Tichys Einblick
Gescheitertes Klimapaket

Biden ist angezählt

In den USA endet die Energiewende, bevor sie angefangen hat. Nach dem Scheitern des „Build Back Better“-Plans ist von der Biden-Administration nichts mehr zu erwarten – nach den Mid-Terms dürften die Republikaner jeden großen Wurf verhindern.

IMAGO / MediaPunch

In wie kurzer Zeit kann sich eine amerikanische Präsidentschaft als Desaster entpuppen? Die Regierung von US-Präsident Joe Biden dürfte zumindest in diesen Belangen einen Rekord aufstellen. Hatten sinkende Umfragewerte, eine außenpolitisch kaum agierende Administration und eine zuvorderst mit innenpolitischen Orchideenthemen hantierende Exekutive schon im ersten Jahr Biden entzaubert, so markierte spätestens der Rückzug aus Afghanistan die eigentliche „Zeitwende“ jüngerer US-Geschichte.

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Die Bilder eines überforderten und scheiternden Westens deuteten Moskau und Peking als Niedergang westlicher Dominanz. Freilich hatte schon Donald Trump den Abzug beschlossen; doch dessen desaströse Abwicklung unter Biden dürfte nicht zuletzt auch im Kreml die Idee genährt haben, sich in der Ukraine aggressiver zu gerieren als unter einem Wiedergänger Ronald Reagans. Bidens Worte einer „minor incursion“ bezüglich einer möglichen russischen Intervention in Osteuropa konnten als Einladung gelesen werden. Russlands „spezielle militärische Operation“ ist damit eine bitterböse historische Hommage.
Die USA werden ihre Klimaziele auch unter den Demokraten nicht erfüllen

Doch auch gesellschaftspolitisch kann sich die Biden-Regierung trotz Transperson im Gesundheitsministerium und der vorbehaltlosen Feier woker Diversität nicht vor der Realität verstecken. Mit dem Fall von „Roe v. Wade“ hat sich herausgestellt, dass die Trump-Regierung kein Irrlicht war, das schnell erstickt wurde. Mit der Benennung der Bundesrichter hat Trump sein eigenes Erbe hinterlassen, das dem linken Establishment noch lange zu schaffen machen dürfte. Der Fall eines vermeintlichen Abtreibungsrechts auf Bundesebene hat einen kulturellen Schock bei den Linken ausgelöst. Ausgerechnet unter Biden.

Die Verkettung der Katastrophen hat nun einen neuen Kulminationspunkt erreicht. Seit Regierungsbeginn stellten Biden und sein Team einen neuen „Deal“ in Aussicht, der in seiner Größe und seiner historischen Tragweite an den legendären „New Deal“ der Roosevelt-Ära anknüpfen sollte. Dass unter Wirtschaftsexperten und Historikern mittlerweile angezweifelt wird, wie erfolgreich dieses Regierungsprogramm war, schreckte die Protagonisten nicht vor dem Pathos zurück, in dessen Fußstapfen treten zu wollen.

Das als „Build Back Better“-Initiative benannte Projekt hatte Biden bei seiner Antrittsrede umrissen: mehr Klimaschutz, mehr erneuerbare Energien, mehr Geld für Soziales und die Umstellung auf Energieeffizienz, Öko-Landwirtschaft und CO2-Einsparung. Der erste Teil des Pakets, der die Wirtschaft nach der Corona-Krise passieren sollte, wurde verabschiedet. Doch bei den eigentlichen Kernthemen, die den Demokraten am Herzen lagen, trafen sie auf Widerstand – auch in den eigenen Reihen.

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Von den anberaumten 2 Billionen Dollar für das amerikanische Pendant des europäischen „Green Deal“ lagen am Ende nur noch 350 Milliarden auf dem Tisch. Aufgrund der 50:50 Zusammensetzung des Senats aus Republikanern und Demokraten, bei der nur die Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris den Ausschlag gibt, kommt es auf jeden Mandatsträger an. In diesem Fall blockierte der als zentristisch bis konservativ geltende Demokrat Joe Manchin aus West Virginia. Nach langen Verhandlungen – schon im Dezember stand das Programm auf der Kippe – hat Manchin nun eindeutig gesagt, dass er das Programm nicht absegnen werde.
Die EU und Deutschland stehen ohne Flankenschutz beim Klimaschutz da

Bidens Demokraten versuchen in einem letzten Gefecht, wenigstens die Wirtschafts-, Steuererhöhungs- und Infrastrukturprojekte zu retten, um einen Teil des Pakets durch den Senat zu drücken. Doch das kann nicht über das kolossale Scheitern eines Projekts hinwegtäuschen, das nichts weniger versuchte, als eine US-Version der Energiewende einzuleiten. Die USA bleiben eine Industrienation, die weiterhin große Mengen CO2 in die Luft bläst. Die anberaumte neue Vorzeigerolle im Öko- und Klimabereich hat sich erledigt. Die Vereinigten Staaten werden auch unter einer demokratischen Regierung ihre Klimaversprechen nicht einlösen können.

Deutschland und die EU erhalten damit keinen US-Flankenschutz in der Klimapolitik mehr. International dürfte dies für zusätzlichen Druck auf die Klimabewegung sorgen – denn wenn die größte Volkswirtschaft des Westens nicht in der Lage ist, die Klimaziele einzuhalten, warum sollten es dann andere Länder tun? Und warum ausgerechnet die Entwicklungsländer oder der große chinesische Herausforderer? In Brüssel dürfte man zudem mit Unbehagen sehen, dass das Gegenstück zu den eigenen Reformen in der Schublade bleibt – eine Ansage für den transatlantischen Wettbewerb.

Zugleich dürfte man insbesondere in der Volksrepublik China das Scheitern beobachten; nicht nur aus Aspekten des Klimaschutzes und der Drosselung der eigenen Wirtschaft durch CO2-Reduzierungen heraus. Die USA hatten nicht nur national, sondern auch international einen BBB-Plan vorgeschlagen. „Build Back Better World“ war eine von der G7 beschlossene Gegeninitiative zum bisher erfolgreichen chinesischen Projekt „Belt and Road“, das in Deutschland häufig unter dem Label einer „Neuen Seidenstraße“ firmiert. Die roten Mandarine werden sich zu Recht fragen, wie ernst es dem Westen mit dem Projekt ist, wenn der mächtigste Staat nicht in der Lage ist, daheim klare Verhältnisse zu schaffen.

In Peking dürfte man nun auch den weltweiten „BBB-Plan“ als Papiertiger sehen

Belohnungen für „bestätigte Sichtungen“
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Bezeichnend ist auch der „Brutus“, der Bidens Projekt den Todesstoß versetzte. Joe Manchin, der ehemalige Gouverneur und heutige Senator von West Virginia, ist zu einer Hassfigur nationaler wie internationaler Medien aufgestiegen. Schon in der Vergangenheit gehörte er zu den demokratischen Vertretern, die je nach Lage auch mit Republikanern zusammenarbeiten. Manchin kommt nicht nur aus West Virginia, sondern verdient mit seinem Unternehmen Enersystems auch selbst Millionen an der Kohleverstromung. Er gilt damit nicht nur als Vertreter der „fossilen Lobby“, sondern ist ein Teil von ihr.

Dabei repräsentiert der „andere Joe“ genau das, was die Demokraten einst einmal waren. Er wuchs in einer Bergarbeiterstadt auf. Als Italo-Amerikaner und Katholik zählt er zu einem Milieu, das früher zur Stammklientel der Demokratischen Partei gehörte, als diese noch für die kleinen Leute und soziale Sicherheit standen. Manchins Position: Milliarden Dollar an Staatsausgaben und Subventionen kommen angesichts der unkontrollierten Inflation nicht infrage.

Anders als die Ostküstenelite bedient Manchin nicht nur Lobby-Interessen. Er weiß um das Schicksal seines Bundesstaates, sollte die Kohleverstromung zum Paria der Energieerzeugung werden. Manchin, der sich gegen Abtreibung und gegen Massenmigration engagiert, bildet die konservative Grundhaltung seiner Heimat ab. Seit der US-Wahl 2000 hat kein demokratischer Präsidentschaftskandidat mehr Wahlstimmen in West Virginia errungen, während Manchin im selben Zeitraum Gouverneurs- und Senatorenwahlen gewann. Den Ideologen steht ein Pragmatiker im Weg.

Die Tschernenko-Gestalt Biden schaut zu, während die USA und die Welt in der Krise stecken

Manchin ist damit auch eine Nemesis. Anders als der Großteil seiner Partei weiß Manchin, wie er Wahlen gewinnt. Die Demokraten sehen dagegen bei den Halbzeitwahlen – nach jetzigem Stand – einer grandiosen Schlappe entgegen.

Die Biden-Administration setzte auf BBB als großes Vermächtnis der Regierung, an das auch Nachfolger gebunden sein würden. Nun ist absehbar: Von Biden wird nichts weiter übrig bleiben als das Bild einer gelähmten Regierung aus Tagträumern und gefährlichen Ideologen, die nicht einmal ihre eigenen Projekte umsetzen konnten. Mit einem republikanisch dominierten Parlament ist Biden bereits jetzt zur Lame Duck degradiert worden. Politisch ist er angezählt: Denn von dieser Regierung ist auch für die eigenen Wähler nichts mehr zu erwarten. Angesichts weltweiter Krisenerscheinungen und eines vom Status der Supermacht zur Großmacht degradierten Riesen erscheint Biden wie eine Tschernenko-Gestalt.

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