Die Einnahmen einer Partei speisen sich in Deutschland aus drei Quellen: Spenden, Mitgliederbeiträge und die staatliche Parteienfinanzierung. Das Verhältnis ist unterschiedlich. So ist zum Beispiel die Linke stärker auf die Mitgliedsbeiträge angewiesen als die FDP, die wegen ihrer Nähe zur Wirtschaft aus dieser eher Großspenden erhält. So bekam sie im Dezember 120.000 Euro vom Verband der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die Grünen und die SPD erhielten zur gleichen Zeit nur 50.000 Euro von diesem Verband. Die „Luton Verwaltungs GmbH“ gab im Oktober 250.000 Euro, Sixt 50.000 Euro und die „Themis Beteiligungs AG“ 100.000 Euro. Von Carsten Maschmeyer gingen 200.000 Euro an die FDP.
Der Oktober 2021 war ein lukrativer Monat für die FDP. Das Spendenregister des Bundestags weist alleine in diesem Monat Großspenden von über 900.000 Euro für diese Partei aus. Der Zusammenhang liegt auf der Hand: Als Regierungspartei in spe war die FDP mit einem Schlag wieder interessant geworden. Das war nach Christian Lindners berühmtem „Besser nicht regieren …“ anders gewesen. Die Basis-Mitglieder anderer Parteien mögen sich aus Idealismus engagieren, die Anhänger der FDP wünschen sich durch ihre Partei Einfluss aufs Geschehen – das sagen sie mitunter sogar relativ offen. Etwa auf Mitgliederversammlungen auf Kreisebene.
Der Immobilien-Deal der FDP wirkt daher überraschend. Die Partei ist eigentlich notorisch klamm. Ihre Bundestagsfraktion sorgte für Schlagzeilen, denen zufolge sie über Jahre mehrere Millionen Euro Schulden bei einem Rentenversicherer gemacht hat. Sie hatte Rücklagen aufgebraucht und als durch den Rauswurf aus dem Bundestag das Geld fehlte, konnte sie ihre Schulden nicht mehr begleichen. Der Immobilien-Deal nun hat es finanziell in sich: Bisher gehörte der Partei knapp die Hälfte der Grundstücksgesellschaft „Reinhardtstraßenhöfe GmbH & Co KG“. Ebenfalls knapp die Hälfte davon gehörte der Familie von Manteuffel.
Wie viel Geld tatsächlich zwischen FDP und Familie Manteuffel fließt, ist nicht bekannt. Nominal haben die Anteile einen Wert von über 18 Millionen Euro. Das Geschäft wickelte die Partei nach TE-Informationen im Mai und im Juni dieses Jahres ab. Auf Anfrage bestätigt die Partei das Geschäft: „Die Familie von Manteuffel wünschte das Ausscheiden aus der Gesellschaft. Die Anteile wurden nach der Einholung von Bewertungsgutachten vereidigter und öffentlich bestellter Gutachter unter Berücksichtigung der auf den Immobilien der Gesellschaft lastenden Bankverbindlichkeiten einvernehmlich bewertet und bezahlt.“ Die FDP habe die Summe aus eigener Kraft bezahlt, aber auch Kredite aufgenommen.
Um eine erste Einschätzung des Werts der „Reinhardtstraßenhöfe GmbH & Co KG“ zu geben: Laut Projektangaben beträgt die Grundstücksgröße des Reinhardstraßen-Areals in Berlin über 4.500 Quadratmeter. Auf Basis des aktuellen Bodenrichtwerts von 13.000 Euro pro Quadratmeter zum Jahreswechsel beläuft sich allein der Wert des Bodens des Grundstücks Reinhardtstraße auf knapp 60 Millionen Euro. Dazu kommt noch der Gebäudewert im unbekannten zweistelligen Millionenbereich. Und das Grundstück in Bonn. Selbst nach Abzug der Verbindlichkeiten der KG von etwa 35 Millionen Euro, die sie nach verfügbaren Zahlen zum Jahreswechsel von 2020 auf 2021 hatte, ist festzustellen, dass die von der FDP übernommenen Anteile einen hohen zweistelligen Millionenwert haben.
Um das einzuordnen: 2003 betrug der Bodenrichtwert 1.600 Euro den Quadratmeter, der Bodenwert somit gerade einmal etwas mehr als 7 Millionen Euro. Durch die ein Jahrzehnt anhaltende Nullzinspolitik ist dieser Wert beträchtlich gestiegen. Da diese Politik viele Investitionen unattraktiv machte, sind Anleger stark in Immobilien geflohen. Das wiederum löste den Preisboom in der Branche aus, der sich auch auf die Miethöhen auswirkte. Den Zahlen der „Reinhardtstraßenhöfe GmbH & Co KG“ hat die FDP demnach an der Nullzinspolitik und ihren Folgen mitverdient. Zumindest im Nennwert.
Nun drängt sich die Frage auf, wie die FDP das Geschäft mit den Manteuffels angesichts der andauernd hohen Preise wirtschaftlich stemmen konnte. Zumal das Verhältnis der Geschäftspartner zuletzt nicht gerade harmonisch war: Im Jahre 2021 hatte nämlich die Familie Manteuffel einen Rechtsstreit beim Landgericht Bonn gegen die FDP angestrengt. Der Spiegel schrieb: „Nun aber ist es zum Streit zwischen der Partei und ihren langjährigen Unterstützern gekommen. Die Familie will die Mehrheit an der FDP-Firma übernehmen – und damit auch die Kontrolle über die Parteiimmobilien. Dem Vernehmen nach erwägt sie, ihre Anteile auf dem freien Markt zu verkaufen. Dadurch würde auch das Berliner Filetgrundstück mit der FDP-Parteizentrale zum Spekulationsobjekt auf dem Immobilienmarkt.“ Die Manteuffels sollen diesen „Übernahmeversuch“ damit begründet haben, dass sie mit der FDP vereinbart haben, jahrelang gewährte Zinsverzichte in Kapitalanteile umwandeln zu dürfen.
Über die Motive für das Geschäft jetzt lässt sich nur spekulieren: Wie viel Geld die Familie Manteuffel insgesamt über Einlagen, Darlehen und so weiter an das FDP-Unternehmen Reinhardtstraßenhöfe KG sowie die FDP gezahlt hat, ist völlig unklar. Es gibt keine Transparenz bei Unternehmens- und Grundstücksvermögen. Die gesetzlichen Pflichtangaben in den Rechenschaftsberichten sind weitestgehend unbrauchbar. Die FDP betont auf TE-Anfrage: „Neben dem Erwerb der Anteile wurden keine weiteren Verabredungen getroffen. Insbesondere bestehen keinerlei Darlehensbeziehungen zu den ehemaligen Mitgesellschaftern.“
Man darf aber annehmen, dass dieses Geld der Manteuffels über die Jahre eine Rolle dabei spielte, einen Ruin der FDP und der Grundstücksgesellschaft zu vermeiden. Noch Ende 2017 war der Bundesverband der FDP überschuldet, ebenso diverse Landesverbände, es bestanden Kreditverbindlichkeiten gegenüber Banken und Dritten von mehr als 24 Millionen Euro. Zwischenzeitlich hat sich die Lage etwas verbessert. Wie sie sich aktuell im Einzelnen darstellt, lässt sich nicht sagen, da der letzte Rechenschaftsbericht von 2020 stammt. Die Lage verbessert haben die erfolgreichen Wahlen zum Bundestag 2017 und 2021, sowie das gute Abschneiden bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2017. Diese Erfolge haben zu deutlich höheren staatlichen Zuschüssen und „Spenden“ von Abgeordneten geführt.
Doch eben diese Situation macht aus dem Geschäft der Partei ein Politikum. Es dürfte sich auf die Politik der Partei auswirken. Die hat bisher für ihr Klientel nicht geliefert. Die Anhänger sind massenweise sauer, weil ihnen die FDP den Ausstieg aus den Corona-Maßnahmen versprochen hat und ihnen stattdessen die „strengsten Regeln in Europa“ beschert hat. Viele Kleinspenden aus dem Mittelstand dürften ebenfalls ausbleiben. Weil dessen Unternehmer sauer sind wegen der Energiepolitik der Ampel – oder gleich pleite. Die Prognosen für die nächsten Wahlen sind nicht vielversprechend, die Ergebnisse der letzten Wahlen zeigen, dass die Prognosen eher noch wohlwollend sind. So fiel die FDP in Nordrhein-Westfalen dieses Jahr von 12,7 auf 5,9 Prozent. Die schönen zusätzlichen Einnahmen sind somit wieder futsch.
Dann könnte die Situation für die FDP brenzlig werden: Denn es ist zwar erfreulich, ein hohes Grundstücksvermögen beziehungsweise Beteiligungsvermögen sein eigen nennen zu können. Doch dieses Vermögen steht, solange es nicht veräußert wird, nur auf dem Papier. Wenn die FDP nunmehr zusätzlich zu den normalen Parteiausgaben auch noch die Belastungen aus der Übernahme der Anteile finanzieren muss, so ist sie mehr denn je auf hohe staatliche Zuschüsse angewiesen. Das macht sie erpressbar: Besteht sie zum Beispiel in Verhandlungen ums Infektionsschutzgesetz auf liberalen Positionen, riskiert sie einen Koalitionsbruch, den sie sich derzeit buchstäblich nicht leisten kann. Am Ende stehen dann die „strengsten Regeln in Europa“ und eine „Freie Demokratische Partei“, der nichts bleibt als die Sprachregelung: So schlecht sei der Kompromiss ja gar nicht und ohne die FDP wäre alles viel schlimmer gekommen.
Käme es zu Neuwahlen, wäre das für die FDP verheerend: Stand jetzt würde sie massiv an Wählern verlieren. Die Höhe der Parteienfinanzierung würde entsprechend sinken. Sie könnte weniger Arbeitsplätze vergeben und viele „Spenden“ von Abgeordneten blieben aus. Dazu droht den Liberalen eine Konstellation, in der es für eine schwarz-grüne Mehrheit reicht. Dann wären sie raus aus der Regierung. Das wiederum würde sich auf die Spenden aus der Wirtschaft auswirken. Die FDP müsste sich dann fragen, wie sie ihre Schulden zurückzahlen kann. Spoileralarm: Den Banken genügt es nicht, wenn man diese in „Sondervermögen“ umtauft.