Tichys Einblick
Münchner Bestlagen bleiben ungeschoren

Neue Grundsteuer belastet vor allem Eigentümer in den neuen Ländern

Die neue Grundsteuer ist nicht nur ein bürokratisches Monster, das die Eigentümer nervt. Ausgerechnet die ohnehin vermögensärmeren neuen Bundesländer werden stärker belastet – während Münchner Bestlagen ungeschoren bleiben.

Formular zur Grundsteuererklärung

IMAGO / MiS

Bislang ging es, wenn von den neu abzugebenden Grundsteuererklärungen die Rede war, vor allem um den nerven- und zeitaufreibenden Aufwand für die Grundeigentümer. Aber viele von ihnen wird die Reform nicht nur viele mühevolle Stunden mit Dokumenten und Ämtern kosten, sondern auch Geld. Treffen wird es aber voraussichtlich gerade nicht jene „Superreichen“, deren Vermögen nach Wunsch von Saskia Esken und Katrin Göring-Eckardt dem von ihren Parteifreunden regierten Staat noch mehr als bislang zugeführt werden soll.

Bizarr genug, dass die Bürger in Zeiten, da schon die vorherige Bundesregierung die Stelle einer Staatsministerin für Digitalisierung eingerichtet hatte, nun also Daten von verschiedenen Ämtern zusammentragen und einem anderen Amt in gewünschter Form präsentieren müssen, weil der Staat dies offenkundig selbst nicht hinkriegt. Die Amtsinhaberin Dorothee Bär verstand ihren Job in den mehr als drei Jahren offenkundig eher als Freifahrtschein zum ganztägigen Twittern denn als Aufgabe. Eine von ihr angekündigte „Bundeszentrale für Digitale Aufklärung“ gibt es nach wie vor nicht. In der neuen Bundesregierung ist Digitalisierung als „Querschnittaufgabe“ definiert, mit einem kaum durchschaubaren Zuständigkeitswirrwarr.

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Dass die ursprüngliche Abgabefrist der Grundsteuererklärung Ende Oktober zunächst nur für Gemeinden als Grundeigentümer und dann für alle auf Ende Januar verschoben wurde, ist nichts anderes als ein Eingeständnis der Zumutung des Staates an seine grundbesitzenden Bürger. Der Ärger mit der neuen Grundsteuer wird aber für viele Immobilieneigentümer auch noch lange nicht vorbei sein, wenn die Erklärung korrekt abgegeben und ein neuer „Einheitswert“ festgelegt wurde. Denn für viele von ihnen bedeutet die Neuregelung eben doch eine deutliche Steuererhöhung.

Das Versprechen von Bund und Ländern nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 2018, dass die Bürger unterm Strich nicht mehr zahlen müssen, ist allein deswegen schon unhaltbar, weil die Länder nur über das Modell der Berechnung entscheiden, aber die Kommunen die Steuer kassieren und auch über die sogenannten Hebesätze entscheiden. Darin sind sie frei. Es gibt sogar einige Gemeinden, die den Hebesatz auf Null gestellt haben, also auf jegliche Grundsteuer verzichten. Die Tendenz geht allerdings in die Gegenrichtung. Gerade in der Corona-Pandemie haben viele Kommunen ihre Hebesätze erhöht.

Die Umstände der neuen Grundsteuer sind sowohl unpassend, weil sie in eine Zeit fallen, in der die Bürger ohnehin unter steigenden Belastungen ächzen, als auch ungerecht. Denn voraussichtlich werden die Eigentümer in privilegierten Lagen nicht mehrbelastet werden, aber dafür ausgerechnet die ohnehin im Schnitt deutlich weniger vermögenden Bürger in den neuen Ländern und Ostberlin. Viele von ihnen werden wohl deutlich höhere Grundsteuern zahlen müssen. 

Denn in den Ländern der ehemaligen DDR wurden bisher Werte aus dem Jahr 1935 herangezogen, in den westdeutschen Bundesländern basieren sie auf Zahlen aus dem Jahr 1964. Besonders große Steigerungen sind also in Ostberlin und rund um Berlin in Brandenburg zu erwarten. Und ausgerechnet Grundbesitzer in Münchens Bestlagen, wo die Immobilienpreise in den vergangenen Jahrzehnten besonders explosiv gestiegen sind, kommen wohl weitgehend ungeschoren davon. „Für zwei gleich große Wohnungen in München in Bestlage und in einfacher Wohnlage wird künftig Grundsteuer in derselben Höhe fällig“, zitiert Focus.de einen Berater von Ernst & Young.

Politisches Konfliktpotential 
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Dieses Ergebnis konterkariert den Sinn der Grundsteuer-Reform. Sie sollte laut Bundesverfassungsgerichtsurteil ja gerade die völlige Verzerrung durch die uralten Einheitswerte beheben und an die aktuellen Immobilienpreisentwicklungen anpassen. Angesichts der bisherigen Bewertung auf Grundlage von Daten aus dem Jahr 1935 in den neuen Bundesländern werden aber nun ausgerechnet für dortige Immobilien die Einheitswerte überproportional steigen. Wenn nun der Eigentümer einer mehrere Millionen Euro teuren Stadtvilla in München mit der neuen Grundsteuer ungeschoren wegkommt und der Eigentümer eines 100.000-Euro-Häuschens in Vorpommern mehr Steuern zahlen muss, dürfte das dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden nicht entsprechen – selbst wenn formal eine Gleichbehandlung hergestellt wird. 

Das Portal „kommunal.de“ hat beispielhafte Rechnungen zusammengetragen, etwa vom Verband der Hausbesitzer für Hohen Neuendorf in Brandenburg. Der Hebesatz dort liegt bei 350 Prozent. „Für ein vom Verband berechnetes Musterhaus wurden somit bisher rund 210 Euro fällig. Künftig wären es bei gleichem Hebesatz 385 Euro. Alternativ müsste der Hebesatz auf 190 Prozent sinken, sollte das Versprechen, dass es unterm Strich für Hausbesitzer nicht teurer wird, eingelöst werden. Jedoch ist im örtlichen Gemeinderat bereits ein entsprechender Antrag auf Selbstverpflichtung, den Hebesatz so anzupassen, dass die Stadtkasse unterm Strich nicht mehr Geld einnimmt als bisher, abgelehnt worden.“ 

Die meisten ostdeutschen Gemeinden müssten ihre Hebesätze also aktiv senken, um den Grundeigentümern eine Steuererhöhung zu ersparen. Die Versuchung für die Lokalpolitiker dürfte groß sein, dies einfach bleiben zu lassen. 

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