Die Einladungen in Talkshows sind ein Politikum. Der Aufstieg der AfD hing auch damit zusammen, dass die Vertreter der Partei es verstanden, in den Sendungen die Unzufriedenen zu bedienen. In diesem Jahr haben ARD und ZDF faktisch einen Bann über die zweitgrößte Oppositionspartei ausgesprochen – und ihre Vertreter gar nicht mehr eingeladen. Anders als die der Linken, die nur noch wegen Direktmandaten im Bundestag sitzt, die sie der zweifelhaft verlaufenen Wahl in der Stadt Berlin verdankt.
In diesen Runden sitzt bei Maischberger immer eine grün-rote Quotenjournalistin. Immer in der Mitte, eingerahmt von den beiden anderen Gästen. Die sagt dieses Mal, sie habe das Gefühl, Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) habe sich in der Frage der Waffenlieferungen Kanzler Olaf Scholz (SPD) gebeugt und akzeptiere, dass Deutschland keine Kampfpanzer in die Ukraine schickt. Kalkofe sagt zur Ukraine-Frage: „Von meinem Gefühl her sage ich, dass man helfen muss.“ Es ist tröstlich, wenn es in Zeiten von Not und Krieg noch Raum für Gefühle gibt. Danach folgt ein Block, in der (wieder einmal) Wolfgang Ischinger die Lage in Russland einschätzen darf. Als langjähriger Chef der Münchener Sicherheitskonferenz galt er auch als Berater der Bundesregierung. Zehn Jahre danebengelegen zu haben als Referenz dafür, weiter den Fachmann zu geben.
Dann kommt Alice Weidel. Es ist 23.40 Uhr. Für manchen typischen ARD-Zuschauer liegt das Aufstehen da zeitlich näher als das Schlafengehen. Die AfD ist zurück in den Talkshows und bleibt es bis kurz nach der Geisterstunde. Die ARD und Maischberger brauchen sie. Für die Dramaturgie. Die öffentlich-rechtlichen Sender können scheinbar immer nur ein Thema gleichzeitig. Über mehr als zwei Jahre war das Corona, dann für einige Monate der Ukraine-Krieg und danach, für ein kurzes Zeitfenster, die Energiekrise, die Privatleute und Unternehmen gleichermaßen in die Pleite zu ziehen droht.
Also muss Alice Weidel her. Eine der wenigen Politiker, die es schaffen, die Verteidigungsexpertin der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, gut aussehen zu lassen. Allerdings gehört Strack-Zimmermann genauso zu den wenigen Politikern, die Weidel gut aussehen lassen. Das hört sich nach einer gruseligen Debatte an? Das ist eine gruselige Debatte. Obwohl sich Maischberger wirklich redlich bemüht, zu verhindern, dass die beiden Politikerinnen sich einfach nur gegenseitig permanent ins Wort fallen, bleibt der Erkenntnisgewinn aus diesem Gespräch überschaubar.
Was sich jedoch zeigt: Die AfD und Weidel leben davon, wenn sie auf die Fehler der Regierung hinweisen können. Material ist genug da. Schlecht wird Weidel, wenn sie eine eigene Politik skizzieren muss. Maischberger führt die AfD-Chefin zu diesem Punkt mit hartnäckigen Nachfragen, die sie gerne auch bei anderen Gästen zeigen könnte. Selbst in dieser Ausgabe. Strack-Zimmermann verteidigt das deutsche Engagement für die Ukraine und gegen Russland damit, dass es eine Frage der gemeinsamen Werte sei. Die Frage, was denn mit den gemeinsamen Werten zum christlichen Armenien ist, das gerade vom deutschen Gaslieferanten Aserbaidschan angegriffen wird … Diese Frage erspart Maischberger Strack-Zimmermann.
Was denn nach Meinung der AfD Kanzler Scholz tun solle, will Maischberger wissen. Er soll Friedensverhandlungen herbeiführen, antwortet Weidel. Nur: Wie soll das gehen? Von Berlin aus? Da hakt Maischberger erfreulich intensiv nach und da scheint Weidel blank zu sein. Letztlich ist es Strack-Zimmermann, die der AfD-Chefin hilft. Weil sie das Wasser nicht halten kann. Weil sie immer wieder dazwischenredet, wie ein störrisches Kind – während Maischberger eigentlich gerade dabei ist, Weidel gekonnt vorzuführen.
Krieg in der Ukraine statt wirtschaftlicher Not zu Hause – die eigentlich spannende Frage lautet, ob ARD und ZDF das zum Kernthema der nächsten Wochen machen? Ob ihnen da nicht die Zuschauer weglaufen? Zumindest Strack-Zimmermann glaubt an das Interesse: „Die Menschen haben in diesem Land ein sehr, sehr gutes Gefühl dafür, was gerade passiert.“ Es ist schön, wenn es in Zeiten der Not und des Krieges noch Raum für Gefühle gibt.