Die Popularität des Wirtschaftsministers sackt dramatisch ab. Also starteten Parteifreunde eine Lob-Welle im Netz. Mit der gibt es allerdings zwei Probleme: Erstens operiert sie mit falschen Behauptungen. Und zweitens funktioniert die Kampagne etwas zu durchsichtig.
Als im Juli die öffentliche Stimmung deutlich zugunsten des Weiterbetriebs der drei verbliebenen Atomkraftwerke kippte, gab die Parteizentrale der Grünen die Kommunikations-Order aus: Jeder Mandatsträger und jeder Funktionär sollte in Bezug auf die Atomkraft-Verlängerung bei jeder öffentlichen Äußerung erklären, es handle sich um eine „Scheindebatte“. So verfuhren dann auch die grünen Spitzenvertreter – ob Parteichefin Ricarda Lang, Wirtschaftsminister Robert Habeck oder die in den Medien besonders rührige Katrin Göring-Eckardt. Jeder erklärte mindestens einmal die Frage der Kernkraftwerke und damit der Strom-Versorgungssicherheit zur „Scheindebatte“, manche auch gleich mehrfach. Göring-Eckardt beklagte außerdem, diese Debatte gebe es nur, „um den Grünen eins reinzuwürgen“.
Anfang dieser Woche war es offenbar wieder soweit: Der grüne Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck musste bei Insa einen Absturz im Popularitätsranking von Platz eins auf Platz sechs hinnehmen, nachdem er bei „Maischberger“ Handwerkern empfohlen hatte, wegen der hohen Energiekosten die Produktion einfach einzustellen. In mehreren Umfragen sackten die Grünen außerdem bundesweit wieder unter die Marke von 20 Prozent. Mit seiner Aussage, bei gutem, also mildem Wetter werde Deutschland wahrscheinlich auch gut durch den Winter kommen, musste Habeck in dieser Woche außerdem seine alte Versicherung einkassieren, die Wärme- und Stromversorgung sei auf jeden Fall gesichert.
Dazu kommt noch ein neues akutes Problem: Seine Gasumlage hält vermutlich einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Das fördert nicht gerade die Stellung des grünen Spitzenpolitikers – obwohl sich schon das öffentlich-rechtliche Fernsehen vor einigen Tagen alle Mühe gab, den Minister zum übergroßen „Macher“, Anpacker und Krisenlöser zu erklären.
Also gab es wieder einmal eine dringende Kommunikationsempfehlung: Alle Grünen-Politiker und ihre Verbündeten sollten bitte auf Twitter und allen anderen verfügbaren Kanälen Robert Habeck loben und betonen, was er gerade Großartiges leiste. Angeboten wurde dazu eine Grafik zum Füllstand der Gasspeicher von 90 Prozent, zum Rückgang des Anteils russischer Gaslieferungen und zum Rückgang des Gasverbrauchs in Deutschland. Alles, so der Tenor, sei das Verdienst des unermüdlich arbeitenden Bundeswirtschaftsministers.
So schickten Politiker der Grünen und Verbündete am Montag und Dienstag vor allem auf Twitter fast gleichlautende Habeck-Lob-Textbausteine in die Öffentlichkeit.
Allerdings: Mit der Wirklichkeit haben die Zuschreibungen praktisch nichts zu tun. Nur etwa 25 Prozent des gesamten deutschen Gasbedarfs lassen sich speichern. Auch ein Füllstand von 100 Prozent wäre abhängig von der Wetterlage nach zweieinhalb bis drei Monaten aufgebraucht, wenn Deutschland nur aus den Speichern heraus versorgt werden müsste. Dass die Speicher jetzt einen Füllstand von 90 Prozent anzeigen, sagt also nichts über die Versorgungssicherheit im Winter. Die hängt von der stetigen Lieferung neuer Gasmengen via Pipeline oder Flüssiggastanker ab – wobei die Anlandung von Flüssiggas sich kompliziert gestaltet, da Deutschland über keinen eigenen Flüssiggas-Terminal verfügt und frühestens Anfang 2023 die erste Anlage betreiben kann.
Mit der Füllung der Gasspeicher haben Robert Habeck und sein Ministerium außerdem so gut wie nichts zu tun. Das Gas dafür kauft im Wesentlichen die Trading Hub Europe GmbH, ein Zusammenschluss von Gasnetz-Betreibern, der 2021 gegründet wurde. Seit 2022 übernimmt der Trading Hub Europe zusätzlich die Aufgabe, die Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten. Die Gaseinkäufe, die nötig sind, um die bisherigen russischen Lieferungen zu ersetzen – im Jahr 2021 gut 55 Milliarden Kubikmeter – treiben die Preise entsprechend nach oben. Andere Lieferanten füllen die Lücke, etwa Algerien, das jetzt mehr Gas nach Deutschland liefert als Russland zu früheren Zeiten.
Allerdings eben zu heftigen Preisen. Auch, dass der Anteil russischen Gases am deutschen Markt offiziell auf acht Prozent gesunken ist, liegt nicht an Habeck – sondern an Wladimir Putin, der die Gaslieferungen durch Nord Stream 1 erst drosselte und schließlich ganz beendete.
Der Rückgang des Gasverbrauchs im Vergleich zum Vorjahr von gut 30 Prozent ist ausschließlich auf den Preiseffekt zurückzuführen, der bewirkt, dass viele Unternehmen mit hohem Gasbedarf wie Dünger- und Stickstoff-Hersteller ihre Produktion entweder drosselten oder ganz einstellten.
Erkauft wird der Rückgang im Gasverbrauch also durch einen Einbruch der Wirtschaft. Die Sparappelle Habecks samt der Empfehlung, nur noch ganz kurz zu waschen, sein eigenes Vorbild – „ich habe noch nie im Leben länger als fünf Minuten geduscht“ – sie dürften kaum einen messbaren Anteil an der Reduktion des Verbrauchs haben.
„Was hat wohl den Rückgang bewirkt?“, fragt der Ökonom und Energie-Experte Lion Hirth und spottet: „Politische Einsparziele? Sonntagsreden? Nicht vorhandene Rationierung?“ Und gibt die Antwort: Das Einzige, was den Verbrauch drückt, ist der extrem stark gestiegene Preis.
Die konzertierte Unser-Robert-braucht-Sonne-Aktion der Grünen brachte der Partei im Netz vor allem eins: Spott. Die Parodie-Plattform QuarkDDR widmete der Vorstellung eines rastlos verbrauchsdrückenden und speicherfüllenden Ministers eine eigene Social-Media-Kachel.
Andere kommentierten etwas trockener:
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