Laura Codruța Kövesi, das könnte ein Name sein, den man sich merken muss. Die „Antikorruptions-Ikone“ (Deutsche Welle) aus dem korruptionsgeplagten Rumänien soll nun in der EU-Kommission und namentlich im gemütlichen Penthouse von Ursula von der Leyen für Angst und Schrecken, zumindest aber für Nervosität sorgen, wie man jüngst im „Brussels Playbook“ von Politico – dem Brüsseler Insiderbericht mit unendlich vielen Folgen – nachlesen konnte.
Man kann sich nun fragen, inwiefern die EU-Staaten eine weitere supranationale Institution gebraucht haben, zumal es ja schon die Anti-Betrugs-Behörde OLAF und Europol gibt. Aber eine Staatsanwaltschaft hat andere Befugnisse und könnte nach Ansicht von Experten die Verschwendung von EU-Institutionen effektiv aufzeigen. Ja, die Kontrolle der EU-Organe durch einen unabhängigen Generalstaatsanwalt hat durchaus Sinn, sogar Charme – soweit man sich noch gedanklich im EU-Kosmos beheimatet sieht.
Corona-Pandemie könnte Korruption und organisierte Kriminalität befeuert haben
Tatsächlich hatte Kövesi schon im Mai 2020 gesagt – sie war da schon von Parlament und Mitgliedsstaaten nominiert worden –, dass die Corona-Pandemie und die mit ihr begründeten neuen Unterstützungstöpfe und Mittelauszahlungen die Wahrscheinlichkeit von betrügerischem Handeln erhöht haben. So besitzt etwa das Global-Response-Paket zur Abmilderung der Auswirkungen des Coronavirus auf die EU-Wirtschaft laut Kövesi das Potenzial, zu Subventionsbetrug, Korruption und sogar mehr organisierter Kriminalität zu führen. Von 2006 an war Kövesi die jüngste Generalstaatsanwältin Rumäniens gewesen, in welcher Rolle sie sich bereits intensiv mit mafiösen Strukturen auseinandersetzen konnte. Danach übernahm sie 2013 die Leitung der rumänischen Antikorruptionsbehörde, von der sie allerdings fünf Jahre später vorzeitig entbunden wurde – angeblich eine Folge ihrer unermüdlichen Ermittlungen im (noch immer regierenden) Korruptionssumpf des Landes.
Aber welchen Impfstoff-Deal untersucht Kövesi mit ihrer EU-Staatsanwaltschaft wirklich? In der knappen, nur dreisätzigen Pressemitteilung der EUStA heißt es immerhin, man gebe diese Bestätigung „wegen des extrem hohen öffentlichen Interesses“ heraus. Das lässt in der Tat an einen Sachverhalt denken, auf den die Öffentlichkeit schon ihr Augenmerk gelegt hatte. Und der Pfizer-Deal stand durch die verschwundenen SMS-Nachrichten und eine anstehende Befragung Bourlas im Covid-Sonderausschuss des Parlaments – die dann doch nicht stattfand – schon einigermaßen im Zentrum des Interesses. Und nun eben die Politico-Gerüchte um die Nervosität Ursula von der Leyens. Vielleicht hat die Grandeur dieser weitgehend ungewählten Spitzenpolitikerin, die sich etwas zu gut auf das Löschen ihrer „professionellen“ Korrespondenz versteht, bald ein Ende.
Kollektive Treue, individuelle Untreue?
Derzeit lädt von der Leyen auf dem Westbalkan weitere Staaten ein, sich dem EU-Projekt anzuschließen. Stil und Inhalt ihrer Reden verraten dabei mehr über ihr Politikverständnis, als der CDU-Frau lieb sein könnte. So war von der Leyen im unglücklichen Rumpfstaat Bosnien und Herzegowina zu Besuch, dem innere Spaltungen, vielleicht Abspaltungen drohen, weil widerstreitende Ethnien in ein Land gesperrt wurden, woran auch ein Hoher UN-Repräsentant (derzeit der CSU-Politiker Christian Schmidt) nichts ändern kann.
In Sarajevo sprach von der Leyen die politische Elite des Landes direkt an. „Die Tür der Europäischen Union steht offen. Bitte ergreifen Sie die Chance und nutzen Sie diese Einladung. Es liegt nun an Ihnen, zusammen durch diese offene Tür zu gehen“, erklärte sie ihren Zuhörern in der Zeichensprache ihrer Arme. „Und je mehr Sie das tun, desto mehr helfen Sie mir, Ihr Land Bosnien und Herzegowina zu unterstützen.“ So könne sie etwa den Kandidatenstatus des Landes im Rat „verteidigen“. Von der Leyen weiß, so glaubt sie, dass sie sich auf die politische Führung von Bosnien-Herzegowina verlassen kann: „Das ist Ihre historische Verantwortung als die neuen Anführer von Bosnien und Herzegowina.“ Eine neue Führung im Einklang mit übergeordneten Herren, so könnte man Kolonialismus auch umschreiben. Die EU-Führung ersetzt die Demokratie in den Einzelstaaten durch ein neo-feudales Herrschaftssystem der Treue zwischen nationalen und supranationalen Gremien und Personen.
Wie steht es aber mit der Treue der regierenden Individuen zu ihren neuen Untertanen? Gibt es Kontrolle in diesem Super-Gebilde EU, das kaum ein europäischer Bürger durchblicken dürfte? Institutionen wie eine unabhängige Staatsanwaltschaft mit Zugriff auf EU-Dokumente und Ressourcen könnten ein Anfang für eine demokratischere EU sein, die sich zumindest an grundlegende Rechtsstandards hält, statt sich anzumaßen, selbst das Recht einer neuen Zeit zu setzen.