Die Unzufriedenheit der Deutschen wächst rasant. In den neuen Ländern waren im Sommer 2022 nur noch 31 Prozent der Menschen alles in allem zufrieden, heißt es im neuen Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit laut einem Pressebericht. Das sind neun Prozent weniger als 2020. In den westlichen Ländern habe die Zufriedenheit bei 44 Prozent gelegen, zehn Punkte weniger als zwei Jahre zuvor. Angesichts einer Inflation von über acht Prozent und der Aussicht, dass sie bald auf über 10 Prozent steigt. Immer mehr Deutsche spüren, wie es mit ihrem Land bergab geht.
Stattdessen erschallt von allen Seiten der Ruf nach der Aufhebung der Schuldenbremse. Es ist, als ob die Feuerwehr nach mehr Öl rufe, um einen Brand in Schach zu halten. Aus der SPD – zuletzt etwa vom thüringischen Innenminister Georg Maier – kommt die Forderung ganz unverblümt, von Unionsministerpräsidenten kommt sie scheinbar konditioniert. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst fragt laut, „ob wir 2023 ohne neue Schulden auskommen“, und Bayerns Markus Söder polemisiert gegen „Prinzipienreiterei“. Doch das strenge Einhalten von Prinzipien der Geldwertstabilität ist nun einmal das einzige Mittel, Inflation zu verhindern.
Besonders rhetorisch geschickt ruft der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck nach noch viel mehr Schulden. Er tut das mithilfe des wohl verlogensten Politikbegriffs der Gegenwart: Ein „Sondervermögen“ gegen die Energiekrise sei notwendig. Er spielt auf das „Sondervermögen“ von rund 100 Milliarden Euro neuen Schulden für die Bundeswehr an und sagt: „Jetzt müssen wir die ökonomische Substanz unseres Landes verteidigen.“ Ein abwegiger Vergleich, der entweder offenbart, dass Habeck nicht versteht, was Wirtschaft überhaupt ist, oder aber verwirren soll, was wahrscheinlicher ist.
Das sagte Habeck am Donnerstag auf einem Kongress des Bundesverbands der deutschen Industrie. Er glaubte sich dort vermutlich umgeben von Managern, die weniger langfristig an die Zukunft der deutschen Volkswirtschaft und den sozialen Zusammenhalt denken, als vielmehr kurzfristig neue Sicherungspakete und Staatshilfen für ihr unter Energiemangel leidendes Unternehmen erhoffen.
Dafür, dass diese Schuldverschreibungen ihre Abnehmer, also Gläubiger finden, wird erfahrungsgemäß im Zweifelsfall die EZB mit geldmengentreibenden Aufkaufprogrammen sorgen, so wie sie es für die bereits superverschuldeten Eurozonenländer tat und weiter tut. Zugleich steigt für die EZB damit auch aus Deutschland der Druck, die Zinsen nicht so stark anzuheben, wie es zur Inflationseindämmung eigentlich nötig wäre.
In der Wirkung ist ein weiteres „Sondervermögen“ also allenfalls sehr kurzfristig zur „Verteidigung“ der deutschen Unternehmen geeignet. Mittelfristig verstärken steigende Staatsschulden immer die Inflation, also genau das, was die Wirtschaft und den sozialen Frieden zerstört und für die Unzufriedenheit der Deutschen sorgt. Wer jetzt mit neuen Superschulden auf die Inflation reagiert, schafft damit zusätzlichen Treibstoff für den Teufelskreis, den die Verschuldungspolitik der letzten Jahrzehnte angeworfen hat.