Seit Beginn des Jahres haben mehr als 45.000 Migranten die Küsten Italiens erreicht. Das ist ein deutlicher Anstieg zu den Vorjahren. 2020, im ersten Jahr nach dem Ausscheiden Matteo Salvinis (Lega) als Innenminister, waren es nur 10.900. Die rechten Oppositionsparteien sehen in der Nachfolgerin Luciana Lamorgese die Verantwortliche für den sprunghaften Anstieg. Die restriktiven Maßnahmen des „Capitano“ setzte die parteilose Politikerin nicht fort.
Sollte der linke Partito Democratico (PD) von Enrico Letta am 25. September die Regierung anführen, dürfte sich daran wenig ändern: in Lettas eigener Amtszeit stieg die Zahl der illegalen Einwanderer, weil man mit der Aktion „Mare Nostrum“ der Seenotrettung Vorrang gegenüber der Einwanderungskontrolle gab. Letta fühlt sich mit dieser Aktion bis heute im Recht. Man hätte dadurch dem Sterben im Mittelmeer einen Riegel vorgeschoben. Einen „pull-Faktor“ sieht er in solchen Aktionen nicht – ob staatlich oder privat. „Das Ausmaß der Verzweiflung, das jemanden dazu bringt, sein Leben zu riskieren und allzu oft zu sterben, um nach Europa zu gelangen, wird unterschätzt“, sagt Letta.
Insbesondere Salvini als Ex-Innenminister sieht in dem Thema neuerlich Wahlkampfmaterial. Rund zehn Prozentpunkte liegt die Lega hinter den Fratelli d’Italia (FdI) von Giorgia Meloni. Doch nach dem Abwärtstrend der letzten Jahre macht die Lega seit kurzer Zeit wieder etwas Boden gut. Umfrageinstitute sehen Salvinis Partei seit zwei Wochen wieder ein bis zwei Prozentpunkte aufholen. Salvinis Besuch auf Lampedusa sollte neuerlich unterstreichen, dass es sich um sein ureigenstes Thema handelt. Nicht nur Salvini selbst, sondern auch viele Wähler des rechten Spektrums könnten sich vorstellen, dass der Mailänder nicht Premier, aber dafür wieder Innenminister wird.
Doch Meloni lässt sich im Umfragehoch die Show nicht stehlen – ob vom linken Gegner oder rechten Mitbewerbern. „Die beste Lösung für das Migrationsproblem besteht darin, die Abwanderung statt die Ankunft zu verhindern“, erklärte sie gegenüber dem Radiosender RTL 102.5. „Viele behaupten, eine Seeblockade könne nicht durchgeführt werden, weil sie einer Kriegshandlung gleichkäme. Warum hat die EU nie versucht, mit Libyen zu verhandeln, um einem Abwanderungsstopp zuzustimmen?“
Melonis Anliegen ist dabei eine Stabilisierung des vom Bürgerkrieg zerrütteten Landes. Europa müsse mit den lokalen Mächten verhandeln, damit Gesetze wieder ihre Wirkung entfalteten. „Der Abfahrtstopp im Einvernehmen mit den nordafrikanischen Behörden ist die einzige Möglichkeit, die Einhaltung der Regeln wiederherzustellen und Todesfälle auf See zu stoppen.“ Die Illegale Masseneinwanderung nütze nur Schleppern und der organisierten Kriminalität.
Die Chefin der FdI, die als künftige Ministerpräsidentin Italiens gehandelt wird, setzte sich zudem für Hotspots und humanitäre Einrichtungen in dem nordafrikanischen Land ein, um den Migrationsfluss in Zukunft besser zu steuern. Sie betonte zudem, dass man endlich damit aufhören solle, in tatsächliche Flüchtlinge und illegale Zuwanderer begrifflich nicht miteinander zu vermengen. Der Account von Fratelli d’Italia hatte schon am 5. August gefordert: Seeblockade, jetzt!