Sascha Lobo eröffnet Hart aber Fair mit Vorwürfen gegen die Königin, die an diesem Tag zu Grabe getragen wird. Es geht – „natürlich“ – um „Rassismus“. Die Queen habe sich in den 70 Jahren ihrer Regentschaft nicht für die Untaten des Königreichs entschuldigt. Sei sie doch die Repräsentantin eines „kolonialistischen Systems“.
Das sei nicht ihre Aufgabe, erwidert ein anderer Gast: der SWR3-Journalist Bertram Quadt (er wird als „von“ vorgestellt und mit kompliziertem Titel – das tut hier aber nichts zur Sache). Die Queen habe nicht einfach „Entschuldigungen“ aussprechen, sich politisch äußern können. Quadt hebt ihre Lebensleistung hervor: das eigene Leben in den Dienst der Nation zu stellen und das bis zum Schluss.
Der Irokese und der Jäger
Sie sind die Gegenpole bei Hart aber Fair. Lobo, mit dem rosa Irokesenschnitt und dem trotzigen Verlangen nach einer Bitte um Vergebung, die ein britischer Monarch nicht äußern kann oder darf. Auf der anderen Seite Quadt, im waldgrünen Dreiteiler: Geht er nach der Talkshow noch eben auf eine Jagdgesellschaft? Quadt zumindest sieht die Leistung Elisabeths aus legalistischer Sicht, eingesperrt in die Vorgaben der Verfassung und die Pflichten des Monarchen.
Lobo findet das alles ja ganz „in Ordnung“, aber meint auch „ich mag es nicht“, wenn man sich dem Phänomen der Monarchie „so unkritisch“ nähert. Der Monarchie, die furchtbare Verbrechen begangen habe. Das Vereinigte Königreich ist schon seit Jahrhunderten eine Demokratie, die Macht der Krone seit 300 Jahren mehr symbolisch als tatsächlich. Aber trotzdem könnte Lobo Recht haben. Die Institution der Monarchie befremdet. Lobo schafft es jedoch, selbst aus dem fanatischsten Jakobiner einen Monarchisten zu machen.
Königin tot, bitte Schloss versteuern
Man kann es nicht verneinen, die britische Monarchie hat einen Zauber, eine Anziehungskraft. Mehr als 4,1 Milliarden Menschen haben angeblich der Übertragung ihrer Beerdigung zugeschaut. Selbst wenn es eine großzügige Schätzung ist: Es hat gut jeder zweite Mensch auf dem Planeten die Zeremonie begleitet.
Und typisch für die deutsche Neiddebatte ist natürlich: Es geht um Erbschaftsteuer an diesem Abend. Beziehungsweise darum, dass Charles Erbe seiner Mutter von dieser befreit ist. Frei nach dem Motto: Die Königin ist tot, jetzt bitte das Schloss versteuern.
Ach, wenn die Briten nur nicht so abgestimmt hätten, wenn die Königin nur gegen die Verfassung verstoßen und ihren Untertanen mal ordentlich die Leviten gelesen hätte! Das Recht der Völker, ihren Weg zu wählen – im Guten wie im Schlechten – wird nur dann zugestanden, wenn die Schotten das Königreich verlassen wollen, um der EU wieder beizutreten. Nicht aber, wenn das Königreich gemeinsam dem Brexit zustimmt.
Geht es hier noch um England?
Die Sendung rutscht ins Surreale ab, als Plasberg fragt: „Warum wird Johnson auf dem Weg in die Kirche nicht mit Tomaten beworfen?“ Man solle ihm dabei zurufen „Du hast uns verarscht, du hast unser Land mit Lügen in eine Katastrophe geführt.“ Denn tatsächlich: Den Briten geht es schlecht. Vier Prozent Schaden hat die Wirtschaftsleistung genommen, Regale sind leer, Sprit knapp und teurer, Ärzte fehlen. Barley meint dazu, Johnson habe wahnsinniges Glück mit den Krisen gehabt, wegen Corona und Ukraine-Krieg würden die Leute nicht merken, dass der Brexit das Problem ist.
Hawes sagt, es liege auch an der Furcht, denn wer den Brexit kritisiert, gilt schnell als Staatsfeind der Regierungspartei.
Plasberg wird deutlich: „Ich verstehe es immer weniger, wenn die Argumente in den Regalen mich anspringen, wenn meine Wartezeit auf eine OP in Krankenhäusern lang wird, weil die Ärzte geflohen sind.“ Hawes: „Jemand anders ist dafür verantwortlich, wir Briten sind wie die Russen. Beide Völker glauben zu Unrecht, dass wir eine Sondergenehmigung der Weltgeschichte haben“, eine Sondergenehmigung, die „geraubt worden ist, von irgendeiner Verschwörung“. Und „Sie sind nicht bereit, der Wahrheit ins Auge zu sehen [der gescheiterten Politik], daher haben wir stattdessen jetzt Brexit und Ukraine-Krieg.“
Sätze, die auch in einer Diskussion zur deutschen Energiekrise fallen könnten. Auch die Frage mit den Tomaten. Doch das bemerkt die Runde mit erwartbarer Sicherheit nicht.
Der Vorschlag ist, Charles III solle doch lieber in den traditionellen Privataudienzen des Premiers Einfluss nehmen. Aber in der Öffentlichkeit darf er es nicht. Das findet auch Barley besser. „Er hat auch nicht die Legitimation dazu“, sagt sie. Zu den Privataudienzen sagt sie aber nichts.
Die Sendung geht noch weiter, aber ohne Brexit ist die Luft raus. Wer sind die Vorbildpersonen der Deutschen?, wird gefragt. Die Antworten sind Helmut Schmidt, Angela Merkel und Greta Thunberg. Steinmeier wird nicht genannt. Für eine Monarchie sind wir nicht geeignet, entscheidet man. Die Frage, wofür „wir“ geeignet sind, bleibt ungestellt und unbeantwortet.