Bei der European Students for Liberty Conference 2015 kamen hunderte liberale Studenten aus aller Welt in Berlin zusammen. Ohne Parteien, ohne Großkonzerne. Eindrücke von einer Freiheitsbewegung, die tatsächlich etwas neues ist.
„Ihr seid die Generation, die endlich Verantwortung übernimmt“, sagt Tom Palmer den Teilnehmern der European Students for Liberty Conference 2015 (#ESFLC15) im Audimax der Humboldt-Universität Berlin. Der amerikanische Autor reist ständig zu ähnlichen Veranstaltungen weltweit, auf denen sich eine neue Generation Liberaler formiert. Es sei an ihnen – den 700 jungen Menschen aus ganz Europa, Afrika, China und Amerika – durch ihre Intelligenz, Kreativität und Energie die Herausforderungen zu meistern, an denen der Bevormundungs- und Wohlfahrtsstaat immer eindrücklicher scheitert.
Sie tragen mal Maßanzüge, mal T-Shirts mit staatsfeindlichen Parolen, akkurate Scheitel, Dreadlocks oder Kopftuch. Sie kombinieren ihren Liberalismus mit Feminismus, Islam, Vegetarismus oder Cannabis.
Markt statt Macht
Die Freiheit die sie meinen, ist keine „Freiheit der Bosse“. Zwar gehört die Wirtschaftliche Freiheit zum Wertekanon der Students for Liberty, doch sie ist nur Mittel zu einem Zweck der sich im Mantra „Peace, Love & Liberty“ niederschlägt. Es geht um das respektvolle Miteinander mündiger Menschen – um den Markt als Nemesis der Macht.
„Freiheit“, sagt der ESFL-Vorsitzende Lukas Schweiger, „ist eben nicht nur für Leute wie uns in schicken Anzügen.“ Er geht hart ins Gericht mit dem Grenzregime der Europäischen Union. Der Eiserne Vorhang sei 1989 nicht gefallen, spitzt er die Kritik an der Festung Europa zu, sondern lediglich „nach Süden und Osten gerückt“. Sam Bowman vom Adam-Smith-Institut London pflichtet ihm bei. „Das Wohlergehen aller Menschen ist wichtig“, sagt er in einem Vortrag, in dem er die üblichen Argumente gegen freie Einwanderung zerpflückt.
Liberaler Antifaschismus
Zu diesem Wohlergehen gehören neben offenen Grenzen Menschenrechte, ein friedliches Miteinander, Gleichberechtigung für alle, die Entflechtung von Wirtschaft und Politik und die freie Wahl der Lebensentwürfe. Zum Beispiel: Ungarische ESFL-Mitglieder engagieren sich gegen den grassierenden Antisemitismus und Rassismus, der Referent Zoltán Kész hat es geschafft, in einer Nachwahl die erdrückende Zweidrittelmehrheit der Rechten in Ungarn aufzuheben.
Dieser Liberalismus ist anders als früher. So etwas gab es zu ihren Zeiten nicht, bestätigen mir im direkten Gespräch auch die prominenten Gäste der Konferenz. Der britische Europaparlamentarier Daniel Hannan sieht „… die Freiheitsbewegung viel stärker als damals, als ich Student war. Der Grund dafür ist, dass sie durch die Finanzkrise und die Reaktionen der Regierungen darauf bestätigt wurde.“
Eine neue grundlegende Erzählung
Flemming Rose von der dänischen Zeitung Jyllands Posten sagt mir: „Ich fühle mich bestärkt durch die Tatsache, dass Organisationen wie Students for Liberty in Europa wachsen, denn genau das brauchen wir“. Rose, der mit der Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen 2005 eine heftige weltweite Debatte über die Meinungsfreiheit geschleudert wurde, sieht die Students for Liberty in der Pflicht: „Europa braucht eine neue grundlegende Erzählung der Freiheit, um die Gräuel zu vermeiden, die wir im 20. Jahrhundert sehen mussten.“
Für Tom Palmer sind die Students for Liberty in dieser Richtung sehr gut aufgestellt, da sie nicht an politische Ziele oder Organisationen gebunden sind: „Sie können direkt und klar sprechen, ohne politisch um den heißen Brei zu reden oder sich politischen Führern unterzuordnen.“
Der neue junge Liberalismus hat sich hier aus den Milieus der Ökonomen, Juristen und Bank-Trainees gelöst und das Weltretten (freilich ohne den Zwang, den Linke und Konservative so lieben) als Aufgabe und Attitüde entdeckt. Dieser neue Style steht ihm ausgesprochen gut.