Es muß großartig sein, das Gefühl binnen kurzem ein halbwegs passables System ruiniert zu haben, die Hände säubern, Staub abwischen – nächste Baustelle. So müssen sich schwarz-rot-grüne Bildungspolitiker nach dem jüngsten Vergleich der Bundesländer in Sachen Bildung fühlen. Geschafft!
Bisher galten Bayern und Baden-Württemberg als schulische Vorbilder. Hier kamen die Schüler heraus, die am meisten konnten. Doch das ist Vergangenheit.
Ausgerechnet die neue baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann musste jetzt in Berlin beim Vorstellen der Ergebnisse des Institutes zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) den jähen Absturz Baden-Württembergs verkünden. Zwar lässt sich viel an den Methoden des deutschen Pisa-Pendants kritisieren, doch ein Ergebnis fällt so dramatisch aus, dass es kein Zufall sein kann: Das neben Bayern (noch) reichste Bundesland ist so massiv abgestürzt, wie das bisher noch keinem zweiten Bundesland gelang.
Badengegangene Bildung Baden-Württemberg
Die Studie umschreibt den Absturz der Schulen in Baden-Württemberg blumig: »Ungünstige Trends ergeben sich im Fach Deutsch vor allem in Baden-Württemberg, wo sowohl im Bereich Lesen als auch im Bereich Zuhören der Anteil der Jugendlichen, die den Regelstandard erreichen oder übertreffen, zwischen den Jahren 2009 und 2015 signifikant zurückgegangen und der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die den Mindeststandard verfehlen, signifikant gestiegen ist.«
Richtig Deutsch lesen können nur noch wenige Schüler, beim Lesen und Zuhören in Englisch liegen die Schüler unter dem Bundesdurchschnitt. Und das im einstigen Musterland, dem industriellen Herzen Deutschlands.
Da staunen selbst Bildungsexperten. Die gingen bisher davon aus, dass schon 10 bis 15 Jahre notwendig sind, bis sich Veränderungen in einem komplexen System wie dem Bildungssystem bemerkbar machen. Baden-Württemberg hat es vom Test im Jahre 2010 bis heute vom Spitzenplatz auf die hinteren Ränge geschafft. Selbst das ölreiche Venezuela hat für seinen Absturz länger gebraucht.
Gut, ganz allein hat Rot-grün es nicht geschafft. Die Grundsteine für den Niedergang legte einst Annette Schavan. Richtig, das war die, die nach zwölf Semestern Erziehungswissenschaften, Philosophie und katholischer Theologie noch nicht einmal ihre Dissertation in einer, nunja, nicht allzu anspruchsvollen Disziplin zustande brachte (»Person und Gewissen – Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung«).
Zehn Jahre lang wirkte sie als Kultusministerin in Baden-Württemberg und wollte ihren Namen mit einer großen Bildungsplanreform verewigt sehen. Das war zu jener Zeit, als immer mehr Bildungsforschungsspinner ihre Suaden mit dem Wörtchen »neuro« und Hirnforschung versahen und genau wussten, wie Kinder besser lernen. Schreiben nach Gehör und »Sprachbäder« geisterten als neue Leitlinien umher. Lehrer sollten fortan »Kompetenzen« anstelle von Wissen vermitteln. Da begann das Zeitalter, da alle Augenblicke eine neue bildungspolitische Sau durchs Ländle gejagt wurde. Sehr umstritten ihre Entscheidung, die Abiturprüfung nach nur zwölf Jahren ablegen zu können; sie wird heute teilweise wieder rückgängig gemacht.
Dann sorgte eine weitere Kultusministerin, Gabriele Warminski-Leitheußer, für den schnellen Anschluß an nordrhein-westfälische Verhältnisse. Die hatte nach einer Verwaltungsausbildung acht Jahre lang Jura in NRW studiert, war als Quotenfrau auf den Ministerposten gespült worden und sollte jene Bildungsreform verantworten, die die erste rot-grüne Kretschmann-Regierung in Baden-Württemberg wollte. Das bedeutet vor allem, das ideologische Vorzeigeprojekt »Gemeinschaftsschule« auch im Südwesten auf den Weg zu bringen. Doch Warminski-Leitheußer war sogar so unfähig, dass es selbst Rot-Grün zu viel wurde.
Baden-Württemberg hatte also nach nicht einmal zwei Jahren wieder einen neuen Kultusminister, Andreas Stoch. Für kurze Zeit allerdings nur. Jetzt schimpft die neue CDU-Kultusministerin Susanne Eisenmann über ihre Vorgänger, weil die alles Geld verbraten hätten.
Die Klassenzimmer im Südwesten sind mit 30 und mehr Schülern voll. Im vielgepriesenen Skandinavien, aus dem viele Bildungsideen kommen, sitzen höchstens die Hälfte der Schüler. Viele Unterrichtsstunden fallen aus, weil Lehrer fehlen. In Zwei-Jahreskursen wurden Seiteneinsteiger rasch zu »Lehrern« ausgebildet, die waren billiger als Lehrer mit ordentlichem Studium.
Die fünften Klassen der Hauptschulen sind dagegen fast leer, seitdem die Eltern selbst entscheiden dürfen, in welche weiterführende Schule ihr Kind gehen soll. Sie schicken ihre Kinder in die Realschulen oder Gymnasien. Jeder soll das Abitur machen können. Daher wurde die »neue Durchlässigkeit« zwischen den unterschiedlichen Schulen propagiert. Doch die entpuppt sich jetzt als undurchführbar. Wer von der Realschule aufs Gymnasium wechseln will, hat so große Lücken, vor allem in Mathematik und Naturwissenschaften, die praktisch nicht aufzuholen sind. Das bewährte Rezept: Die Anforderungen an schulische Leistungen so lange senken, bis auch Schwächste die Prüfungen bestehen.
In Werkrealschulen – sogar noch vom CDU-Vorgänger als perfekte Lösung gepriesen – sollten auch die Bildungsschwächsten mitgenommen werden. Doch die meisten Werkrealschulen werden angesichts leerer Klassenräume gegenwärtig wieder geschlossen.
Insklusionsdoktrin und Folgen
Zum Wahnsinn treiben die rot-grünen Bildungspolitiker Lehrer und Eltern mit ihrer Inklusionsdoktrin. Nur noch Hard-core-Lehrer und -Schulleiter – meist diejenigen, die auf der Karriereleiter aufsteigen wollen – loben begeistert Versuche über den grünen Klee, wenn schwer Lernbehinderte in dritten oder vierten Klassen richtig eins und eins zusammen rechnen können. Auf den Bänken daneben langweilen sich die anderen Schüler und werden nicht gefördert. Auch in den entsprechenden Umbau der Schulen ist viel Geld draufgegangen.
Statt Unterricht in den wichtigen naturwissenschaftlichen Fächern gibt es mehr Islamunterricht. Durch die Schulen springen Umweltbeauftragte, die den Kindern erzählen, wie wunderbar Sonnenzellen funktionieren und das Land kostenlos und umweltfreundlich mit Energie versorgen können. Die zwar haben häufig Schwierigkeiten, Grundbegriffe wie Arbeit und Leistung auseinanderzuhalten, aber dafür die richtige Gesinnung.
Die heftig umstrittene Gemeinschaftsschule ist mit ihren Resultaten noch nicht in den Ländervergleich mit eingeflossen.
Laut vernehmbar sind die Klagen von Industrie und Handwerk, die zunehmend den schlechten Bildungsstand der Schüler beanstanden, die aus den Schulen in den Arbeitsmarkt kommen.
Resultat: Wer es sich in Baden-Württemberg leisten kann, schickt seine Kinder auf Privatschulen, in denen sie etwas lernen. US-Verhältnisse lassen grüßen.
Für ein Industrieland kann die alarmierende Wirkung dieser Befunde nicht hoch genug bewertet werden. Jetzt hat sogar die Gewerkschaft der Lehrer, GEW (ja, die gibts noch), die Lage erkannt (»alarmierendes Zeichen für den Niveauverlust der Bildungspolitik in Baden-Württemberg«) und ruft zu einer Kommission zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen ein. Die wievielte ist das?
Aus dem Ministerium strömen derweil Blubberblasen, ein »strategisches Bildungscontrolling« solle dem baden-württembergischen Bildungswesen auf die Sprünge helfen. Mehr Lehrer aber, so hat die Kultusministerin schon gedroht, gebe es nicht (»Reflexartige Forderungen«). Dafür sei kein Geld vorhanden. Das fließt in den Ausbau der Ganztagsschule, der Inklusion von Kindern mit Behinderung und vor allem in den Komplex »Flüchtlinge«. Und noch hat niemand eine Ahnung geschweige denn einen Plan dazu und noch weniger Geld, wie jetzt hunderttausende von Asylbewerberkindern in die Schulen passen sollen. Nur noch politisch superkorrekte linke Lehrer jubeln, dass sie das schaffen, wenn die Klassen voll mit Schülern sind, die noch nicht einmal dieselbe Sprache sprechen.
Dazu findet sich in dem Ländervergleich ein kleiner Hinweis: Die Schüler in Brandenburg und Sachsen sind am besten, Bremen und Baden-Württemberg bilden das Schlusslicht. In Brandenburg und Sachsen sitzen kaum Kinder von Einwanderern in den Schulen, in Bremen jedes zweite.