Tichys Einblick
Zur Frauenfeindlichkeit im Ersten

Hochnotpeinlich beim Tatort: „Das Verhör“

Was der Marlboro-Mann, Hexenverfolgung in Europa und die Bundeswehr auf den ersten Blick gemeinsam haben.

Screenshot ARD

Starker Tobak, wenn am schönen Rheinufer in den frühen Morgenstunden die Investmentbankerin Ann-Kathrin Werfel an einen Baum gebunden bei lebendigem Leib verbrannt wird. Der Täter hat dazu extra eine Höllenmaschine aus Autobatterie, Tauchsieder und Benzinkanister gebaut. Kommentar von Pathologe Dr. Özcan (Kailas Mahadevan): „Hat auch Tradition im Christentum. Hexenverbrennung“. Aber da ein religiöser Hintergrund wenig wahrscheinlich ist, folgern die Kommissarinnen Stern (Lisa Bitter) und Odenthal (Ulrike Folkerts), dass bei der Tat wohl viel Hass im Spiel gewesen sein muss. Allerdings hat der Mörder nicht mit der starken Streuung einer Überwachungskamera gerechnet: Sein auffälliger Pickup wurde in der Tatnacht fotografiert (Link zum Tatort).

Wunderbar, wie hier in der Pfalz noch ein Polizeirädchen ins andere greift: mit einem Mausklick sind die 18 möglichen Halter solch eines Fahrzeugs ausgemacht, werden einzeln überprüft. Eine der Streifen findet den passenden Wagen zu den Reifenspuren am Tatort, auch wenn es dem männlichen Beamten wenig plausibel erscheint, dass hier der „härteste“ Offizier, den er in seiner Bundeswehrzeit kennenlernte, der Verdächtige sein soll: „Reifenprofil passt, aber nicht der Halter.“

Schnell wird es eng für den zunächst als Zeuge in den futuristischen Verhörraum der Ludwigshafener Polizeiwache gebetenen Hauptmann Hajo Kessler (Götz Otto, bekannt als teutonischer Bond-Bösewicht „Stamper“). Gerade war er noch von seiner Bataillonskommandeurin Oberstleutnant Angelika Limbach (Katrin Röver) wegen der Duldung eines Aufnahmerituals unter seinen Soldaten heruntergeputzt worden. Aber noch bevor er seine wie einst bei John Wayne lässig im Mundwinkel hängende Kippe richtig aufrauchen kann (wann hat man zuletzt so eine plakative Darstellung von Nikotinabhängigkeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gesehen?), ist er auch schon Verdächtiger Nummer 1.

Die ARD wartet mehrfach mit beeindruckenden Luftaufnahmen der Truppe auf, wie sie vom Kasernenhof aus blankgeputzt, gepanzert und vermummt ins Manöver fährt. Ob die Bonner Hardthöhe das wohl zur Bedingung für die Drehgenehmigungen gemacht hat?

Hochfahrend. Militärisch zackig. Aufreizend herablassend im Ton. Kessler war zur Tatzeit unterwegs. Angeblich beim Angeln, und ja, alleine, „weil Männer genau deshalb zum Angeln gehen“. Aber der als Alibi präsentierte, angeblich aus dem Rhein gefischte Halber-Meter-Hecht wurde vor Wochen schon in seine Tiefkühltruhe gepackt, was man dank des pfeilschnellen pfälzischen Kriminallabors in Bestzeit herausbekommt. Aalglatt pariert der Hauptmann ein ums andere Mal die Attacken von Stern und Odenthal, beißt Stern beim Mundabstrich für den Gentest sogar in den Finger. Wie eine Furie stürzt sich Lena Odenthal nun im Verhör auf den toxische Männlichkeit ausströmenden Verdächtigen und greift sogar zu Foltermethoden (verweigert ihm sein Asthma-Spray, während er nach Luft ringt).

Auch die Anwesenheit von Oberstaatsanwalt Marquardt (Max Tidof) kann sie nicht zu mehr professioneller Zurückhaltung bringen, er fragt die Polizistin: „Haben Sie noch irgendwelche rechtsstaatlichen Reflexe?“ Vor lauter Eifer lassen die Ermittlerinnen den zweiten Verdächtigen, den gegen seine Frau gewalttätig gewordenen Ex-Mann des Opfers (Patrick Werfel, gespielt von Jonathan Müller) links liegen. Die Fixierung auf Kessler rächt sich, die Kompaniechefin wird unter den Augen der Wache aus der Kaserne entführt. Damit scheint der zackige Asthmatiker für einen Moment aus dem juristischen Schneider zu sein. Doch offenbar stecken er und der Ex von Frau Werfel heimlich unter einer Decke, wieder gibt die im Präsidium allgegenwärtige Videoüberwachung den entscheidenden Hinweis.

Werfel, der Kommissarin Stern entwischen kann und schließlich Selbstmord begeht, war das willige Instrument des Machos in Uniform, der nicht nur heimlich Aufnahmen von Kommissarin Odenthal auf schlüpfrigen Kerle-Websiten gepostet hat, sondern sich mit Hilfe des Komplizen der ihm lästigen weiblichen Kommandeurin entledigen wollte. Zu deren Verbrennung nach dem Muster des ersten Mordes kommt es aber nicht, denn die ganze Kompanie rückt zur Suche nach der Kameradin Kommandeur aus, deren Entführungsort man dank eines mit Tricks erreichten Geständnisses von Kessler schließlich findet. Frau Limbach hat sich aber in einer übermenschlichen Anstrengung bereits selbst befreit und wird von Polizei und Soldaten erleichtert in Empfang genommen.

Markige Odenthal-Zitate aus dem Streifen:

Das Urteil der Zeitschrift „Freundin“ über diesen, wie sie ihn nennt, „politischen Tatort“, fällt recht nüchtern aus: „Unnatürliche Dialoge, fehlende Emotionen und Mimik. Ein Tatort, der zum Lachen anregt. Jedoch nicht wie Thiel und Börne das manchmal schaffen, sondern weil er teilweise wie eine schlechte schwäbische Komödie anmutet …“ und an „dessen Authentizität manche Zuschauer zweifeln“.

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