Am Wochenende sind innerhalb weniger Stunden mehr als 1.000 Migranten in Süditalien angekommen. Am Samstag hatten ein Handelsschiff und die Küstenwache 674 Menschen nach Kalabrien gebracht. Am Samstagabend erreichten 522 Personen die Insel Lampedusa. Nach Angaben von NGOs warten hunderte weitere Personen darauf, an Land gehen zu können. Die für 300 Menschen ausgelegte Erstaufnahmeeinrichtung in Lampedusa ist mit derzeit 1.200 Migranten völlig überfordert.
Laut dem italienischen Innenministerium sind in diesem Jahr bereits 34.000 Menschen über die Mittelmeerroute nach Italien gelangt. Seit zwei Jahren ist wieder ein konstanter Anstieg zu beobachten. Im Jahr 2020 waren es noch 10.900 Personen, 2021 schon 25.500. Rund 1.000 Menschen sind seit Jahresbeginn bei der Überfahrt ums Leben gekommen. 2021 haben über 3.000 Menschen bei der gefährlichen Überfahrt das Leben verloren. Zum Vergleich: 2019 waren es im Gesamtjahr 1.300.
Die Zahlen auf der Mittelmeerroute haben sich in den letzten beiden Jahren verdreifacht
Von den Parteien und Medien des politisch konservativen Spektrums wurde das Thema im beginnenden Wahlkampf aufgenommen. Die Tageszeitung Il Giornale machte die geschäftsführende Innenministerin Luciana Lamorgese für die Situation verantwortlich. Sie steht bereits seit ihrem Amtsantritt unter ständigem Beschuss. Als Nachfolgerin des Lega-Chefs Matteo Salvini (2018-2019) war sie bereits im zweiten Kabinett von Premier Giuseppe Conte im Amt und wurde darin zum Unmut des rechten Parteienspektrums auch belassen.
Seit ihrem Amtsantritt habe sich die Migrationsfrage in Italien wieder verschärft, so die Zeitung. Seit 2020 habe sich die Zahl der illegal einreisenden Migranten verdreifacht. Unter den Ankommenden seien mehrheitlich Tunesier (6.209), Ägypter (5.991) und Bengalen (5.860). Anders als bei der Ukraine kämen statt Frauen und Kinder mehrheitlich Männer. Und anders als in der Ukraine bestünde in allen drei Ländern kein Krieg bzw. Kriegsgefahr.
Die meisten kommen aus Tunesien, Ägypten und Bangladesch
Das Blatt warf der Regierung zudem vor, sich kaum noch für die Belange im für Migrationsfragen strategisch wichtigen Libyen zu interessieren. Rom habe Libyen gewissermaßen „allein gelassen“. „Kein Minister leistet mehr seinen Besuch ab und die [libysche] Küstenwache benutzt veraltete italienische Modelle“, zitiert die Zeitung eine Stimme aus Tripolis. Stattdessen würde die Türkei die Lage im Land bestimmen. Wegen der unübersichtlichen Lage vor Ort nähmen die Überfahrten wieder zu.
Ex-Innenminister Salvini kündigte seinen Besuch auf der Insel Lampedusa für den 4. und 5. August an. Man habe ihn dazu eingeladen. Er habe sich mit dem Vize-Bürgermeister über den bevorstehenden „Kollaps“ angesichts der überfüllten Migrantenlager besprochen. Der „künftige Innenminister“ werde die Ankünfte wieder aufhalten, so wie es die Lega früher gemacht habe, sagte Salvini auf Twitter. Angesichts des Umfragehochs der „Fratelli d’Italia“ könnte es sein, dass Salvini unter einer Ministerpräsidentin Giorgia Meloni wieder in seinen alten Posten zurückkehrt, sollte seine Partei die Konkurrentin nicht im Wahlkampf aufholen.