Eigentlich gilt der amtierende Bundeskanzler als pfiffig. Zumindest hält sich Olaf Scholz ganz augenscheinlich dafür, erinnert man so manche Pressekonferenz. Und irgendwie muss er es auch sein, denn anders wäre nicht zu erklären, dass der Mann sich zum Kanzler der Bundesrepublik Deutschland hat hochboxen können.
Deshalb auch stellt er seine leicht selbstgefällige Pfiffigkeit ständig unter Beweis, indem er Journalisten abkanzelt oder mit einem schlichten „nein“ abfertigt, im Bundestag auf Fragen der Opposition mit arroganten Worthülsen reagiert, oder, wie nun wieder vor dem Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft, nicht nur süffisant grinst, sondern auf die Frage nach seinem Beruf mit „Rechtsanwalt“ antwortet – was vermutlich so viel bedeuten sollte wie: „Mir kann keiner“.
Die Kleinen hängt man
Ganz abgesehen davon, dass eine Finanzbeamtin, die einem Steuerschuldner aus eigener Machtvollkommenheit heraus solche Summen erlässt, nun entweder ein derart prall gefülltes Nummernkonto auf einer Karibik-Insel haben muss, dass sie Disziplinarverfahren und Rauswurf nebst Klage wegen Veruntreuung nicht mehr schrecken können, oder aber mit einem Klammerbeutel gepudert sein muss, gegen dessen Größe selbst die Elbphilharmonie klitzeklein wirkt, lohnt es sich dennoch, bei Scholz ganz genau hinzuhören.
Denn der kleine Pfiffikus aus dem großen Kanzleramt hat sich möglicherweise um Kopf und Kragen geredet, ohne dieses zu merken. Und das wiederum spricht nicht nur dafür, dass man sich von einem Rechtsanwalt Scholz besser nicht vertreten lassen sollte, sondern könnte auch darauf hinweisen, dass dort unter der aufgesetzten Fassade der Unberührbarkeit deutlich mehr brodelt, als Scholz einzugestehen bereit ist.
Ein Satz ohne Rückzugsmöglichkeit
Der in dem Verdacht stehende Bundeskanzler, doch in irgendeiner Weise mit dem faktischen Erlass der Steuerschuld in Verbindung zu stehen, weil er sich um den Zeitpunkt des Steuererlasses mit der Geschäftsführung besagter Bank traf, wobei es ihm schon schwer fiel, sich überhaupt an diese Termine zu erinnern – von den besprochenen Inhalten, die ihm gänzlich entfallen sein wollen, ganz zu schweigen – ließ einen Satz fallen, mit dem er das Generalhaftungsrisiko auf sich nahm. Dieser eine, kurze Satz lautet: „Es hat keine Beeinflussung des Steuerverfahrens durch die Politik gegeben.“
Das bedeutet: Niemand aus der Politik, vom Ersten Bürgermeister über dessen Finanzsenator bis hin zu irgendwelchen SPD-Unterfürsten hat in irgendeiner Weise Einfluss darauf genommen, dass der Warburg-Bank die Millionen geschenkt wurden.
Damit steht nun Scholz nicht mehr nur in der Haftung für sein eigenes Tun – er hat auch allen anderen Politikern, die in irgendeiner Weise in der Hamburger Politik aktiv waren, einen Persilschein ausgestellt. Denn „durch die Politik“ bedeutet: Vom Rathausturm bis zum einfachen Distriktsgenossen, niemand – wörtlich: niemand – darf auch nur in irgendeiner Weise auf diese Steuerangelegenheit eingewirkt haben.
Scholz in der Abhängigkeit von Tschentscher und Kahrs
Sollte gar der Scholz-Nachfolger Peter Tschentscher seiner Mitarbeiterin ins Ohr geflüstert haben, dass sie bei der Verjährung einmal kurz wegschauen möge – oder sollte festgestellt werden, dass besagter Kahrs die Warburg-Spenden auf das Konto seines SPD-Kreisverbandes und des SPD-Landesverbandes sich durch eine Gesprächsanbahnung und mehr verdient hatte – oder sollte gar offenbar werden, dass jene von der Kölner Staatsanwaltschaft in einem Kahrs-Schließfach entdeckten über 200.000 Euro in irgendeinem Zusammenhang mit dem Steuererlass stehen, dann darf Scholz seinen Hut nehmen.
Mit dem Fuß im offenen Fangeisen
Vielleicht wäre sie es noch gewesen, wenn Scholz ein „meines Wissens“ oder ein „soweit mir bekannt“ hinzugefügt hätte. Vielleicht aber wollte er genau eine solche Verwässerung vermeiden, weil er sich bereits ausgemalt hatte, dass dann sofort nachgehakt worden wäre, weil wiederum eine solche Einschränkung ja hätte bedeuten müssen, dass vielleicht doch andere Politiker genau jener in Rede stehenden Beeinflussung schuldig sind. Das Bestreiten durch persönliches Nichtwissen bedeutet schließlich nicht, dass es doch so gewesen sein könnte.
Ein pfiffiger Jurist und gewiefter Politiker hätte deshalb eine solche, klare Aussage um jeden Preis der Welt vermieden. Und so könnte dieser Fauxpas eben auch ein deutliches Zeichen dafür sein, dass der coole Scholz unterhalb seiner Fassade mittlerweile die Contenance verliert. Durchaus nachvollziehbar, wenn eine von Hamburg unabhängige Staatsanwaltschaft in Köln einfach nicht die Finger von der Nummer lassen will – und die große Trommel gerührt wird für ein demnächst erscheinendes Buch des Journalisten Oliver Schröm, in welchem der amtierende Bundeskanzler angeblich der Lüge überführt werden soll.
Da könnte es nun schneller zuschnappen, als es Scholz bislang in den Sinn gekommen ist. Und er selbst kann daran nicht mehr das Geringste ändern.