Tichys Einblick
Lauterbach setzt sich durch

7-Punkte-Plan: Die Ampel gibt den Ländern die „Werkzeuge“ für den Corona-Winter in die Hand

Abstandsgebot und Maskenpflicht kommen zurück, auch in Außenbereichen – ein frühes Signal für die erwarteten Demonstrationen im Herbst und Winter. Die Impfung gilt nur noch für drei Monate – wer sich im Juli impfen ließ, ist im Oktober wieder ungeimpft.

IMAGO / photothek

Immer wieder war es ein Anliegen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD): Den Bundesländern müsse ein „Instrumentenkasten“ in die Hand gedrückt werden, um im Angesicht von „katastrophalen“ Entwicklungen im Herbst und Winter auf Corona vorbereitet zu sein. In einem 7-Punkte-Plan, den das Bundesgesundheitsministerium und das Bundesjustizministerium unter Marco Buschmann (FDP) vorgestellt haben, hat sich Lauterbach durchgesetzt. Die Regeln sollen ab dem 1. Oktober gelten.

Auf den ersten Blick gibt der Bund dabei nur wenige Vorgaben. Er legt nur eine Maskenpflicht im Luft- und öffentlichen Fernverkehr sowie eine Masken- und Testpflicht in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und für Beschäftigte im ambulanten Pflegedienst fest. Ausnahmen sind für „frisch geimpfte und frisch genesene“ Personen vorgesehen.

Doch hier deutet sich bereits eine der Hauptänderungen an: Was bedeutet „frisch“? In einem späteren Abschnitt unter den Länderkompetenzen wird dies mit „90 Tagen“ definiert. Heißt: Man sollte sich alle drei Monate entweder anstecken oder impfen lassen, will man der Testnachweispflicht oder Maskenpflicht entgehen. Dass Personen, die sich im Juli bereits zum vierten Mal haben impfen lassen, im Oktober bereits wieder als Ungeimpfte gelten würden, hat Lauterbach dem Bundesbürger bisher nicht erklärt. So sieht das neue Gesundheitswesen unter Lauterbach aus.

Die Ampel delegiert ihre Torturinstrumente an die Länder ab – vielleicht, weil insbesondere Buschmann, der früher als Streiter für ein Ende der Maßnahmen galt, sich aus der Verantwortung stiehlt, wenn die „Landesväter“ diese zum Einsatz bringen.

„Die Länder können weitergehende Regelungen erlassen, um die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems oder der kritischen Infrastruktur zu gewährleisten“, heißt es in der Mitteilung. Doch im Passus steht nicht, welche Richtlinie gilt. Inzidenz? Hospitalisierungszahlen? Man weiß es nicht. Hauptsache: Maßnahmen. Zu ihnen zählt zuvorderst die Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr. Wie „optional“ diese Regelungen sind, zeigt sich daran, dass sie bereits heute noch in einigen Bundesländern nicht aufgehoben wurden.

Auch die Maskenpflicht in öffentlichen Innenräumen kehrt zurück. Aber, Zitat: „Eine zwingende Ausnahme ist bei Freizeit- und Kultureinrichtungen sowie in gastronomischen Einrichtungen und bei der Sportausübung für Personen vorzusehen, die über einen Testnachweis verfügen oder genesen sind (Genesenennachweis; es gilt die bisherige 90-Tage-Frist) oder die vollständig geimpft sind und bei denen die letzte Impfung höchstens drei Monate zurückliegt.“

Ungeimpfte werden also nicht wie im letzten Winter per se gesellschaftlich ausgeschlossen. Sie können sich „raustesten“. Obwohl sich die Impfung und auch Tests mittlerweile als deutlich unzuverlässiger herausgestellt haben, als es der Gesundheitsminister behauptet, bleibt man bei dem Ritual. Wer nicht daran glaubt, muss Maske tragen.

Auch die Verpflichtung zu Tests in Gemeinschaftseinrichtungen und insbesondere Schulen und Kindergärten kehrt zurück – inklusive Maskenpflicht für Schüler ab dem fünften Schuljahr, „wenn dies zur Aufrechterhaltung eines geregelten Präsenz-Unterrichts erforderlich ist“. Buschmann hatte keine Schulschließungen versprochen. Unter welchen Bedingungen dies möglich ist, hat der Justizminister bewusst ausgelassen.

Ein weiterer Bestandteil sind ein Regelkatalog, den die Bundesländer anhand „bestimmter, gesetzlich geregelter Indikatoren“ verhängen können. Welche Indikatoren das sind? Sie werden wohl noch bekannt gegeben werden. Sie lesen sich im Detail wie Verordnungen, die sich vor allem gegen ein mögliches Protestgeschehen im Herbst und Winter richten.

Eine Maskenpflicht kann demnach auch in Außenbereichen verhängt werden, wenn ein Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann. Dies gilt auch für Veranstaltungen in öffentlich zugänglichen Innenräumen. „Die Ausnahmeregelung für genesene, geimpfte oder getestete Personen gilt dann nicht.“ Ebenso kann eine Landesregierung verpflichtende Hygienekonzepte für öffentlich zugängliche Innenräume verlangen, in denen sich mehrere Personen aufhalten. Richtet sich die Bundesregierung noch für Corona-Demonstrationen oder schon für Proteste gegen Blackouts und Versorgungsengpässe ein?

Außerdem sind möglich: die Anordnung eines Mindestabstands im öffentlichen Raum von 1,5 Metern und die Festlegung von Personenobergrenzen für Veranstaltungen in öffentlich zugänglichen Innenräumen.

Deutschland geht unbeirrt seinen Sonderweg voran. Während in Frankreich die Corona-Maßnahmen ihrem absehbaren Ende entgegensehen, und durch einen Wahlsieg von Green-Pass-Kritikerin Giorgia Meloni eine 180-Grad-Wende in Italien bevorsteht, bunkert sich Deutschland ein – im August. Welche Maßnahmen dann im Oktober für den November beschlossen werden könnten, steht auf einem anderen Blatt. In der Verantwortung steht dann nicht nur Lauterbach, der für seinen Panikmodus bekannt ist – sondern auch FDP-Kollege Buschmann, der mal im November davon gesprochen hatte, im März sämtliche Corona-Maßnahmen aufzuheben. Auch vom abgespeckten Versprechen, dass es mit der Maskenpflicht ihr Ende habe, ist nichts mehr übrig.

Stattdessen will das Bundeskabinett neue Maßnahmen möglich machen, während die alten noch in Kraft sind. Für die Bundesbürger, die in Ländern mit besonders impffreudigen Corona-Landesherren leben, wird es ab Oktober besonders brenzlig.

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