Berlin. Der Schriftsteller und Autor Harald Martenstein sieht den offenen politischen Diskurs in Deutschland zunehmend in Gefahr. Die politische Debatte lebe von unterschiedlichen Positionen. „Eine Demokratie, in der es nicht mehr links und rechts gäbe, wäre nicht mehr die Art von Demokratie, an die wir uns im Laufe der Jahrhunderte gewöhnt haben. Insofern ist es ganz in Ordnung, links oder eben rechts zu sein“, schildert Martenstein in einem ausführlichen Interview im Monatsmagazin Tichys Einblick. „Die Gleichsetzung von rechts mit rechtsradikal oder der Versuch, alles Konservative in eine Nazi- oder naziaffine Ecke zu schieben, ist ja nur aus zwei Motiven heraus zu erklären: entweder grenzenlose Bösartigkeit oder völlige Verblödung. Aber ich selbst sehe mich als Liberalen und nicht als Rechten. Was beispielsweise damit zu tun hat, dass der patriotische Muskel bei mir unterentwickelt ist.“
In der deutschen Linken sieht Martenstein einen wachsenden Hang zum Autoritären. Sie habe zwar große Verdienste um die Weiterentwicklung der Gesellschaft. „Sie ist aber, und das ist das Entscheidende, worauf ich hinauswill, autoritär geworden. Viele aus meiner Generation, die als Linke angefangen haben, wollten diesen autoritären Weg nicht mitgehen.“ Inzwischen sieht Martenstein in der Linken Spielarten des Rassismus, wenn sie beispielsweise von der Macht des weißen Mannes spricht oder farbige Menschen generell als Opfer. „Ich beharre darauf, dass es keine Gruppeneigenschaften gibt, über die alle Mitglieder einer bestimmten Gruppe automatisch verfügen. Ich habe mehrfach geschrieben, dass es vollkommen absurd ist, einem weißen, obdachlosen Mann Macht und Privilegien zuzuschreiben, die ein schwarzer Rapper, der Milliardär oder Multimillionär ist, angeblich nicht besäße. Das sind absurde Zuschreibungen.“
Die Linke diskutiere zunehmend „mit vom Rassismus abgeleiteten Kategorien“. Martenstein: „Sie sehen einen Menschen, ordnen ihn in eine bestimmte Kategorie ein und wissen dann, was Sie von dieser Person zu halten haben. Das ist rassistisches Denken, oder nennen Sie’s das Denken in Kasten, in Familien – ja, stimmt, die Mafia denkt auch so. Ich finde, wir sollten uns gegenseitig als Individuen sehen, die verschieden sind und über die sich erst dann irgendwas Verbindliches sagen lässt, wenn wir sie ein wenig kennen.“