„Die Kosten der Krise – erst Preisschock, jetzt Pleitewelle?“, war eine Illner-Sendung der besonderen Art. So viel Schuldabweisungen und Kleinreden von Politikversagen – aber alles in solchen trägen Stimmlagen, dass ich wirklich ernsthaft gegen das Sandmännchen ankämpfen musste. Ich habe mich aber schlussendlich doch durchsetzen können und kann Ihnen nun berichten von Phrasen, die der Rest der Republik wahrscheinlich verschlafen hat.
Die Gästeliste allein lässt schon nichts Gutes erahnen: Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig (SPD), Vizepräsidentin des Bundestags Katrin Göring-Eckardt (Die Grünen), der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) Siegfried Russwurm, die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsverbundes (DGB) Yasmin Fahami und der stellvertretende Parteivorsitzende der FDP Johannes Vogel.
Erstmal natürlich die Lobhymnen: Die Ampel will sich in der Krise als Einheit darstellen. Während Katrin Göring-Eckardt also von den Einfällen des gelben Finanzministeriums schwärmt, lässt FDPler Johannes Vogel die total-super-klasse-tolle Arbeitsmoral von Robert Habeck durchblicken: „Wir müssen ran an die Energiepreise und haben einen Vorschlag gemacht, an dem jetzt der Wirtschaftsminister – glaube ich, hoffe ich und gehe ich von aus – Tag und Nacht arbeitet, dass wir das jetzt in die Realität bringen.“ Jaja, die Grünen, wer fühlt sich von denen nicht sicher und kompetent regiert? Robert Habeck zeigte uns, was für ein toller Ökonom er ist, gestern zeigte uns Katrin Göring-Eckardt, was für eine tolle Politikerin sie im Allgemeinen ist: „Was wir jetzt machen, ist schon eine andere Form von Politik. Wir sitzen nicht im Hinterzimmer verschlossen, und dann kommt irgendwas raus und liegt dann auf dem Tisch und wird gemacht. Sondern was wir tun, ist mit Leuten reden.“
Sie müssen verstehen: Alles, was Sie bis vor kurzem über Politiker dachten, müssen Sie heute komplett neu denken – denn die Ampel führt jetzt ein, dass Politiker mit Menschen reden. Komplett revolutionär, waren Politiker doch bisher immer die Berufsgruppe, die noch weniger mit Menschen gesprochen hat als Informatiker. Diese neu erlangte Inklusive hat allerdings leider ihren Preis, wie man kurz darauf erfährt. „Es geht nicht nur so, dass die Regierung das allein macht, da werden die Länder gebraucht, die Arbeitgeber, Arbeitnehmer, da werden Ideen gebraucht“, erklärt die Grüne. Nu sind also noch Sie und wir dran. Nicht genug, dass die Regierung das Leben der Arbeitgeber und -nehmer doch erheblich durcheinander gebracht hat, um das jetzt mal sehr gelinde auszudrücken. Nein, jetzt sollen sie auch noch mithelfen, die Scherben wieder aufzuräumen, na schönen Dank auch. Wofür bezahlt man Politiker nochmal?
Manuela Schwesig tut sich auf dem Gebiet Verdrängung schon länger besonders hervor. Nachdem sie treu bis zum Letzten noch an Nord Stream festhielt, als die Russen schon in der Ukraine standen, hat ihr Image einen erheblichen Knacks abbekommen. „Putin-Barbie“ ist noch der netteste Spitzname, mit dem sie im Netz jedes Mal zum Rücktritt aufgefordert wird, wenn sie auf irgendeine erdenkliche Art in Erscheinung tritt. Das hält sie aber nicht davon ab, sich in die Illner-Runde zu setzen und die wenigen, die ihren Kurs vielleicht noch befürwortet haben, auch noch zu vergraulen. In ihrem Sprachgebrauch scheint es nicht, „Energiewende“ zu heißen, sondern „Systemwechsel“, was zwar zumindest ehrlich ist, aber doch schon gruselig klingt: „Wir brauchen eine strukturelle Lösung, wir machen doch einen Systemwechsel. Deutschland hat Jahrzehnte auf preiswertes russisches Gas gesetzt. Es war dreimal preiswerter als LNG-Gas. Wir werden dauerhafte Preissteigerungen haben.“
Sie hat nun zum zweiten Mal im Bundeskanzleramt mit den Arbeitgebervertretern beraten. „Sind beide Seiten gleich zornig auf die Regierung?“, fragt Illner sie. Ihre Antwort: „Nein, zornig sind wir alle nicht gewesen, sondern es ist eher zu beschreiben als eine Mischung aus einerseits Anerkennung für viele Entscheidungen, die getroffen worden sind. Also es gibt ja nennenswerte Aktivitäten mit den drei Entlastungspaketen, aber gleichzeitig auch eben genau verdeutlichen, dass wir alle sehr in Sorge sind mit Blick auf diese wirtschaftliche Situation und auch eben der Situation in Privathaushalten, ich darf sehr deutlich unterstreichen: das Wasser steht nicht nur Betrieben bis zum Hals, sondern bis tief in die Normalverdiener, die Mittelschicht dieses Landes.“
„Nein, zornig sind wir alle nicht gewesen“, sagt die Frau, die angeblich für all die Menschen spricht, die gerade Existenzängste haben, weil sie nicht wissen, wie lange es ihren Betrieb noch geben wird, wie lange sie ihre Familie noch ernähren können, ob sie diesen Winter heizen können, ob in diesem Winter der Blackout kommt, ob sie nächstes Jahr noch einen Job haben, ob ihr Erspartes noch lange etwas wert sein wird. Jede Zeitung hat in dieser Woche die Stimmen von Bäckern abgedruckt, die nicht nur ein bisschen sauer auf die Regierung sind. Von „Die spinnen“ bis „Die stürzen uns in den Ruin“ war da alles dabei. Und die Frau, die für diese Menschen sprechen soll, stellt sich vor den Kanzler und bewundert seine Entscheidungen. Die Stimmen, die bei ihrer Nominierung zu diesem Vorsitz kritisierten, sie würde die Gewerkschaft auf SPD-Kurs bringen und somit Opposition verhindern, hatten mehr als Recht.
„Und da haben wir doch die eine oder andere Idee davon, wo Lösungen liegen könnten, ich formuliere es mal so“, mit diesen Worten bindet Illner entgeistert und merklich genervt ihre Talkshow ab. Selbst für die Produzenten der Sendung scheinen mit dem Schließen des Vorhangs noch einige Fragen offen zu stehen.