Nein, kein Sorge. Nicht das Ende der Welt und nicht einmal zwingend das Ende der stabilen, nach oben strebenden Börsen.
Einfach nur das Ende dieses enervierenden US-Wahlkampfes zwischen zwei Kandidaten, bei denen man sich nur immer wieder fragen muss, wen man denn nun schlimmer findet.
Mit dem bevor stehenden Ende in der kommenden Nacht von Dienstag auf Mittwoch, stellt sich für alle Anleger dann natürlich die Frage, was das für die Börsen und damit ihre Depots bedeutet.
Auch dazu ist schon vieles geschrieben worden, man mag es eigentlich gar nicht mehr lesen.
Aber trotzdem, es muss sein, auch ich muss mich damit beschäftigen, denn diese Wahl hat für Anleger erhebliche Implikationen.
Statt aber meinerseits einen Beitrag zur ansteckenden Krankheit der Prognosiritis zu liefern, will ich daher damit anfangen, Ihnen zu schreiben, wozu ich eben *keinen* qualifizierten Beitrag liefern kann.
Denn diese Prognosen, besonders die Crash-Prognosen, sind reine mediale Unterhaltung und funktionieren nur wegen der Vergesslichkeit der Leser.
Erinnert sich noch jemand an den im Frühjahr gepushten Oktober-Crash und den „Prognostiker“ Martin Armstrong? Natürlich wie immer verbunden mit dem raunenden Hinweis: „hat dieses und jenes vorher gesehen“. 😉
Natürlich nicht, aber so funktioniert eben die „Prognosiritis“. Sie verschafft in der Gegenwart mediale Aufmerksamkeit und ist damit im Zeitalter der Klicks bares Geld wert.
Wenn die Prognose dann nicht eintrifft – wie fast alle – haben es die Leser schon wieder vergessen, ein Schaden für den Prognostiker, tritt also nicht ein.
Trifft die Prognose aber zufällig ein, denn auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn, dann kann man sich medial feiern und zum „Professor“ und „Crash-Guru“ erklären lassen.
Eigentlich also ein perfektes, mediales Geschäftsmodell, gefährlich wird es nur, wenn man dann messbar wird, weil man zum Beispiel einen Fonds auflegt. Aber das ist eine andere Geschichte. 😉
Wir bei Mr-Market, verweigern uns dieser Prognosiritis aber und deshalb habe ich zum Ausgang der US-Wahl selber auch keinen additiven Beitrag zu bieten. Ich sehe die Umfragen und Prognosen wie Sie und denke mir meinen Teil dazu, wie Sie. Es wurde alles schon gesagt und der Markt hat den aktuellen Stand der Umfragen vollständig verarbeitet.
Eine der wichtigsten Fähigkeiten, die man braucht, um an der Börse erfolgreich zu sein, ist eben, dem Drang des Egos zu widerstehen, das immer wieder meint, sich durch apodiktische Prognosen von den anderen abzuheben und sich vermeintlich über diese zu erheben.
Auch in den Kommentarsektionen der Medien findet man diese Egoschlachten immer wieder. Dabei kennt keiner von uns die Zukunft und niemand hat eine Glaskugel und wenn überhaupt steckt Wahrheit darin, dass das, was die Mehrheit erwartet, in selbstreferentiellen, sozialen Systemen, eher selten eintreffen wird.
Also, zum Ausgang der Wahl müssen Sie andere befragen, die eine Glaskugel besitzen. Ich habe diese nicht und lebe gut damit.
Aber auch zu der Frage, was der Ausgang der Wahl langfristig für die Börsen bedeutet, muss ich seriös schweigen. Denn definitive Aussagen dazu, sind ebenso pure „Prognosiritis“ und ohne Fundament.
Das gilt ganz besonders für den Fall eines Sieges von Trump, denn der Kandidat kennt seine Politik nach einem Sieg selber nicht, wie soll sie denn dann die Börse kennen?
Trump ist aktuell vor allem damit beschäftigt, eine Mehrheit der Amerikaner davon zu überzeugen, wie „grossartig“ er ist und was er für ein „natürlicher Anführer“ ist. Was er dann mit der Macht macht, wenn der Coup gelingen sollte – pah … schaun mer mal!
Ob Trump eher ein isolationistischer „Goldwater-Trump“ wird, der „mit der Atombombe prima den vietnamesischen Dschungel entlaubt“ oder ob er ein der Welt zugewandter, prinzipienfester „Reagan-Trump“ wird, das ist noch völlig offen und Trump weiss es wohl selber noch nicht.
Für die Börsen, liegen aber zwischen dem „Goldwater-Trump“ und dem „Reagan-Trump“ Welten und weil das völlig offen ist, sind alle Spekulationen, was ein Trump für die Börsen bedeutet, eher Unfug.
Im Fall Clinton, mit ihren 30 Jahren im politischen Betrieb, kann man etwas mehr sagen, aber letztlich steht auch hier erst einmal der Machtgewinn im Vordergrund und in der Vergangenheit war auch Clinton wendig genug, ihre Schaufenster-Politik den machtpolitischen Notwendigkeiten anzupassen.
Bei einem Sieg Clintons, wird es vor allem darauf ankommen, *wie* dieser ausfällt. Denn wenn er knapp ausfällt, wird Clinton ihre ganze Präsidentschaft unter einem Legitimationsproblem leiden und der Druck der Republikaner wird dann immens sein. Damit braucht Clinton dann die Loyalität des linken Sanders-Lager wie die Luft zum Atmen und weil das so ist, wird der politische Preis, den das Lager fordert, hoch sein.
Mit den dirigistischen Staatsbeglückungs-Ansichten von Sanders kann die Börse aber am Allerwenigsten anfangen, weswegen die Börse in einem solchen Fall eher verschnupft reagieren wird. Und wenn der Sieg Clintons zu hoch ausfällt und auch das Repräsentantenhaus an die Demokraten fallen sollte, gibt es das gleiche Problem, weil die Demokraten dann „durchregieren“ können.
In Summe hängt bei einem Sieg Clintons also alles vom *wie* ab und insofern sind auch hier vorherige Prognosen, was das für die Börsen bedeutet, eher mediale Unterhaltung, denn ernst zu nehmen.
Nun werden Sie sich fragen, warum ich hier überhaupt schreibe, wenn ich erstens den Ausgang der Wahl nicht prognostiziere und zweitens die langfristigen Auswirkungen von Trump oder Clinton auch nicht benenne, weil diese eben vom konkreten Ausgang der Wahl abhängen?
Der Grund ist, dass wir nicht völlig blind sind, wenn wir dem Markt folgen. Denn in der letzten Woche, hat uns der Markt den Gefallen getan zu zeigen, wie er auf die wieder steigenden Chancen von Trump reagiert. Die Reaktion lautete: Aktien runter, Dollar runter, Gold rauf.
Dabei ist diese Reaktion genau genommen gar keine Reaktion auf Trump, es ist einfach eine generische Reaktion auf gestiegene Unsicherheit, die mit einem potentiellen Sieg Trumps erst einmal einhergeht.
Und nichts hasst der Markt so sehr wie Unsicherheit. Der Markt hat nichts gegen Trump und wenn Trump ein „Reagan-Trump“ wird, schon gar nicht, dann wird er ihn lieben. Aber in Unsicherheit, werden eben Gewinne gesichert und mitgenommen und deshalb fallen die Kurse erst einmal. Und das mit Trump kurzfristig höhere Unsicherheit verbunden wird, daran ist er mit seinem sprunghaften Gefasel alleine selber schuld.
Auch fällt der Dollar mit Unsicherheit über die Zukunft der USA und mit dem fallenden Dollar steigt dann Gold. Das ist die recht simple Geschichte dessen, was letzte Woche passiert ist.
Genau das sagt uns aber eine Menge über die Reaktionen nach der Wahl und dass der Markt nun so deutlich korrigiert hat, schafft nun Raum für eine Erleichterungsreaktion nach der Wahl.
Damit können wir uns nun mal vier mögliche Szenarien des Ausgangs der US Wahl vor Augen führen und die Frage beleuchten, wie der US Aktienmarkt darauf unmittelbar reagieren wird.
Ich betone erneut, ich spreche hier nur über die unmittelbare Reaktion nach der Wahl, wie es dann mittel- und langfristig weiter geht, hängt eben von den Details und der realen, politischen Aufstellung der Kandidaten nach einem Sieg ab. Von „Goldwater-Trump“ vs „Reagen-Trump“ eben und da diese Zukunft noch nicht geschrieben ist, sind Prognosen dazu eher sinnlos.
Schauen wir uns doch mal 4 mögliche Szenarien an:
(1) Goldilock
Clinton gewinnt recht deutlich, so dass es keine Zweifel gibt und das Repräsentantenhaus bleibt trotzdem bei den Republikanern, so dass Clinton um Kompromisse ringen muss und nicht durchregieren kann.
(2) Demokratischer Durchmarsch
Clinton gewinnt sehr deutlich und alle Häuser fallen an die Demokraten, die nun „durchregieren“ können.
(3) Der Sieg der Wut
Trump gewinnt trotz all seiner charakterlichen Mängel, weil er für die weiße Mittelschicht die „Brechstange“ ist, um das Haus der verhassten „Eliten“ zum Einsturz zu bringen.
(4) Stalemate
Clinton siegt, aber nur so marginal, dass sie von Betrugsvorwürfen überzogen wird und Trump mit wilden Anschuldigungen um sich wirft. Wahlen werden angefochten, es wird teilweise neu ausgezählt, Gerichte sind befasst, Bürgerwehren gehen auf die Straße. Das Land ist blockiert und droht in einen Bürgerkrieg zu geraten.
Ich betone, erneute prozentuale Wahrscheinlichkeiten, dürfen Sie an die 4 Varianten selber drankleben, da lese ich wie Sie nur die Umfragen und denke mir meinen Teil.
Aber wie wird wohl der S&P500 kurzfristig reagieren? Schauen Sie mal auf das Chart:
(1) Goldilock ist wohl das Idealszenario für den Markt, denn der Markt liebt es, wenn die Politik sich möglichst wenig einmischt und berechenbar agiert und man in Ruhe seinen Geschäften nachgehen kann. Ein V-förmiger Rebound ist dann recht wahrscheinlich, weil der Markt die Sorgen der abgelaufenen Woche, dann erst einmal rückgängig machen dürfte.
(2) Beim demokratischen Durchmarsch, dürfte die Erleichterung nur kurz währen, bevor sich langsam aber stetig Unsicherheit einfrisst, wie stark der Dirigismus in den verschiedenen Branchen nun werden wird. Wie hart es dann abwärts geht, hängt eben von der Höhe des Preises ab, der von Sanders & Co. eingefordert wird.
(3) Beim Sieg der Wut, kommt wohl erst einmal eine recht starke Reaktion des Erschreckens ala „Brexit“, die einen Retest der 2.000er Marke recht wahrscheinlich macht. Der Markt hat zwar die höheren Chancen von Trump nun erkannt, ein Sieg Trumps dürfte aber immer noch nicht eingepreist sein.
Nach dieser Schreckreaktion sind aber auch hier die Chancen auf einen Rebound gut, wenn sich mehr und mehr zeigen sollte, was Trump nun bedeutet und was nicht. Denn mit größerer Klarheit, kommt auch Sicherheit. Wenn Trump diese Klarheit aber nicht liefert, fällt der Rebound eben aus – auch hier kommt es auf die Details an.
(4) Der Stalemate, ohne legitimierten Präsidenten, ist das Horrorszenario, in dem die Märkte massiv abstürzen und wie tief das dann geht, hängt davon ab, wie tief und lange die Hängepartie in Washington geht und ob es zu Unruhen kommt. Für Gold, ist das das Idealszenario, dann sind wir schnell bei 1.400 und darüber.
So sehe ich prinzipiell die Varianten, natürlich gibt es davon diverse Abarten und Abwandlungen. Sie dürfen die Kursverläufe auch nicht „wortwörtlich“ nehmen, es hängt wie oben erklärt, sehr viel von den „Details“ ab, also wie ein Sieg der einen oder anderen Partei dann konkret aussieht.
Aber ich denke, die Tendenzen sind recht klar und im Positiven kann man daher festhalten, dass bei einem „normalen“ Sieg von Clinton wie Trump, die Chance auf einen Rebound nach einer Schreckreaktion, gar nicht so schlecht sind.
Es gibt auch eine Reihe markttechnischer Parameter, die hier zu erklären den Artikel aus dem Ruder laufen lassen würde, die zeigen, dass sich das „große Geld“ – auch „Smart Money“ genannt – aktuell eher für einen Rebound nach der Wahl in Stellung bringt.
Nur eine Sache darf nicht passieren: das Fehlen eines klaren Ausgangs. Ein „Florida-Szenario“ wie weiland bei Bush vs Gore und das dann auf das ganze Land übertragen, das wäre verheerend und ein Börsenabsturz dann recht wahrscheinlich.
Denn erneut, für den Markt ist der beste Politiker *kein Politiker*. Die Börse läuft immer dann am stabilsten, wenn sich die Politik so ineinander verhakt hat, dass eine Gesetzgebungsstarre eintritt und es keine Änderungen gibt.
Unklarheit, Unsicherheit oder hartes Durchregieren sind aber immer riskant. Und wenn etwas riskant ist, nimmt man Geld vom Tisch und dann fallen eben die Kurse.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein gutes Händchen am Mittwoch Morgen.
Wir haben hier in Europa gegenüber den normalen US-Anlegern einen großen Vorteil, weil wir schon um 2 Uhr Nacht ET (Eastern Time) auf die Wahl reagieren können, während die US Anleger noch 6 Stunden warten müssen.
Machen wir was daraus!
Ihr Hari