Tichys Einblick
Folgt nach Schweden bald Italien?

In Italien wird der Ruf nach der Atomkraft lauter

Lega-Chef Matteo Salvini macht in den sozialen Medien Werbung für Italiens Wiedereinstieg in die Atomkraft. Auch konservative Medien verbreiten Pro-Kernkraft-Stimmung.

IMAGO / ZUMA Wire

Kommt nach Stockholm der nächste Puls in der Energiefrage aus Rom? In Politik und Medien tut sich zumindest etwas. Bereits im Wahlkampf tauchte das Thema Kernkraft überraschend auf, obwohl es in Italien einen jahrzehntelangen, ablehnenden Konsens dazu gibt. Mattheo Salvini und eine wichtige italienische Tageszeitung machten dazu jedoch heute einen denkwürdigen Aufschlag. So setzte der Lega-Chef am Samstagmorgen einen denkwürdigen Tweet ab.

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Mehr als 400 Kernreaktoren seien weltweit in Betrieb, so Salvini, mehr als 100 in Europa, rund 50 davon in Frankreich. Es sei „saubere, sichere und kostengünstigere“ Energie. Er wolle, dass Italien in der Lage sei, die neueste Generation von Kernreaktoren zu nutzen. Das sei gut für die Umwelt und mache die teuren Monatsrechnungen wieder günstiger. Der Vorstoß ist beachtlich, wenn auch nicht überraschend: denn das Wahlprogramm der Mitte-Rechts-Parteien sieht eine Prüfung der Reaktoren der Vierten Generation durch eine neue italienische Regierung vor.

Salvini verwies zudem auf eine Umfrage, die die liberal-konservative Tageszeitung Il Giornale am Samstag veröffentlicht hatte. Das demoskopische Institut IZI SpA hatte zwischen dem 6. und 8. Oktober über 1.000 Personen zur Rückkehr der Kernenergie gefragt. In Italien herrscht ein traditionell skeptisches Klima gegenüber der Atomkraft: es gibt insbesondere wegen der seismischen Aktivitäten auf der Halbinsel Vorbehalte. Italien produzierte von 1967 bis 1990 Kernenergie in fünf Kraftwerken, die aber aufgrund ihres Alters und eines Referendums 1987 geschlossen wurden. Ein Referendum im Jahr 2011 bekräftigte neuerlich den Atomausstieg.

Umso überraschender war das Ergebnis – für alle Seiten. 49,7 Prozent verhielten sich dem Neubau von AKWs in Italien positiv gegenüber. Nur 32,2 Prozent äußerten sich negativ. Der Rest der Befragten zeigte sich unentschieden. Das ist an italienischen Verhältnissen gemessen nahezu revolutionär. Giacomo Spaini sprach als Vertreter von IZI gegenüber dem Giornale: viele Italiener hielten eine solche Entscheidung aus wirtschaftlichen Erwägungen für notwendig. „Wenn heute in Italien ein neues Referendum über Atomkraft abgehalten würde, glaube ich nicht, dass ein Nein-Sieg garantiert wäre.“

Spitz kommentierte das Giornale: wenn man die Wahl zwischen Atomkraft, Kohleverstromung oder der Blockade eines ganzen Landes wie Deutschland hat, ja dann wäre die Atomkraft vielleicht das kleinste Übel. Beim Abdruck des Artikels wusste man freilich bereits von den gestrigen Ereignissen in Schweden, als man dort den Neubau von Kernreaktoren verkündete und auch Greta Thunberg der Kernenergie im Kampf gegen den Klimawandel ihren Segen gab. Von den aktuellen Ereignissen auf dem Parteitag der Grünen machte man sich indes wohl noch kein Bild. In diesem Sinne: viele Grüße nach Bonn!

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