Mit scharfen Worten gegen Russland und seinen Machthaber Putin hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz bei seinem ersten Auftritt vor der UN-Generalversammlung nicht zurückgehalten. Vor weitgehend leeren Sitzreihen unterließ er zwar persönliche Titulierungen Putins etwa als Kriegsverbrecher, sprach aber von „blankem Imperialismus“. Zumindest in Worten leistete der deutsche Kanzler dem Kreml-Machthaber Widerstand: „Putin wird seinen Krieg und seine imperialen Ambitionen nur aufgeben, wenn er erkennt: Er kann diesen Krieg nicht gewinnen.“ Die Weltgemeinschaft werde keinen Diktatfrieden gegen die Ukraine akzeptieren, ebenso wenig die angekündigten Scheinreferenden in den russisch besetzten Gebieten.
Solche markigen Worte stehen aber in scharfem Kontrast zu den wenigen Taten, nämlich den zögerlichen und in Umfang und Art geringen militärischen Unterstützungsleistungen Deutschlands für die angegriffene Ukraine. Noch immer steht der Kanzler hierbei auf der Bremse, obwohl er in New York weitere internationale Hilfe für die Ukraine ankündigte: „finanziell, wirtschaftlich, humanitär und auch mit Waffen“. Waffen stehen nicht nur in dieser Reihenfolge offensichtlich an letzter Stelle, obwohl sie für die angegriffene Ukraine akut am notwendigsten sind – gerade jetzt angesichts der heute bekanntgegebenen russischen Teilmobilmachung. Deutschland liefert keine von der Ukraine gewünschten Leopard-Panzer, sondern ganze vier (4!) zusätzliche Haubitzen, zwei Raketenwerfer Mars und einige leicht gepanzerte Dingo-Radfahrzeuge. Scholz selbst ist innerhalb der Bundesregierung derjenige, der immer wieder verzögert, Bitten aus Kiew ignoriert, sich mit angeblichen Nato-Absprachen (die die USA dementieren) herausredet.
Scholz hat sich dann indirekt selbst angesprochen in dem allgemeineren Teil seiner New Yorker Rede, als er von der Charta der Vereinten Nationen als einer „Absage an eine regellose Welt sprach“ und den mangelnden Willen beklagte, diese Regeln „einzuhalten und durchzusetzen“.
Es dürfe nicht sein, dass „die Regeln von denen gemacht werden, die sie uns dank ihrer militärischen, ökonomischen oder politischen Macht diktieren können“. Aber natürlich konnten auch die Regeln der Vereinten Nationen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nur eingeführt werden, weil die Siegermächte sie mit ihrer gerade bewiesenen militärischen, ökonomischen und politischen Macht gegen das besiegte Hitler-Deutschland und die anderen Achsenstaaten durchgesetzt hatten.
So war Scholz’ Rede allen markigen Worten gegen Russland zum Trotz letztlich auch eine indirekte Absage an die Realpolitik. Wünsche und Worte rangieren für den Bundeskanzler auch nach seiner Verkündung der „Zeitenwende“ vor sicherheitspolitischen Taten.