Tichys Einblick
Österreichs größtem Unternehmer zum Gedenken

Salzburg ohne Mateschitz ist wie Mozart ohne Kugeln

Der legendäre Red-Bull-Gründer ist mit 78 Jahren gestorben und hinterlässt einen Konzern und viele Fragezeichen in Salzburg: Das Unternehmen geht weiter und globalisiert seine Abfüllanlagen. Aber die Stadt? Offensichtlich hat der Milliardär seine Sponsoring-Aktivitäten über eine Stiftung abgesichert.

MAGO / Laci Perenyi

Salzburg ist eine wunderschöne Kulisse, mit Dom und Fiaker und Café Tomaselli, Getreidegasse und düsterer Felskulisse, aus der zur Festspielzeit das schaurige „Jeeeeeedermann“ über die Stadt zum Memento mori mahnt.

Und nun ist Dietrich Mateschitz mit 78 Jahren gestorben. Er war der Gründer von Red Bull –  und der Motor für Salzburg. Sein wirtschaftlicher Erfolg ist märchenhaft, und seine Wahlheimatstadt hat er mit in sein Märchen genommen. Mitte der 80er hat der damalige Blendax-Produktmanager in Thailand die Rezeptur von Red Bull entdeckt und die Rechte für die Vermarktung in der westlichen Welt erworben; jedenfalls die Hälfte minus ein Prozent, die andere blieb bei den thailändischen Gründungsbesitzern. Ein Dutzend Jahre klappte es nicht so recht mit dem Getränk, kurz vor dem Aufgeben bekam sein Erfolg Flügel.

Der reichste Österreicher ist er ohnehin. Auf Platz 57 der Forbes-Liste der weltreichsten Menschen rangiert Mateschitz. 17 Milliarden soll der Wert der Marke betragen und 28 Milliarden sein Privatvermögen. Das alles sind keine News. Red Bull wird weiter laufen. Es ist eine geniale Marketingmaschine, die Zuckerwasser mit etwas Geschmack teuer verkauft. Er hat Content Marketing erfunden, als es das noch gar nicht gab. Die Marketingmaschine sitzt im malerischen Fuschl am gleichnamigen See. Längst ist die futuristische Firmenzentrale mit den springenden Bullen aus Bronze im Teich davor zu klein für das um die Brause aufschäumende Unternehmen. Keine einzige der knapp neun Milliarden Dosen, die Red Bull jährlich weltweit verkauft, wird in Fuschl produziert; hier wird die Story geschrieben. Aber jede einzelne kommt aus Österreich, abgefüllt wurde zunächst nur bei Rauch in Vorarlberg. Neuerdings allerdings hat Red Bull ein Dutzend Abfüllanlagen in der Schweiz, Großbritannien und für den schnell expandierendem Markt in den USA. Es ist eine dramatische Veränderung der Unternehmensstruktur.  Und: Mateschitz hat stets und bis zuletzt sein gesamtes Einkommen und Vermögen in Österreich versteuert. Woran er wirklich nicht geglaubt hat (und wovon er so rein gar nichts hielt), ist Steuerflucht. Mateschitz war unermesslich reich und er hat davon abgegeben.

Mateschitz ließ es krachen in Salzburg

Das verschlafene Salzburg wurde Zentrum eines Weltkonzerns; verteilt über die Stadt wird am Erfolg gearbeitet. Rennställe, Fußballclubs, eine Modemarke, Medien – alles mit der Brause finanziert, auf österreichisch heißt es „Kracherl“ wegen der platzenden Kohlensäure. Mateschitz hat es krachen lassen in Salzburg. Eigentlich hat die Stadt kein wirtschaftliches Herz mehr. Viel Tourismus, Festspiele, alles auf Mozart gebaut. Aber wie viel kann man mit Mozartkugeln umsetzen, zumal der größte Hersteller nicht mehr die Konditorei Fürst ist, sondern die Schokoladenfabrik „Reber“ aus dem Bayerischen Reichenhall?

Salzburg hat eine schnuckelige wie bedeutungslose Universität, ein bekanntes Konservatorium, aber kaum mehr lebendige Kultur. Sie ist erstarrt in der Pflege des großen Wolferls; Größen wie Stefan Zweig wurden schon vor langem vertrieben oder zu Narben wie der Stardirigent Herbert von Karajan. Salzburg ist Vergangenheit und lutscht daran wie an einer gigantischen Mozartkugel. Klar, jetzt wird auch der „Jedermann“ woke zum Jedertrans aufgemöbelt und „Buhlschaft“, früher Traumrolle jeder blonden Schauspielerin, non-binär und stoppelkurzhaarig verhunzt; aber das ist keine Leistung oder Originalität, sondern nur Abklatsch von dem Unsinn, der andernorts großgemacht wurde und nun auch in Figaros Hochzeit Nazis marschieren lässt, bis das Stück dem Zeitgeist gefällt, aber nicht mehr dem Publikum. Salzburg lebt auf Abruf, kreischt noch gelegentlich morbid, was aber den zahlenden Gästen aus den USA längst nicht mehr gefällt. Wer hinter dem Zeitgeist her hechelt, bringt nichts Neues.

Und dann kam er: Mateschitz, aus der Steiermark stammend und in Wien studiert, hat Salzburg wachgeküsst. Er inszeniert seine eigenen Schauspiele der Moderne; hat Extremsportarten weltweit gefördert und minutiös gefilmt, einen Menschen ins Fast-All geschossen und am Fallschirm zurückstürzen lassen, absurde Abenteuer finanziert, mit der Skifahrer annähernd senkrecht abstürzen oder mit gigantischen Fledermausflügeln durch die Lüfte auf Felswände zurasen, deren kleine Aushöhlungen erst sichtbar werden, wenn sie hindurchsausen. Oder eben fast zerschellen. Red Bull lebt vom Schauspiel des Abenteuers in einer durchverwalteten Welt.

Neben Salzburg hat sicher die Steiermark Mateschitz am meisten zu verdanken. In seinem Heimat-Bundesland – vor allem im Murtal – hat er mit zahllosen Investitionen kleine Unternehmen am Leben gehalten, sehr viele Immobilien restauriert und mit dem (von ihm gebauten) Formel-1-Kurs in Spielberg der ganzen Region wirtschaftlich und kulturell neues Leben eingeprügelt.

„Red Bull verleiht Flügel“ und Servus-TV

Das ist die Marke Red Bull: Eine Dose Abenteuer in einer Welt der sozialversicherten Langeweile. Sie vermittelt der Generation Schneeflocke ein virtuelles Spannungsgefühl, Dosen öffnen und zischen reicht, und Du fliegst mit. Die wahren Abenteuer sind im Kopf und sind sie nicht im Kopf, dann sind sie nirgendwo, hat André Heller gesungen. Mateschitz verpackte sie in Büchsen. Eigentlich ist Mateschitz ein Dramaturg, die Dose nur scheinbar zufälliges Requisit, aber jeder, der sich von ihr auffrischen lässt, trinkt einen Schluck mit vom großen Abenteuer und vom Rausch der überwundenen Gefahr. „Red Bull verleiht Flügel“.

Diese Botschaft hat er als Dirigent und Regisseur und Dramaturg in einer Person immer wieder neu gespielt und spielen lassen. Er hat mit ungeheurem Aufwand weltweit die Talente des modernen Welttheaters und Show-Business an die Schreibtische nach Salzburg geholt. Salzburg ist nicht Kalifornien, aber sie haben das neue Welttheater nach Salzburg gebracht. Das ist den Altsalzburgern zunächst gar nicht aufgefallen. Und dann war es zu spät. Aus den Stierwaschern, wie sie verspottet wurden, die einen Stier immer wieder abgewischt und neu angemalt haben, um bei einer Belagerung volle Ställe vorzutäuschen, ist Bullburg geworden.

Er hat die Kadaver der toten Stadt aufgeräumt und Salzburg mit neuem Leben gefüllt. Beispiel ServusTV. Einen kompletten Fernsehsender hat er hingestellt. Allerfeinste Sendetechnik, und ein durchweg braves Programm; etwas altväterlich. Bemerkenswert allerdings ist es mit seinen Talkshows wie „Hangar 7“. Kulisse ist der Doppelhangar, in dem flugbereit die Flug-Oldtimer stehen; darunter der Alpha-Jet der Bundeswehr ebenso wie die Douglas DC 6B, die einst das Dienstflugzeug des jugoslawischen Staatsgründers Josip Broz Tito war, und deren einzige sehr gelegentliche Bedeutung darin besteht, dass verdiente Red-Bull-Mitarbeiter per Rundflug motiviert werden. Dazu eine Sterne-Küche – Mateschitz hat die Stadt neu inszeniert, die ewig schöne Felsenreitschule ist muffig gegen die blitzblankgeputzen Rennpferde der Lüfte, die er alle selber fliegen konnte.

„Hangar 7“ ist eine andere Talkshow, weil sie aus dem linksstrangulierten Ritual vergleichbarer deutscher wie österreichischer Formate ausbricht und konsequent Gäste einlädt, die sonst auf keinem der Staatsschirme mehr erscheinen dürfen. Es werden Fragen gestellt, die anderswo nicht einmal mehr gedacht werden dürfen. Ähnlich „Links.Rechts.Mitte“ oder die Wissensshow Pragmaticus, die auch als Lehrheft erscheint. Angeblich verbrennt der Sender im Jahr mehrere hundert Millionen; was den einen die GEZ, ist den Salzburgern Mateschitz. Die Belegschaft liebt ihn: Arbeitsbedingungen hervorragend, Sozialleistungen mehr als großzügig.

Fürs Soziale sorgte Unternehmer Mateschitz selbst

Dietrich Mateschitz hat versucht, die Selbstausbeutung und Dynamik amerikanischer Start-ups mit europäischer Sozialverantwortung zu kombinieren. Wer krank wird, wird nicht gefeuert, sondern versorgt. Großzügig, ohne Fragen. Aus dem biederen Salzburger Landeskrankenhaus wurde mit Abermillionen von Red Bull eine respektable Universitätsklinik, deren menschliches und freundliches Versorgungsniveau jeden deutschen Gegenspieler als menschenverachtende Medizinmaschine erscheinen lässt.

Mateschitz hat die moderne Medizin in Salzburg finanziert; er selbst hat sich der Chemotherapie widersetzt und mit alternativen Heilmethoden behandelt. Über Corona sollte jeder selbst frei urteilen, dazu hat ServusTV grandiose Dokumentationen über den Schmäh der Pandemie gedreht und gesendet, ServusTV-Intendant Ferdinand Wegscheider hat sie wöchentlich als Kasperliade verhöhnt. Dazu gehört Mut und der braucht Millionen.

Salzburg wurde um ihn beneidet. Mateschitz hat einem begabten Jugendlichen, den er vor dem Schaufenster eines Musikgeschäfts gefunden hat, die Zither finanziert. Er hat schöne Landsitze und Traditionsgasthöfe aufgekauft und damit verhindert, dass Österreich das tut, was es sonst so gerne macht: den schönsten Panoramablick mit Garagenbauten und Tankstellen an unpassendster Stelle zu verbauen. So wurde Mateschitz zum generösen Gönner der Region mit Ausstrahlung bis weit nach Bayern, zog Mitarbeiter aus München und Berlin an, die die Enge von ARD und ZDF und den Trash von RTL oder Pro7 nicht mehr aushielten. Die Wiener waren neidisch. Sie waren ausgegrenzt. Denn plötzlich war da Leben außerhalb ihrer Blase von Politikern und Hofjournalisten, die in Wien genauso abgeschottet leben und arbeiten wie die Mitglieder der Berliner Bundespressekonferenz. Das hat den Sender verhasst gemacht, weil er zeigt, was sie verbergen.

Eigentlich gehört ja so ein Sender in die Weltstadt Wien und nicht ins provinzielle Salzburg, meinen sie in Wien. Natürlich war es schwierig, Gäste einzufliegen aus Deutschland, denn der Flughafen Salzburg geht gerade ein mangels passender Flugverbindungen. Gäste aus dem Wasserkopf Wien rasten nachts zurück über die Autobahn in die glitzernde Großstadt. Wien hatte immer den größten Schmäh, Sozialismus, Einbildung, Weltgeltung und Weltkultur, aber neuerdings nur Almdudler.

Das ungleich modernere Red Bull dagegen ist im kleinen, ständig des latenten Faschismus verdächtigten Salzburg. Und jetzt?

Mateschitz hat nicht den morbiden Mozartverweser bespielt, nicht nur wie ein Gigolo die verlebte Gräfin zu neuem Leben erweckt. Er hat ihr Flügel geschenkt. Aber was ist Salzburg ohne Mateschitz? Mozart ohne Kugeln? Übernimmt sein Sohn Mark nicht nur den Konzern, sondern auch die Liebe zur Getreidegasse? Wie gehen die 51-Prozent-Mehrheitseigner, die thailändische Familie Yoovidhya damit um? Sie werden an verlustreichen Engagements des Lokalpatrioten Dieter Mateschitz kaum Interesse haben.

Neue Medien- und Sportstiftung gegründet

Zu Lebzeiten konnte Didi Mateschitz trotz seiner Minderheitsbeteiligung (49 Prozent) dank einer speziellen Vertragsklausel dennoch schalten und walten, wie er wollte. Für seine Nachfolger soll das nicht gelten. Nun meldet das Portal OE24, dass Mateschitz noch kurz vor seinem Tod vorgesorgt und den Stiftungszweck seiner „Kunst und Kultur DM Privatstiftung“ hat erweitern lassen. Die Stiftungsurkunde soll oe24 vorliegen. Am 26. August 2022 gab es demnach einen Termin bei Notar Utz Rothlauer in St. Michael im Lungau (Salzburg). Stifter der „Kunst und Kultur DM Privatstiftung“ mit Sitz im Red-Bull-Bürogebäude Elsbethen bei Salzburg sind demnach Dietrich Mateschitz und die Servus Medien GmbH. Der Liechtensteiner Vermögensverwalter Heimo Quaderer wurde zum Vorstandsmitglied der Stiftung bestellt. Neben ihm sind auch noch Volker Viechtbauer, Leiter der Red-Bull-Rechtsabteilung, und Red-Bull-Finanzchef Walter Bachinger im Stiftungsvorstand.

Dem Vernehmen nach soll Mateschitz hohe dreistellige Millionenbeträge in die Stiftung eingezahlt haben, um die Aktivitäten im Medien- und Sportbereich, insbesondere auch in Österreich, abzusichern. Das wären gute Nachrichten.

Servus, Didi. HabedieEhre

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