Die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi wird wohl im Rahmen ihrer Asien-Reise auch einen Zwischenstopp in Taiwan einlegen. Die US-Demokratin will sich dort mit Regierungsvertretern in der Hauptstadt Taipeh treffen. Pelosis geplanter Besuch hat in den letzten Tagen zu massivem Säbelrasseln auf chinesischer Seite geführt – die Volksrepublik sieht Taiwan als eigenes Territorium und abtrünnige Insel. „Wer mit dem Feuer spielt, wird daran zugrunde gehen. Es ist zu hoffen, dass die USA diesbezüglich klare Augen haben“, zitierten chinesische Medien Präsident Xi Jinping. Und der einflussreiche Ex-Chefpropagandist des Regime-Sprachrohrs „Global Times“, Hu Xijin, rief auf Twitter sogar auf, Pelosis Flugzeug und möglichen US-Begleitschutz abzuschießen. So ein Schritt, die Tötung der Repräsentantenhaus-Sprecherin, laut Gesetz die Nummer zwei in der Nachfolge zur Präsidentschaft, wäre ein Kriegsakt gegen die USA.
Auf Pelosis offiziellem Reiseplan steht der Besuch bisher noch nicht, denkbar ist aber, dass sie auf dem Flug zwischen Singapur und Südkorea einen unangekündigten Halt einlegt, denn Taiwan liegt direkt auf der Reiseroute. Laut Medienberichten wird die Politikerin wohl um 16:30 Uhr deutscher Zeit in Taipeh landen. Dass das chinesische Regime jetzt die Kriegspropaganda so hochfährt, zeigt auch, wie aggressiv es in den letzten Jahren geworden ist.
Zuletzt 1997 besuchte ein Sprecher des Repräsentantenhauses, damals der Republikaner Newt Gingrich, den Inselstaat. Ebenfalls unter Protest aus Peking, aber ohne Abschussdrohungen. Doch auch in den letzten Jahren besuchten andere hochrangige amerikanische Offizielle Taiwan, ohne dass die chinesische Seite eine Kriegsgefahr heraufbeschwörte. Mike Pompeo, ehemaliger Außenminister unter Trump, besuchte die Insel nach seiner Amtszeit, und noch 2020 besuchte Alex Azar als amtierender Gesundheitsminister der Trump-Regierung Taipeh.
Ex-Sprecher Gingrich forderte seine Nachfolgerin nun erst recht auf, es ihm gleichzutun. Er sage es wohl nicht häufig, aber in diesem Fall gelte “Go, Nancy, go!” schrieb Gingrich auf seiner Website. Präsident Bidens Versuche, die Reise zu stoppen, ließen „Amerika nur eingeschüchtert und verängstigt von der Diktatur in Peking erscheinen“. Dies sei „der denkbar schlechteste Ansatz, mit einer Regierung umzugehen, die nur Stärke respektiert – und immer bereit ist, Anzeichen von Schwäche auszunutzen“.
Im schlimmsten Fall könnten Bidens Versuche, vor Peking einzuknicken, das kommunistische Regime sogar auf den Gedanken bringen, dass eine „Mini-Invasion“ etwa einer der kleineren Inseln im südchinesischen Meer, die unter taiwanischer Kontrolle sind, ohne Konsequenzen seitens des US-Militärs bleibt. Passiert das und bleibt es ohne nennenswerten Widerstand aus Washington, würde das die Vorstufe zur Invasion Taiwans in naher Zukunft liefern. Kommt es allerdings zu gar keinem Besuch trotz des öffentlichen Wissens, das ein solcher geplant war, wäre dies ein Rückschritt in der taiwanisch-amerikanischen Beziehung und ein Signal an Peking, dass es das Sagen über Taiwan hat – und ein Anreiz, die Insel endgültig unter chinesische Kontrolle zu bringen.
Alle Augen sind nun also auf Pelosi gerichtet: Traut sie sich, trotz des Drucks aus Peking und dem Weißen Haus, den Besuch in Taiwan abzustatten?