Deutschlands Mittel sind grenzenlos. Das ist zumindest der Eindruck, den Bundesinnenministerin Nancy Faeser im letzten Illner-Talk vermitteln wollte. Es ist egal, wie viele kommen, wie sehr die Kommunen ächzen: Man schüttet hier noch ein Milliärdchen aus, und da noch eines – dann sind die Probleme verschwunden. Das Thema des Talks: „Weniger Geld, mehr Flüchtlinge – ist Deutschland noch stark genug?“
Nach der Runde möchte man sagen: Nein. Deutschland ist nicht stark genug. Deutschland könnte es sein: Die Flüchtlingskrise kann gestemmt werden, mit Staatsgeldern und dem lebendigen deutschen Ehrenamt. Doch es fehlt Entschlossenheit. Es fehlt Mut. Und es fehlt die Bereitschaft anzuerkennen: Die Mittel Deutschlands sind begrenzt. Es kann nicht die ganze Welt auf einmal gerettet werden.
Das beschreibt anschaulich der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer. Er berichtet: Es gibt in seiner Stadt nun so viele ukrainische Flüchtlingskinder im Kita-Alter, wie es Kita-Plätze gibt. Es mangelt an Grundschulplätzen und Personal. Es entstehen Verteilungskämpfe zwischen Bürgern und Flüchtlingen. Die Kommunen können nicht mehr leisten. Auch wenn der Staat mehr Geld ausschüttet: Davon wird der Mangel an Lehrern und Erziehern nicht behoben.
Die Kommunen rufen um Hilfe – Geld reicht nicht
Hilferufe, die bei Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf taube Ohren stoßen. Sie rühmt sich, dass man mehr als vier Milliarden Euro an Kommunen verteilen wird. Geld kleistert Probleme zu, so der Glauben der Regierung. Dazu kommt viel Inhaltloses von Faeser, das sich so zusammenfassen lässt: Bürger, für dich wird’s teuer. Die Zuwanderung auf die zu begrenzen, die wirklich unsere Hilfe brauchen, machen wir nicht. Von Flüchtlingen zu fordern, schneller in den Arbeitsmarkt zu stoßen, ist irgendwie unmöglich. Die Bürokratie verhindert das, aber die Bundesregierung will das nun ändern. So als hätte die SPD nicht schon seit 2015 Zeit gehabt, das zu tun. Eine merkwürdige These.
Hier findet Palmer einen – für ihn – ungewöhnlichen Verbündeten: den MdB Carsten Linnemann, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Nach unzähligen Jahren in der Macht fällt es nun auch der CDU auf, dass es sich immer weniger lohnt zu arbeiten.
Faeser versucht das zu rechtfertigen: Es sei so schwer, für Flüchtlinge eine Arbeitserlaubnis zu erlangen. Sie gelobt, dass dies verbessert werden soll, ganz so, als wäre die SPD nicht schon länger als seit 2015 durchgängig an der Macht beteiligt gewesen. Linnemann kontert: Syrer haben in Deutschland eine hohe Asyl-Anerkennungsquote. Die allermeisten von ihnen, die seit 2015 hier sind, dürften also arbeiten. Doch zwei Drittel der Syrer in Deutschland leben von Hartz IV. Oder wie es Linnemann ausdrückt: „Was Sie gerade gesagt haben, Frau Bundesinnenministerin, ist sachlich falsch.“
In Wahrheit geht es in der Sendung nicht um Einwanderung
Denn das wahre Thema der Sendung ist: Geld und Arbeit. Wie viel Geld kann sich Deutschland leisten auszugeben für jene, die nicht arbeiten? Wie soll man umgehen mit denen, die arbeiten könnten, es aber nicht wollen?
Aber über die begrenzten Kapazitäten des Staates zu reden, ist irgendwie suspekt, findet Ann-Katrin Müller, Redakteurin beim Spiegel. Sie ist eingeladen als Ampel-Verteidigerin und das macht sie ganz hervorragend, mit weitaus größerem Eifer als Faeser. Kaum ein Satz Linnemanns kann ohne eine Unterbrechung von Müller beendet werden. Ein Vertrauensverlust in die Politik seitens der Bürger sei kaum zu erkennen, meint sie. Das stimmt wohl: Es sind zwar ähnlich viele nach Deutschland geflohen wie 2015 – aber jetzt berichten die Medien darüber kaum.
Die letzten Gäste in der Runde sind Sirkka Jendis und Gerald Knaus. Jendis ist Vorsitzende der deutschen Tafeln und berichtet: Weil Kommunen überfordert sind, schicken sie immer mehr Leute direkt zu den Tafeln. Doch die Tafeln sind zivilgesellschaftliches Engagement und nicht Teil des Sozialstaats. Knaus ist Migrationsforscher. Er erklärt Fluchtrouten. Die Balkanroute ist fast leer, so seine Theorie. Über sie kommen kaum neue Migranten nach Europa. Die immer noch hohen Einreisezahlen aus Syrien, Iran und anderen Staaten Afrikas oder dem Mittleren Osten erklärt er mit Binnenmigration in Europa: Migranten kommen aus anderen Ländern, in denen sie womöglich schon Asyl haben, nach Deutschland.
Der Druck auf die Kommunen wächst jedenfalls weiter. Aber er wird nicht beliebig wachsen können, auch wenn Müller und Faeser das suggerieren möchten.