Tichys Einblick
Kernkraft statt Kohle

Weichenstellung in den USA für massiven Ausbau der Kernenergie

In den USA könnten Kernkraftwerke an Kohlekraftwerksstandorten errichtet werden. Laut einer Studie des US-Energieministeriums sind 80 Prozent der Kohlekraftwerke dafür geeignet. So könnte die vorhandene Infrastruktur genutzt werden und es ginge kein zusätzliches Land verloren. Von Wolfgang Kempkens

Salt River Navajo Generating Station, Kohlekraftwerk in Arizona, USA

IMAGO / imagebroker

Im US-Energieministerium (DOE, Department of Energy) werden anscheinend die Weichen für einen massiven Ausbau der Kernenergie gestellt. An Kohlekraftwerksstandorten im Land könnten Kernkraftwerke (KKW) errichtet werden. Das würde den USA helfen, bis zum Jahr 2050 die Emissionen an Kohlenstoffdioxid (CO2) auf Null zu drücken, heißt es in einer DOE-Studie. In den USA gibt es 157 stillgelegte und 237 in Betrieb befindliche Kohlekraftwerke. Davon seien 80 Prozent geeignet für fortgeschrittene KKW, die oft deutlich kleiner sind als die, die heute weltweit in Betrieb sind.

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Die Studie, die Forscher am Argonne National Laboratory in Lemont/Illinois, am Idaho National Laboratory in Idaho Falls, dem führenden US-Labor für die Kernforschung, und am Oak Ridge National Laboratory im Bundesstaat Tennessee im Auftrag des DOE angefertigt haben, ermittelte an 125 Standorten ein Zubaupotenzial an KKW von 64,8 Gigawatt. Zum Vergleich: Die beiden leistungsstärksten Kraftwerksblöcke in den USA, Palo Verde 1 und 2, kommen auf jeweils 1,314 Gigawatt. An weiteren 125 Standorten könnten 198,5 Gigawatt installiert werden.

Die Nutzung von Kohlekraftwerksstandorten würde die Baukosten um 15 bis 35 Prozent senken, weil vorhandene Infrastruktur genutzt werden könnte, also Umspannanlagen, Kühltürme und die Hochspannungsleitungen, die den Kohlestrom im Land verteilt hatten, sowie die vorhandenen Straßen und Verwaltungsgebäude. Zudem ginge kein zusätzliches Land verloren. Pro Standort könne die Wirtschaftsleistung um 275 Millionen Dollar pro Jahr steigen. Zudem würden 650 Arbeitsplätze dauerhaft geschaffen beziehungsweise gesichert.

Darüber hinaus ergab die Studie, dass die Emissionen in einer (hypothetischen) Region um 86 Prozent sinken könnten, wenn Kernkraftwerke große Kohlekraftwerke ersetzen, was der Stilllegung von mehr als 500.000 Autos mit Verbrennungsmotor entspreche.

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Die USA gehören zu den weltweit größten Umweltsündern. Kürzlich enthüllte ein Bericht mit dem Titel „United in Science“, den die Weltorganisation für Meteorologie koordiniert hat, dass die USA Emissionen bis zu 2030 siebenmal stärker reduzieren müssten als bisher vorgesehen, um das Ziel des Pariser Abkommens zu stützen, das eine maximale Erderwärmung um 1,5 Grad Celsius vorsieht. Derzeit sehen die Pläne in den USA anders aus. Die Stromkonzerne wollen Kohlekraftwerke im großen Stil durch Erdgaskraftwerke ersetzen. Die US Energy Information Administration spricht von 14,5 Gigawatt für das Jahr 2022.

Kalifornien will das Netto-Null-Ziel bereits 2045 erreichen. Dazu wird der reichste US-Bundesstaat in den nächsten fünf Jahren insgesamt 54 Milliarden US-Dollar für Klimaprogramme ausgeben. Gefördert werden Elektrofahrzeuge und öffentliche Verkehrsmittel, Programme, die Waldbrände verhindern sowie Verbesserungen des Stromnetzes.

Auch die Kernenergie soll gepflegt werden, wenn auch nicht übermäßig. Kalifornien gewährt dem Stromversorger Pacific Gas & Electric ein Darlehen in Höhe von 1,4 Milliarden US-Dollar, damit er die beiden Blöcke des Kernkraftwerks Diablo Canyon, die eine Leistung von zusammen 2,3 Gigawatt haben und 1984/85 in Betrieb gingen, ertüchtigt, sodass sie bis zum Jahr 2030 durchhalten und nicht wie bisher geplant 2025 abgeschaltet werden müssen. Fast drei Viertel der Anwohner, die in der Nähe des Kernkraftwerks leben, unterstützen den weiteren Betrieb der Anlage. Das zeigte eine Umfrage der Lobbygruppe Carbon Free California, die alles akzeptiert, was keine Emissionen vor Ort verursacht.

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