Ob Christ oder Hindu, Jude oder Bahai, Scientologe oder Journalist – in einem sind sich alle einig: Diese Woche wird in die Geschichtsbücher eingehen.
Donald Trump hat den großen Stift in die Hand bekommen und die Bücher liegen vor ihm. Was er aber tatsächlich in die Geschichtsbücher schreiben wird, darüber herrscht Uneinigkeit zwischen Konservativen und Traumtänzern.
Die größte aller (bisherigen) Leistungen des Donald Trump ist doch aber offensichtlich, klar wie das Wasser vor Bernie Sanders´ dritter Sommervilla: Trump hat die gläserne Decke durchbrochen. Er hat einen Riss hineingeschlagen, einen Riss, der vielen Menschen weltweit neue Hoffnung gibt.
Wer einfach nur seine Lebensart bewahren wollte, wer seine Familie zu schützen und die Probleme seines Landes realistisch anzugehen erstrebte, und wer darüber auch öffentlich sprechen wagte, der stieß bislang seit Jahren und Jahrzehnten an eine »gläserne Decke«.
Die Familie und sein Land zu schützen, das wollte angeblich nur der Pöbel, die Abgehängten, die Ungebildeten. Die »Elite« predigte Gehorsam, offene Grenzen und Schutzlosigkeit. (Während sie sich selbst hinter Mauern und Bodyguards verschanzte.) Wer einfach nur schützen wollte, was ihm lieb war, wurde »Konservativer«, »Protektionist« oder gleich »Nationalist« geschimpft.
Trump ist finanziell »Elite«. (Das sagt er zumindest. Böse, unwahre Stimmen behaupten, Hillary wollte Präsident werden, um vor ihren E-Mails wegzukommen, und Donald, um der Pleite zu entkommen. Trump wäre es demnach gelungen.) Doch das Wort »Elite« bedeutet in diesem Kontext etwas anderes.
Manche Akteure jener »Elite« sind bettelarme »Freie Mitarbeiter« bei sterbenden Zeitungen. Andere holen um ein Taschengeld für millionenschwere GEZ-Moderatoren den edlen Kaffee. Diese »Elite« dieser Geschichte lebt in ganz verschiedenen Städten. Was sie eint, ist die Überzeugung, sie und nur sie dürften die Welt erklären, hätten das »richtige« Werkzeug dazu. (Das war lange unproblematisch, eher niedlich, bis moderne Politiker wie Obama oder Merkel begannen, auf die weltfremden Forderungen zu hören.)
Die Qualifikation der Elite ist (neben der Tatsache, dass der Freund des Schwagers des Vaters irgendwo Kamerakabelhalter war) die »Haltung«.
Die Oligarchie der Haltung
Wer »Haltung« hat, ist Elite. Wer Haltung hat, der sieht die Dinge meist so, wie alle anderen Haltungshabenden sie sehen. Mit »Haltung« steht man für Grenzenlosigkeit und latente Geringschätzung des eigenen Volks. (Bei Anti-Trump-Demos wurde eine US-Flagge verbrannt. Es tut weh.) Wer Haltung hat, für den ist Familie wenig mehr als ein Mittel zur Haltungs-Erziehung der Kleinsten. (Besser aber, der Staat übernimmt das, »Hoheit über den Kinderbetten« nennen sie das.) Staatsnahe Sendeanstalten kleben in deutschen Städten große Plakate und preisen die »Haltung«. Die Schauspieler, die Haltung verkünden, werden reich, sie werden geehrt und erhoben. Bürger, du bist nichts ohne Haltung, ohne Haltung darf nichts sein.
Die Oligarchie der Haltung hat eine gläserne Decke eingezogen. Sicher, Sie dürfen kritisieren, dürfen die Haltung hinterfragen. Dann aber ist bald Ihre Arbeitsstelle bedroht und Sie ein Ausgestoßener. Und, vor allem, wenn Ihre haltungslose Meinung überhaupt mal über die gläserne Decke hinaus lugen darf, dann in Form eines Tribunals. Vier geübte Talkshow-Gäste brüllen vor der wurstessenden Fernsehnation auf Sie ein. Wehret den Anfängen, denken die (gelegentlich weiblichen) Herren der Glasdecke.
Donald J. Trump hat am 8. November 2016 einen Riss in diese verfluchte Glasdecke geschlagen. Egal, was noch kommen wird – und es ist eine nervös machende Wundertüte – dieser Riss ist sein Verdienst.
Die Wächter der Glasdecke sind panisch. Die Reaktion mancher deutscher Leitmedien scheint behandlungsbedürftig. Kai Diekmann formulierte: »Meine Güte! Wird das jetzt der mediale Überbietungswettbewerb: Wer schreit am lautesten „Weltuntergang“?!« Wie verrückt die Zeiten sind? Der BILD-Papa ist der besonnene Mahner.
Die gläserne Decke, welche Vernunft, Selbstschutz und unangenehme Wahrheit aus dem Meinungs-Mainstream heraushielt, sie hat endlich einen Riss. Man darf und kann (ein klein wenig lauter nun) von Selbstbewahrung reden.
Die Wächter der Haltung kreischen und laufen umher und wollen die Scherben ihrer Autorität aufsammeln, wie ein verzweifelter Betrunkener, dem man das Bier aus der Hand schlug, der nun die Scherben seiner Flasche neu zusammensetzen will. Was hofft er?
Trump wird kein »einfacher« Präsident werden. Er war impulsiv und er war bereit, Menschen auf dem Weg zur Macht vor den Kopf zu stoßen. (Aber er blieb weitgehend »sauber« dabei. Keine gelöschten E-Mails, von denen man weiß.) Es wäre mir lieber gewesen, wenn der neue US-Präsident ein erfahrener, tadelloser, abgerundeter und umsichtiger Mensch wäre, wie sonst nur ich es bin. Ist es aber nicht. Es ist Donald J. Trump.
Es gilt nun, die neuen Risse offen zu halten und weitere Risse zu schlagen. Licht dringt hinein. Leonard Cohen sang: »There is a crack in everything, that’s how the light get’s in.« Haltung will das Licht wieder aussperren. »Haltung« ist pseudomoralisch begründetes Wegschauen. »Haltung« ist verordnetes Nichtdenken. So wenig, wie die Wahl Obamas den Rassismus überwunden hat, so wenig ist die Glasdecke der »Haltung« mit Trumps Sieg endgültig zertrümmert.
Sie werden bald wieder versuchen, uns einzuschüchtern, dieses oder jenes dürfe nicht angesprochen werden. Sie werden uns einreden wollen, dass Dinge, die wir mit eigenen Augen sehen, unwahr sind. 21-jährige Journalistinnen mit abgebrochenem Studium der Sozialwissenschaft werden 50-jährigen Doktoren verbal ins Gesicht spucken, sie seien doch nur frustrierte, weiße Männer, ungebildet und qua Hautfarbe und Geschlecht schon rassistisch.
Die Glasdecke »Haltung« hat nur einen Riss bekommen, sie ist noch immer da, kalt und dumm und mächtig. Es braucht mehr Risse, und wir müssen sie selbst hineinschlagen. Die Arbeit ist gute Arbeit. Jeder neue Riss in der Glasdecke ist wiedergewonnene Freiheit.