Tichys Einblick
Tichys Lieblingsbuch der Woche

Was wäre, wenn die Welt absaufen, aber nicht untergehen würde?

In einer genialen Mischung aus Science-Fiction und Abenteuerroman verbindet »Welt unter« technologische Alpträume und archaische Mythen zu großem Kopfkino. Dem Leser sei geraten: Verkeilen Sie sich in Ihrem Lesesessel gegen diese heranrollende Sturmflut der Fantasie!

Was wäre, wenn im Klimawandel vielleicht die große Chance der Menschheit läge und nicht ihr Untergang? Wenn der Planet nicht einfach verglüht, wie die hüpfenden Kinder und Pseudowissenschaftler aus Potsdam jeden Tag predigen? Wenn es einfach weitergeht, allerdings anders? Ausgehend von dieser Arbeitshypothese spielt Thor Kunkel gekonnt auf der Klaviatur des großen epischen Erzählers, nutzt virtuos die Möglichkeiten der Genres Science-Fiction, Mythologie und Abenteuerroman und entwirft mit »Welt unter« ein ebenso kühn gedachtes wie einleuchtendes Überlebensszenario.

Als die Naturaktivistin Freya Velden auf Grönland eintrifft, ahnt sie nicht, dass sie dort inmitten von Inuitsiedlungen die Entstehung einer neuen Welt miterleben wird. Denn während Europa und weite Teile Asien allmählich in Wassermassen versinken und ein kurzer atomarer Schlagabtausch zwischen Russland und den USA das Ende unserer alten Welt ahnen lässt, entsteht auf Grönland die Keimzelle einer neuen Menschheit. Menschen, die – mit Kiemen geboren – in der Lage sind, unter Wasser zu atmen.

Über das Unaussprechbare unserer Zeit
Wenn Gutmenschen mit der Wirklichkeit kollidieren
Auch der Hydrotechniker Frodo zählt zu den ersten Mutanten, seine Kiemen wurden allerdings chirurgisch entfernt. Auf der Bohrinsel Devon III, mitten im grönländischen Scorebysund, trifft er zum ersten Mal auf seinesgleichen …

Es gelingt Thor Kunkel, Hoffnung aus den geschilderten Katastrophen zu entwickeln und durch seine gekonnte Erzählweise, mit der er immer wieder parallele Begebenheiten aus der ertrinkenden alten Welt in die Handlung einflicht, die Spannung bis zum Schluss zu steigern.

Nun ja, vielleicht wollen wir ja nicht alle zu Amphibienmenschen werden. Wobei es nicht nur um Kiemen und Flossen geht, sondern auch um ganz andere Verhaltensweisen. Kunkel ist bitter-ironisch. Die Hauptsache aber: das ist spannend erzählt, die Orte sind plastisch geschildert, die Verfolgungsjagden furios, die Liebe grenzenlos.

Und am Ende ist es ein hoffnungsvolles Buch. Lass ihn kommen, den Klimawandel. Wir sind schon mit ganz anderen Herausforderungen fertig geworden. Und immer anders, als tumbe Wissenschaftler dachten, die einfach ihre Kurven verlängern und nicht mit der Raffinesse von Mensch und Natur rechnen. Die Wirklichkeit verändert sich sprunghaft.

Thor Kunkel, Welt unter. Roman. Golkonda, Klappenbroschur, 528 Seiten, 20,00 €.


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