ raus. Oder er verliert auch mal die Nerven und schnauzt seine geliebte Hausperle Käti (Karin Hardt) an. Die Serie greift zudem neben der Sterbehilfe auch andere kontroverse Themen auf: Vergewaltigung, Aussetzung von Kindern, Selbstjustiz, Kindesmissbrauch, Abtreibung oder Selbstmord.

Zumindest ist das am Anfang so. Das ZDF gerät unter Druck. Zu Themen wie Kindesmissbrauch und Vergewaltigung muss der Sender einzelne Stellen oder komplette Folgen zensieren. Zur Folge „Sterbehilfe“ gibt es später eine Gegenfolge, „Der Wert des Lebens“. Mit vertauschten Rollen: Jetzt ist es die Schwiegertochter (Witta Pohl), die Geld sparen und ans Erbe ran will und Brinkmann deshalb drängt, bei ihrem Schwiegervater den Stecker zu ziehen. Der aber ist putzmunter und erfreut sich buchstäblich des Lebens. Sodass sich Brinkmann selbstredend weigert. Als Moral der Geschichte erleidet Pohls Mann einen Herzinfarkt und ist fortan selbst auf Apparate angewiesen. Verkörpert wird er von dem ebenfalls unterschätzten Gerd Baltus.

Die Moral erfolgt in der Schwarzwaldklinik oft auf dem Fuß, mit der Krankheit als Strafe Gottes oder des Drehbuchautors: Der Dicke (Günter Strack) umschwärmt eine gesundheitsbewusste Dürre (Beatrice Richter). Zack. Schwächeanfall. Am Ende versöhnt er sich mit seiner ebenfalls übergewichtigen Ehefrau, indem sie gemeinsam Würste essen. Der Geschäftsmann (Claus Biederstedt) geht fremd und täuscht seiner Frau eine Geschäftsreise vor. Zack. Autounfall. Er muss zugeben, dass er in den Schwarzwald gefahren ist. Die Haushälterin des Chefarztes setzt auf ein vermeintliches Wunderwasser. Zack. Durchfall.

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Trotzdem kommt die Schwarzwaldklinik nicht moralinsauer rüber. Das liegt an der Hauptfigur des Professor Brinkmann, der die Philosophie eines pragmatischen Idealismus vertritt. Wobei der Zweck dieses Idealismus das Patientenwohl ist: Der reiche Privatpatient liegt einsam und alleine in seinem Zimmer, der Kassenpatient bräuchte mehr Ruhe, als es die Skatbrüder auf seinem Zimmer zulassen. Also setzt sich Professor Brinkmann über die Regeln weg und lässt die Privatversicherung des Reichen für das Einzelzimmer des Kassenpatienten aufkommen – und umgekehrt. Einem todkranken Alkoholiker gewährt er kurz vor dessen Tod als letzten Wunsch einen letzten Schluck. Doch wenn ein Assistenzarzt während seiner Wache einschläft, versetzt ihm Brinkmann auch mal eine Ohrfeige. Er setzt sich für seine Mitarbeiter ein: Als Zivi Micha (Jochen Schroeder) unter den Verdacht des Diebstahls gerät, setzt er die Unschuldsvermutung in der Klinik durch. Doch als sich Doktor Sager (Robert Atzorn) als überfordert erweist und dadurch ein Kind in Lebensgefahr bringt, sorgt er für dessen Berufsende. Der Patient steht im Mittelpunkt.

Das alles sei unrealistisch, wird den Serienmachern immer wieder vorgeworfen. Zum Schaden der Serie gehen sie darauf ein: Lassen Folgen in Afrika spielen oder in einer Notfallklinik in Hamburg. Doch das passt weder in die Optik noch in die Grunderzählungen der Serie. Allerdings wird diese auch handwerklich zunehmend schlechter: Konflikte werden innerhalb von drei Szenen aufgebaut und abgeräumt; Darsteller reden über die Gefühle ihrer Figuren, statt diese zu zeigen, und manche Folgen sind wie ein gespielter Witz, wenn etwa der Postbote (Frank Schröder) beim Fensterln in den Rosenstrauch fällt.

Zum Tiefpunkt wird ein Handlungsstrang rund um den Krankenhauskoch: Einführung Koch als Freund von Micha, absehbarer Unfall, arbeitsunfähig und eine Versicherung sorgt dafür, dass er zum Elektriker umschulen kann. Dass diese Folge von der Versicherung bestellt ist, ist allzu leicht zu sehen. Etwa wenn ein Vertreter im breitesten Schwäbisch umständlich die Vorzüge des Umschulungszentrums preist – was so hochdramatisch wie eine verfilmte Umsatzsteuervorerklärung ist. Die Quoten sacken durchaus zurecht in den Keller. Und schon nach drei Staffeln ist Schluss für die erfolgreichste deutsche Serie – andere Zählungen teilen die 70 Folgen in sechs Staffeln auf. Es folgt noch ein wenig Restruhmverwertung in Form von diversen Specials und diverse Imitate auf vielen Sendern.

Sowie die permanente Wiederholung auf ZDF Neo. Die startet am Sonntag, 27. November, und zieht sich bis in die Weihnachtszeit hinein. Wobei die Produktplatzierung nicht nur schlecht ist. So hatte das Team seinerzeit offensichtlich Vereinbarungen mit der Autoindustrie. Gerade die Audis und Volkswagen der Brinkmanns waren deutlich öfter und länger im Bild zu sehen, als dass es dramaturgisch unbedingt nötig gewesen wäre. Daraus gewinnt die Serie aber ihren Reiz für Nostalgiefans. Die alten Wagen zu bestaunen, ist fast genauso schön, wie sich in den Flair der alten Bundesrepublik zu versetzen – kurz bevor sie sich mit der DDR verschmolz.

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