Tichys Einblick
"XY gelöst" und "Akte Ufo"

Das ZDF kämpft mit Toten und Außerirdischen um junge Zuschauer

„XY gelöst“ heißt ein neues Format aus der Aktenzeichen-Reihe, welches das ZDF am Freitag zum ersten Mal zeigt. Es ist der mitunter skurrile Versuch des Zweiten, mehr als nur ein Bällebad für Senioren zu sein.

© ZDF/Saskia Pavek

Der Mittwoch war für das ZDF ein außergewöhnlicher Tag. Nicht weil das Zweite Marktführer bei allen Zuschauern war. Das ist es meistens. Am Mittwoch war das ZDF auch bei den Menschen unter 50 Jahren der am zweithäufigsten gesehene Sender. Und es stellte in dieser Zielgruppe sogar die erfolgreichste Sendung des Tages – mit 820.000 Zuschauern und 19,0 Prozent Marktanteil. Die Rede ist von „Aktenzeichen XY… ungelöst“, dem Erfolgsformat des ZDF neben „Wetten, dass?…“

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An vielen Tagen erreicht das ZDF mit keiner Sendung mehr als 300.000 Zuschauer unter 50 Jahren. Das Programm zielt auf die Marktführerschaft ab. Mit der möchte Intendant Norbert Himmler die Existenz eines zweiten öffentlich-rechtlichen Senders rechtfertigen. Doch immer weniger Menschen schauen überhaupt noch Fernsehen, an den meisten Tagen erreicht keine Sendung 5 Millionen Zuschauer. Vor der Glotze hängen bleiben dann oft die Älteren. Sie erreicht das ZDF: Mit Krimis, Heimatfilmen, Sport-Marathons und endlosen Shows ohne Struktur versammelt das Zweite zwischen 3 und 5 Millionen Menschen vor dem Schirm. Doch gerade bei den Filmen ist nicht mal jeder Zuschauer jünger als 50 Jahre. Die Tendenz geht dahin, dass nur noch jeder 20. Zuschauer nach 1972 geboren wurde. Das ZDF ist ein Bällebad für Senioren – eine Verwahrstation für Anspruchslose.

„Aktenzeichen XY… ungelöst“ gehört zu den wenigen Sendungen, mit denen das ZDF aus dem Bällebad für Senioren ausbricht. Schon nachdem der Sender die Rechte an der Champions League verloren hat, hat das Zweite das Format erweitert um Sondersendungen: zu Trickbetrug, zu vermissten Menschen oder zu bereits aufgeklärten Fällen. Letzteres so erfolgreich, dass die aufgeklärten Fällen nun ein eigenes Format erhalten: „XY gelöst“ läuft an diesem Freitag um 21.15 Uhr zum ersten Mal im Hauptprogramm. Vorerst sind insgesamt vier Teile geplant.

„XY gelöst“ ist ein Kompromiss nach Art des ZDF. Das neue Format lehnt sich an die „True Crime“-Erfolge in der RTL-Familie an. Dort laufen unter anderem die „Medical Detectives“, „Anwälte der Toten“, „Snapped“ oder „First 48“. Die Sendungen geben Einblick in die Ermittlungsarbeit der Polizei. Dieses Element greift das ZDF mit „XY gelöst“ auf, geht aber nicht so tief wie die meist amerikanischen Vorbilder. Mit ausgedehnten Spielszenen verlangsamt das ZDF das Tempo, sodass das eigentliche Kernpublikum nicht verschreckt aus dem Bällebad flüchtet. In den Vorbildern ist ein Moderator überflüssig, der Inhalt wird aus dem Off erklärt. Für seine Zuschauer, die mit Ansagerinnen aufgewachsen sind, hat das ZDF Sven Voss installiert. Die Titelmusik erinnert an die Muttersendung Aktenzeichen.

Der Freitag gehört zu den wenigen Tagen, an denen das ZDF nennenswert junge Zuschauer erreicht. Durch die Satireformate. Doch die sind aktuell in der Sommerpause. Versuche des Senders, die Lücke mit einem Comedy-Festival zu füllen, auf dem Scherze pro Klimaschutz gemacht wurden, endete so absurd, wie das Format klingt. Nun soll „XY gelöst“ die Jungen nach dem Senioren-Beglücker „Der Staatsanwalt“ (20.15 Uhr) zurückholen.

Aktenzeichen XY ungelöst
Das ZDF möchte mit wahren Verbrechen bei den Jüngeren punkten
Um junge Menschen zu erreichen, schreckt das ZDF nicht mal mehr vor Außerirdischen zurück. An manchen Abenden warnt der Spartensender ZDF Info vor dem „Comeback eines Verschwörungs-Stars?“ oder vor „Verschwörungswelten“. An anderen Abenden umgarnt ZDF Info diese Welten mit „Akte UFO“. Der Versuch einer Symbiose aus dem coolen Agent Mulder und öffentlich-rechtlichem Mief.

Die Inszenierung hat was. Zyniker und Kiffer in der Entspannungsphase dürften ihren Spaß damit haben: „Eine Stimme spricht zu ihm“, heißt es aus dem Off. Ein Mann liegt in einer Spielszene auf dem Bett. „Eine plötzliche Lähmung, das findet sich oft in Entführungsberichten“, steigert die Stimme aus dem Off die Spannung. Der Türknauf dreht sich wie von Geisterhand, die Augen des Mannes werden immer größer. Die Stimme aus dem Off wechselt zu einer anderen Story: „Eine der ersten gut dokumentierten Aliens-Entführungen“. Dann erzählt sie etwas von Schlaf-Hypnose.

Genau das ist die Mischung von „Akte Ufo“. Fünf Minuten künstlich gehypter Spannungsaufbau, wirre Sätze, die Mysteriöses andeuten sollen und dann ein nüchterner Satz als Alibi. Das ZDF will zwar Mulder-Publikum gewinnen, aber der Sender der grünen Bergpredigten bleiben. Der Versuch ist peinlich. Genauso gut könnte die junge Frau im Pilcher-Film nach der Hochzeit mit dem richtigen Mann in die Kamera schauen und sagen: „Die Wahrheit ist irgendwo da draußen.“

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