Angriffe auf die Infrastruktur in Deutschland hat es in der Vergangenheit schon häufiger gegeben. Ziele waren beispielsweise Krankenhäuser – und die offiziellen Ursachen wurden zwecks Nichtbeunruhigung der Bevölkerung mit internen Ursachen angegeben. In Sicherheitskreisen allerdings ist seit langem bekannt: Russlands hybrider Krieg gegen die westliche Infrastruktur ist gezielte Vorbereitung auf einen möglichen, heißen Krieg, während die entsprechenden Attacken Nordkoreas zumeist auf Erpressung westlicher Devisen zielen und sich die Volksrepublik China im Cyberwar bislang auf gezielte Spionage in allen relevanten Industrien konzentriert.
Wirklich im Bewusstsein der woken Bevölkerung angekommen waren diese Gefahren nie – und auch die politisch Verantwortlichen reagierten in ihrem gefühlten Schlaraffenland eher träge. Erst als vor wenigen Tagen am Boden der Ostsee mehrere Explosionen die derzeit ungenutzten Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 zerstörten, wurde die Anfälligkeit europäischer – und damit auch deutscher – Infrastruktur mit lautem Knall ins öffentliche Bewusstsein gerückt.
Gegen Mittag dann hatte die Bahn das Desaster im Griff, die Züge fingen wieder an zu rollen. Es gab erste Erklärungen – und erste Spekulationen. Die Bahn ließ wissen, dass „eine Störung des digitalen Zugfunks GSM-R“ die Ursache gewesen sei. GSM-R steht für „Global System for Mobile Communisations – Rail“ und dient dem Zweck, die Kommunikation zwischen den Leitstellen der Zugsteuerung und den Zügen zu gewährleisten. Kurzum: ohne GSM-R kein Kontakt mehr zwischen der Fahrdienstleistung und den Zugführern – mit im wahrsten Sinne des Wortes unsteuerbaren Risiken für das gesamte, eng getaktete System. Also bleiben alle Züge stehen, damit sie nicht chaotisch ineinander krachen.
Inzwischen hat die Deutsche Bahn mitgeteilt, dass die Ausfälle auf Sabotage an Kabeln zurückzuführen sind. Die zuständigen Sicherheitsbehörden hätten die Ermittlungen aufgenommen.
Analog geerdete Digitaltechnik
Das Problem dieser scheinbar hochmodernen Technik: Sie digitalisiert sich immer noch über Kabel. Und diese liegen offensichtlich recht ungeschützt am Bahndamm oder andernorts. So machten offiziell bislang unbestätigte Meldungen die Runde, wonach diese Kabel an zwei relevanten Stellen einfach durchgeschnitten worden seien. Die Folge: Nichts ging mehr. Also machen sich nun Bahn und Sicherheitskräfte auf die Suche nach den Tätern, die man in einer ersten Reaktion geneigt sein mag, bei jenen in Angriffen auf die Infrastruktur geübten Cyber-Kämpfern in Moskau, Pjöngjang oder Peking zu vermuten.
Insofern kommt nun auch eine andere Tätergruppe infrage, die sich bereits durch das Festkleben auf Straßen und an den Rahmen historischer Meisterwerke sowie das Festketten in Kohleförderanlagen einen Namen gemacht hat. Da zudem diesen Vertretern einer hirnlosen Letzten Generation durchaus in den Sinn kommen kann, den Öl- und Kohletransport zur kriselnden Energieversorgung, der zu einem Gutteil zudem und künftig ergänzt um Flüssiggas über Norddeutschland laufen muss, durch entsprechende Sabotage zu verhindern, ist zu empfehlen, sich mit schnellen Schuldzuweisungen zurückzuhalten.
Unabhängig davon, ob der Staatsschutz nun tatsächlich in alle Richtungen ermittelt – was den Unmut mancher Rebellionsromantiker selbst in Regierungskreisen hervorrufen könnte –, hat die Situation am frühen Samstag einmal mehr die Anfälligkeit der bundesdeutschen Infrastruktur aufgezeigt. Und potenzielle Kriegsgegner wissen spätestens jetzt, dass ein gut geschliffener Seitenschneider völlig ausreicht, um die Deutsche Bahn aus dem Verkehr zu ziehen. Dazu muss man nicht einmal mehr in die Cyber-Tiefen des vernetzten Digitalen eindringen – ein gänzlich traditionell ausgeführter Schnitt an der richtigen Stelle tut’s auch.