Nach der Brexit-Entscheidung Großbritanniens vom 23.06.2016 ist die Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der USA das zweite große politische Erdbeben, das die westliche Welt innerhalb von Monaten erlebt. Man kann den Brexit als Vorbeben zur Wahl Trumps lesen. Beide Erschütterungen ereigneten sich im anglo-amerikanischen Raum. Aber die Schockwellen dürften früher oder später auch Europa erreichen.
Trump hat gezeigt, dass man sich einer herrschenden politischen Klasse entledigen kann, wenn man ihrer müde ist. Man kann daher die Bedeutung dessen, was sich auf der anderen Seite des Atlantiks abgespielt hat, nicht hoch genug einschätzen. Ein Mann, der alle politischen Regeln wie ein Berserker über den Haufen wirft, gegen alle Gesetzmäßigkeiten verstößt, gewinnt klar. Sich derart gegen unüberwindbare Widerstände zu behaupten, verdient Respekt. Der Präsident, die demokratische Partei, die Clinton-Maschine, das Establishment der Republikaner, die Vereinten Nationen, die Massenmedien, die „Völkergemeinschaft“, alle waren gegen Trump. Die Mehrheit der Amerikaner hat das nicht gekümmert. Sie haben Mut. Sie gehen ein Risiko ein. Mit einem Außenseiter, dessen Unberechenbarkeit und Unkalkulierbarkeit (hoffentlich) auch Chancen bietet. Versagt Trump, haben es alle gewusst. Die Erwartungshaltungen könnten nicht niedriger sein. Erzielt er hier oder da Erfolge, überrascht er positiv. Eine erste solche Überraschung dürfte ihm mit der „acceptance speech“ bereits gelungen sein. Bescheiden, demütig, auf die politischen Gegner zugehend, Hillary Clinton Respekt bezeugend, präsidial. Ob davon im politischen Alltag etwas übrig bleibt, werden wir sehen. Hillary Clinton jedenfalls hat die unausgesprochene Regel, als Verlierer zuerst mit einer „concession speech“ vor die Öffentlichkeit zu treten und dem Gewinner zu gratulieren, bereits verletzt.
Ich selber habe mich mit massiver Kritik an Trump („Mussolinis Enkel“, „Pathologischer Narzisst“), die ich nicht korrigieren will, nicht zurückgehalten. Aber jetzt ist eine Zäsur erfolgt und Trump wird an dem zu messen sein, was er politisch zustande bringt. Oder was nicht!
Dies ist nicht der Moment für anmaßende und vergiftete Gratulationen, wie sie gerade von Frau Merkel erfolgten (die Trump „indirekt zur Einhaltung demokratischer Grundwerte aufgerufen“ hat). Oder für lächerliche Vorschläge wie von Außenminister Steinmeier, der ein Sondertreffen der EU-Außenminister in Brüssel vorschlägt, als bedürfe es einer europäischen Einheitsfront gegen einen neuen Gefährder. Und erst recht nicht für niveaulose Entgleisungen wie die von Vize-Kanzler Gabriel, der den „Trump für Arme“ gibt und den neugewählten Präsidenten und dessen übelste Ausraster leicht unterbietet, wenn er ihn nach dessen Wahl mit dem quasi-faschistoiden Erdogan oder Wladimir Putin auf eine Stufe stellte. Und Kritik lasse Trump nicht zu: „Und wer das Maul nicht hält, wird öffentlich niedergemacht“, sagte Gabriel weiter. Die dümmlichen tweets von Heiko Maas lasse ich unerwähnt.
Bei diesem Politpersonal mit fragwürdigem Demokratieverständnis wünscht man sich auch für Deutschland jemanden, der die selbstherrliche politische Klasse daran erinnert, wer das Sagen hat. Der Wähler nämlich, dessen Votum zu respektieren den Etablierten offenbar zunehmend schwer fällt (Orban, Brexit, Trump).
Mit Mehrheiten im Senat und Repräsentantenhaus kann Trump „durchregieren“. Was man in den ersten 100 Tagen erwarten kann, sind Schritte zur massiven Reform des völlig gescheiterten affordable care acts (Obamacare), dessen Prämien bei schwindenden Leistungen explodieren. Die Nominierung eines Richters für die vakante Stelle im Supreme Court, Schritte zur Grenzsicherung (die auch Deutschland gut zu Gesicht stünden) und eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Hier wird der Kelch mit Sicherheit nicht an Europa vorbeigehen. Völlig zurecht will Trump der Subventionierung der Verteidigung der Europäer durch die Amerikaner ein Ende machen. Erste Schritte in der Steuerpolitik und dem versprochenen Abbau des teilweise grotesken Regulierungswahns könnten ebenfalls in die richtige Richtung gehen.
Skepsis ist hinsichtlich der Außenpolitik Trumps geboten. Ganz entscheidend wird es sein, wen Trump zum Außenminister macht. John Bolton, früherer UN-Botschafter der USA, wäre eine großartige Wahl und ein perfektes Gegengewicht zu den scheinbar eher isolationistischen Tendenzen des zukünftigen Amtsinhabers. Russland, China, der Iran. Irgendjemand wird in den nächsten Monaten testen, wie die neue Administration auf massive Provokationen reagiert. Es wäre in kluges frühes Signal, wenn Trump, wie angekündigt, den grotesken Atom-Deal mit dem Iran aufkündigt.
Der US-Präsident hat zwar erhebliche Macht. Die politische Wirklichkeit, die Kontrolle durch den Kongress und gegebenenfalls den Supreme Court und sicherlich auch seine Berater (Vize-Präsident Pence ist ein kluger, erfahrener Mann) werden ihn aber bremsen, wenn er zu den Unbeherrschtheiten des Wahlkampfs zurückzukehren droht.
Eine Zeitenwende hat sich ereignet. Aber den Untergang der Welt, den unsere europäischen „Eliten“ aus Politik und Medien jetzt wochenlang wehklagend prognostizieren werden, wird es nicht geben.
Good Luck, Donald! Bitte überrasche uns alle!!!
Zuerst hier erschienen.