Vor wenigen Tagen fand sich eine unscheinbar kurze Notiz in der Tagespresse, die lapidar besagt, dass der Genfer Automobil-Salon auch 2023 nicht mehr stattfinden wird. Die Veranstalter sagten die für Februar 2023 geplante „Geneva International Motor Show“(GIMS) erneut ab, zum dritten Mal in Folge. An die Stelle des Salons solle im November 2023 in Doha im Golf-Staat Katar, ein Jahr nach der Fußball-WM, zum ersten Mal eine Automesse namens „Geneva International Motor Show Qatar“ veranstaltet werden. Offensichtlich ähnlich organisiert wie die letzte IAA in München: zentral im Doha Exhibition and Convention Center und über mehrere Stellen in der Stadt Doha verteilt.
Für langjährige Kenner der Autobranche und deren Rituale, versteckte Vorlieben und Usancen bricht mit diesem Messe-Aus eine Welt zusammen. Vergleichbar mit dem Untergang der K.u.K.-Monarchie und der Welt des Adels nach dem Ersten Weltkrieg. Der Auto-Salon in Genf war seit 117 Jahren weltweit die einzige Automobilmesse oder -ausstellung, die sich aufgrund ihrer Exklusivität mit dem Titel Salon schmücken durfte.
Und die in der kleinen Schweiz ohne heimische Autoindustrie nur aufgrund der exklusiven Lage am Genfer See auskommen konnte. In Detroit zum Beispiel wurde zwar über Jahrzehnte jedes neue Automobiljahr im Januar eröffnet, manchmal sogar mit Cowboyhut und Rinderherden, in Genf wurde dagegen im folgenden Frühjahr das neue Automobiljahr zelebriert, hier wurde die „Auto-Messe gelesen“. Meist nicht auf dem Salon selber, der war nur für Fachbesucher und Netzwerker aus dem Beratungsgewerbe interessant, sondern in diskreten Hotelsuiten oder Edelrestaurants.
Nach Genf fuhr man! Alle maßgebenden Persönlichkeiten der Branche bis in die höchsten Spitzen kamen hierher, hier wurden Geschäfte gemacht, hier wurden Vereinbarungen getroffen, hier wurde Personal bewegt. Legendär war 2006 die spektakuläre Demontage des damaligen Volkswagen-CEO Bernd Pischetsrieder durch den allmächtigen Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piëch auf dem Genfer Salon. Auf der IAA in Frankfurt wurden Spaltmaße vermessen, in Genf wurde über das Schicksal von Modellen, Marken und Menschen entschieden. Genf war der automobile Olymp.
Mit dem Ende des Genfer Salons geht nicht nur eine Institution, sondern auch eine Epoche zu Ende, die Epoche des klassischen Automobils und ihrer Industrie. Doch im Gegensatz zum Untergang der K.u.K.-Monarchie wird dieser Untergang noch nicht mal so richtig bemerkt. Corona-Pandemie, Putins Ukraine-Krieg, explodierende Energiepreise, all das geschah unerwartet, all das kam plötzlich über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Keiner hat diese epochalen Störereignisse vorhergesehen. Eine der Folgen solcher Schreckensmeldungen ist offensichtlich, dass die Gesellschaft langsam, aber sicher für unspektakuläre Ereignisse und Entwicklungen das Sensorium verliert.
„Au revoir Salon de Genève“ betitelte die Automobilwoche die Einstellung der Messe am Genfer See. Stattdessen soll am 2. November 2023 im Wüstenstaat Katar eine Autoshow stattfinden. Damit endet eine Institution, die 117 Jahre das Mekka der klassischen Automobilhersteller in Europa und den USA, nach dem Krieg dann auch jener aus Japan und zuletzt auch aus Südkorea war. Alle Versuche sonstiger asiatischer Anbieter, vor allem jener aus China, dort Fuß zu fassen und von dort aus den Weltmarkt zu erobern, endeten allesamt kläglich – bislang jedenfalls.
Mit dem Genfer Auto-Salon schwindet also mehr als nur eine Automobilmesse. Die Detroit Motor Show wurde zuvor schon abgesagt. Bleibt die Frage offen, welche internationale Automobilausstellung von Gewicht ist als nächstes dran?