Einen Hauptvorwurf gab es noch vor einem Jahr gegen die FDP. Neben Christian Lindner stehe in der Öffentlichkeit niemand für die liberale Partei. Diese sei eine One-Man-Show. Das hat sich geändert. Wenn Lindner nicht gerade Hochzeit auf Sylt feiert, ist Justizminister Marco Buschmann häufiger im Fernsehen zu sehen. Vor allem in Talkshows. Der Jurist schwimmt im Sog einer Medienfigur: des Gesundheitsministers. „Marco Buschmann ist der Gegenspieler von Karl Lauterbach“, schreibt etwa die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ), die ihn nun interviewt hat.
Das Reden. Das mutige ebenso wie das offensive oder das selbstbewusste. Das ist nicht Buschmanns Stärke. Doch im Zurückrudern ist der FDP-Mann so stark, dass sich Oxford und Cambridge um ihn prügeln würden. In der Auseinandersetzung mit roten Zeitungen und grünen Staatssendern will Buschmann geliebt werden und ist daher ständig am Nachgeben. Er ist schon froh, wenn er vom Kuchen die Krümel bekommt. An Positionen festzuhalten, für die die FDP gewählt wurde, ist sein Ding ebenso wenig wie die freie Rede.
So schenkt Buschmann inhaltlich der SPD nahen WAZ den Satz: „Deswegen wird eine Form der Maskenpflicht in Innenräumen in unserem Konzept sicher eine Rolle spielen.“ Das ist Buschmann-Deutsch für: Die Maskenpflicht kommt, komme, was da wolle. Es sei „unstreitig“, dass die Masken wirkten. „Wir“ arbeiteten ja jetzt schon mit Masken in Bussen und Bahn. Es sei ihm wichtig, Daten dazu zu bekommen, und es sei ein schweres Versäumnis der Vorgängerregierung, dass diese Daten fehlten. Warum die Maske unstreitig sei, wenn Daten fehlten? Diese Nachfrage stellt die WAZ nicht. Sie hat den Kuchen und schmäht nicht auch noch den, der leer ausgegangen ist.
Immerhin kann Buschmann der WAZ einen liberalen Erfolg verkünden: Es werde keinen Lockdown mehr geben, keine Ausgangssperren und keine allgemeinen Schulschließungen. Diese seien „unangemessen im dritten Jahr der Pandemie“. Zu den anderen Punkten sei er noch in den Verhandlungen mit Lauterbach. Die sollten vertraulich stattfinden und zu einer guten Lösung führen. Hört sich nach einer guten liberalen Lösung an. Und dass die WAZ nicht nachfragt, ob es sich bei den offenen Punkten um die G-Regeln handelt, ist nicht Buschmanns, sondern journalistisches Versagen.
Buschmann-Deutsch in Klartext übersetzt: Es ist nicht wichtig, ob die einrichtungsbezogene „Impfpflicht“ hilft. Es ist egal, dass sie sogar schadet, weil sie den Fachkräftemangel verstärkt. Wichtig ist ihm nur, dass es ja viele wollten. Wird die Strömung zu stark, schwimmt der FDP-Funktionär einfach mit. Etwas Schädliches und Unsinniges abschaffen? Buschmann macht es sich leicht und will es auslaufen lassen. Ihm doch egal, wenn Pfleger in der Zwischenzeit den Job wechseln. Ihm doch egal, wenn Menschen vom Staat belangt werden, die ihr Leben der Hilfe Schwacher gewidmet haben. Das Kind wartet auf den Kuchen, der übrig bleibt. Und nicht mal die Aussage, dass die FDP die einrichtungsbezogene „Impfpflicht“ auslaufen lässt, kommt ihm deutlich über die Lippen. Die WAZ hakt in diesem Punkt auch nicht nach.
Ohnehin stellt Buschmann all seinen Aussagen voraus, sie seien „auf der Basis des Wissens von heute – und nur mit der können wir arbeiten“. Die FDP als Partei des Garantie-Vorbehalts. So bleibt denn das ganze Interview ein Buschmann: verschämt und unverständlich in der eigenen Position. Deutlich im Nachgeben. Und als „Gegenspieler von Karl Lauterbach“ grenzenlos überfordert. Unterm Strich bereitet das Interview die Wähler auf eine Enttäuschung vor, die FDP wegen ihrer Kritik an der Corona-Politik gewählt haben: Die FDP wird einknicken.