In Deutschland gilt die „einrichtungsbezogene Impfpflicht“. Sie betrifft vor allem Pfleger. Weisen sie nicht gegenüber ihrer Stadt oder ihrem Landkreis nach, dass sie geimpft sind oder als genesen gelten, muss ihre Kommune ihnen den Zugang zur Arbeit verwehren. Der Landkreis Warendorf – zwischen Münster und Bielefeld gelegen – hat nun Pfleger angeschrieben und sie auf dieses Gesetz hingewiesen, das der Bundestag zum Jahreswechsel verabschiedet hat. Und auch dass der Landkreis nicht beabsichtige, dieses Gesetz durchzusetzen.
TE hat den Landkreis angefragt und sich das Schreiben, das der Redaktion vorliegt, bestätigen lassen. Ein Sprecher antwortet: „Die einrichtungsbezogene Impfpflicht ist seit geraumer Zeit Gegenstand politischer Debatten.“ Kritiker würden argumentieren, so der Kreis, dass auch mehrfach geimpfte Personen das Virus übertragen. Deshalb müsse in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen ohnehin regelmäßig getestet werden und gelte dort die Maskenpflicht.
Die Gewerkschaft Good Governance vertritt bundesweit Betroffene, die Repressalien ausgesetzt sind, weil sie nicht geimpft sind. Die Lösung in Warendorf sieht der GG-Vorsitzende Marcel Luthe als wichtigen Schritt an: „Es ist sehr erfreulich, dass nach Bayern nun auch in weiteren Bundesländern ein wenig Vernunft einkehrt.“ Die GG habe schon in mehreren tausend Verwaltungsverfahren genau darauf hingewiesen, „dass diese Regelung schon deshalb nicht verhältnismäßig ist, weil sie den angeblichen Zweck nicht erreicht“. Statt die Personalkapazitäten zu stärken, schwäche sie diese. Luthe kündigt an: „Deshalb werden wir weiter für jedes unserer Mitglieder gegen diesen gesundheitsgefährdenden Unfug kämpfen.“
Der Landkreis hat nach eigenen Angaben an Pfleger appelliert, die Impfpflicht einzuhalten. In über 200 Fällen habe das dazu geführt, dass die Betroffenen nachträglich eine Impfung oder ihren „Genesenen“-Status nachgewiesen hätten. In einigen dieser Fälle hätten sich die Betroffenen aber auch aus den entsprechenden Gesundheitsberufen zurückgezogen.
Der Landkreis Warendorf hofft in seiner Antwort an TE, dass sich das Problem politisch erledigt: „Kritische Stimmen aus Landes- und Bundespolitik vertreten die Ansicht, dass die Bundesregierung die Regelung auf den Prüfstand stellen solle und empfehlen keine Verlängerung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht über den 31. Dezember 2022 hinaus.“ Doch ob der Bundestag die einrichtungsbezogene Impfpflicht wirklich auslaufen lässt, ist offen.
In Talkshows auf das Thema angesprochen hat sich Justizminister Marco Buschmann (FDP) vor einer klaren Aussage gedrückt, dass er die einrichtungsbezogene Impfpflicht auslaufen lässt. Noch im Juni hat die Internetseite des Bundestags diese Meldung veröffentlicht: „Die Bundesregierung erwägt eine Fortführung der sogenannten einrichtungsbezogenen Impfpflicht über das Jahresende 2022 hinaus.“ Die mögliche Verlängerung werde aktuell geprüft und in Kürze mit Ländern und Verbänden abgestimmt. Damit zitiert die Seite eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Unions-Fraktion. Demnach seien nur vier Prozent des Krankenhauspersonals nicht vollständig geimpft. Deshalb gelte: „Der Bundesregierung sind nach eigenen Angaben keine problematischen Versorgungsengpässe infolge der Sektor-Impfpflicht bekannt. Es gebe derzeit keinen Anlass, die einrichtungsbezogene Impfpflicht auszusetzen.“