Tichys Einblick
Bäckereien befürchten, dass ihr Ofen ausgeht

Exorbitant steigende Energiekosten: Besonders hart betroffen ist das Bäckerhandwerk

Vom Energiekostendämpfungsgesetz profitieren die Bäcker nicht, obwohl sie energieintensiv arbeiten. Die Politik erteilt indessen Ratschläge: steuerliche Maßnahmen wie Stundungen, Vollstreckungsaufschübe, Herabsetzungen der Vorauszahlungen oder Verlängerungen der Steuererklärungsfristen zu beantragen.

IMAGO / anemel

„Jede Kilowattstunde zählt“, erklärte Wirtschaftsminister Habeck noch im Juni 2022. Nun will er zwei AKW nur noch als Notreserve am Netz lassen; für den Fall der Fälle, nämlich den, dass der Industriestandort Deutschland und die mittelständische Wirtschaft womöglich im Winter doch Strom aus den AKW benötigt.

Dass die Bundesrepublik Deutschland in einer gewaltigen Energiekrise steckt – geschenkt, wenn der grüne Wirtschaftspolitiker Habeck doch nur die Basis zufriedenstellen möchte, komme da, was wolle. Also sollen die AKW länger in Betrieb bleiben, aber ohne sie am Netz zu lassen. Hochfahrbar seien sie in „vielleicht ’ner Woche oder so“. Habeck stellte am Montag fest: Eine „stundenweise krisenhafte Situation im Stromsystem“ im bevorstehenden Winter sei zwar unwahrscheinlich, könne „aktuell aber nicht vollständig ausgeschlossen werden“. So geht Energiepolitik.

Die Energiekrise fordert ihr nächstes Opfer
Toilettenpapier-Hersteller Hakle muss Insolvenz anmelden
Der aktuelle Strompreis liegt mit Stand August durchschnittlich bei 56,5 Cent/kWh ohne Steuern und sonstigen Abgaben. Eine Kilowattstunde Gas kostet im Mittel derzeit 39,5 Cent für Neukunden. Das geht aus Daten des Vergleichsportals Verivox hervor (Datenstand: 06.09.2022). Der mittlere Preis der vergangenen sieben Tage ist im Vergleich zur Vorwoche um 14,5 Prozent gestiegen.

Sichtbar wird die Energiekrise vor allem in mittelständischen Betrieben. Wegen der exorbitant hohen Energiepreise stellen manche ihre Produktion ein oder verlagern sie ins Ausland. Eine Insolvenzwelle rollt auf uns zu. Davon dürfte nicht nur der Toilettenpapierhersteller Hakle betroffen sein, der am Montag beim Amtsgericht Düsseldorf ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beantragte. Der Grund: steigende Energiepreise.

Besonders hart betroffen ist das Bäckerhandwerk. Die hohen Strom- und Gaspreise machen ihnen den Garaus oder zwingen sie dazu, die Brotpreise noch mal deutlich anzuheben. Das ist wohl für unabhängige kleine, handwerkliche Bäcker weitaus existenzieller als für große Ketten, die industriell produzieren.

Manche befürchten, dass bei ihnen der Ofen ausgehen könnte. Von der Politik fühlen sie sich allein gelassen. Bäcker Tobias Ehses weiß nicht, wie er über den Winter kommen soll, berichtet der SWR. Letztes Jahr habe er für Gas im Monat einen Abschlag von rund 560 Euro gezahlt. Dann ging es hoch auf 1.500 Euro. „Und jetzt haben sie es hochgesetzt auf 3.900 Euro.“ Ehses kann die Kosten nicht 1:1 an die Kunden weitergeben. „Die Angst um den Fortbestand wird jetzt auch wirklich ausgesprochen. Und zwar sogar von gesunden Bäckereien.“

Die Kölner Traditionsbäckerei Schlechtrimen verkündet am Freitag auf Facebook ihr Betriebsende. 40 Mitarbeiter stehen vor dem Aus, die Bäckerei schließt nach 90 Jahren ihre Türen.

„Wenn nicht schnell und unbürokratisch geholfen wird, sind tausende Betriebe und Arbeitsplätze bereits im September gefährdet, und die Versorgung der Bevölkerung, vor allem im ländlichen Raum, droht zusammenzubrechen“, fasst die Bäckerinnung beim Schwarzwälder Boten zusammen. Sie sehen zudem aufgrund der Konkurrenzsituation zu den Discountern keinen Spielraum für Preiserhöhungen und können ihre Gasbacköfen nur sehr bedingt auf andere Energieträger (Öl oder Strom) umrüsten. Auch Kredite würden die Problematik nur verschieben.

Ist der Ofen bald ganz aus?
Energiekrise: Bäckereien schließen, Supermärkte löschen das Licht
Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks fordert auch die Vergünstigung von Strom und Gas, „indem kurzfristig und unideologisch alle Möglichkeiten genutzt werden, um die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten. Dies schließt auch eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke ein.“

Ein Lokalpolitiker in der Region antwortete laut Schwarzwälder Boten wie folgt darauf: „Das sogenannte Energiekostendämpfungsprogramm wurde bereits im April durch die Bundesregierung beschlossen und ist im August aktiv gegangen. Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen hat die verständliche Forderung, auch Bäckereien und Konditoreien zu berücksichtigen, bereits zurückgewiesen. Daher, und weil das Programm bereits aktiv ist, glaube ich nicht, dass das Programm jetzt noch mal ‚aufgeschnürt‘ werden kann und das Bäckerhandwerk neu berücksichtigt wird.“

In Brandenburg kämpfen nicht nur Bäcker sondern auch Metzgereien mit den Preisexplosionen. Die Inhaber warnen vor Filial-Schließungen – und fordern Unterstützung durch die Politik. Der Inhaber der Neubrandenburger Bäckerei sagt: „Meine Stromrechnung wird im kommenden Jahr viermal so hoch sein wie in diesem. Wir haben mittlerweile Angst, Mitarbeiter entlassen zu müssen.“ Zwar hätten die Kunden noch Verständnis wegen der Preiserhöhungen, doch „die normalen Bürger müssen anfangen zu sparen. Und wir befürchten, dass sie ihre Brötchen im Supermarkt kaufen werden.“ Vom Staat wünscht er sich Unterstützung – auch im Hinblick auf den drohenden Mangel an Gas. „Wir brauchen eine Priorisierung zugunsten der Betriebe.“

Energiekrise
Immer mehr Unternehmen legen Produktion still – von Stahl bis Brot
Landauf, landab, Bäckereien leiden bundesweit unter den hohen Energiepreisen. Ob in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz oder Mecklenburg-Vorpommern. Die Bäcker- und Konditorenvereinigung in Mecklenburg-Vorpommern befürchtet, dass rund 40 Prozent ihrer Mitgliedsbetriebe finanzielle Schwierigkeiten haben. Der stellvertretende Bäckereilandesinnungsmeister: „Die haben alle Existenzangst. Die wissen nicht mehr, wie sie die Kostensteigerungen an ihre Kunden weitergeben sollen. Wir wissen nicht, ob unsere Kunden das mittragen können, denn die haben ja auch alle zu tun mit ihren Energiekosten.“ Auf Öl umzurüsten, ist auch keine wirkliche Option. „Das kostet Tausende Euro.“ Außerdem sei es unmöglich, so schnell Handwerker zu finden.

Vom Energiekostendämpfungsgesetz der Bundesregierung profitieren die Bäcker nicht, obwohl sie energieintensiv arbeiten. Der Bundeszentralverband habe sich intensiv um Entlastungen bemüht. „Aber es kommt keine Reaktion mehr von der Politik. Das ist schon traurig, dass man uns nicht mehr hört, wenn man das einfach so kaputtgehen lässt – und hinterher ist das Geschrei groß.“

Das Wirtschaftsministerium in Schwerin verweist auf den Energiepreisdeckel und weiß Rat. Es gebe für von der Energiekrise betroffene Unternehmen die Möglichkeit, steuerliche Maßnahmen wie Stundungen, Vollstreckungsaufschübe, Herabsetzungen der Vorauszahlungen oder Verlängerungen der Steuererklärungsfristen zu beantragen.

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