In der vergangenen Woche wählte eine Bundestagsmehrheit die Publizistin und politische Aktivistin Ferda Ataman mit 376 von 671 Stimmen zur neuen Antidiskriminierungsbeauftragten – trotz des Protestes auch vieler Migranten und trotz schwerer Bedenken vor allem in der FDP-Bundestagsfraktion. Ataman hatte 2020 unterstellt, wenn wegen Corona Beatmungsgeräte in Krankenhäusern knapp würden, drohe eine Benachteiligung von Migranten. Sie verteidigte ausdrücklich die Bezeichnung „Kartoffeln“ für Deutsche ohne Migrationsbiografie und verwendete auch mehrmals den aus der NS-Zeit stammenden Terminus „Blutsdeutsche“.
Die Bewerberin für den Posten der Antidiskriminierungsbeauftragten hatte sich in der Vergangenheit also einer ausdrücklich diskriminierenden Sprache bedient. Atamans Vorteil: Sie trat als einzige Kandidatin auf Vorschlag der grünen Familienministerin Lisa Paus an. Und die FDP wollte, wie ihr Abgeordneter Wolfgang Kubicki es sagte, die Koalition wegen Ataman nicht gefährden.
In ihrer Bewerbung hatte Dornheim beispielsweise ihre Tätigkeit bei einem Münchner Beratungsunternehmen mit 6 Jahren angegeben, aber nicht erwähnt, dass sie dort auch in Teilzeit arbeitete – was die Berufstätigkeit dort auf insgesamt nur 3 Jahre reduzierte. Aus ihrer Vita ging auch nicht hervor, ob und wo sie schon einmal ein größeres IT-Projekt verwirklicht hatte. Außerdem bewarb sich auf die Position auch ein sehr viel qualifizierterer Kandidat aus der Wirtschaft. Darin besteht das größte Problem von Dornheim und ihrer Unterstützer.
Bis 2020 galt auch in Berlin für den Chefposten der Antidiskriminierungsstelle formal noch das Prinzip der Bestenauslese – also eine Bewerberrunde mit Beurteilung der Qualifikation und der Möglichkeit eines unterlegenen Bewerbers, die Entscheidung vor Gericht überprüfen zu lassen.
Statt aus dem Urteil zu lernen und sich in Zukunft besser an die Vorschriften einer regulären Bewerbung zu halten, schafften die zuständigen Politiker das Verfahren per Gesetzesänderung kurzerhand ab. Statt durch Bewerbung und Bestenauslese, so die Neuregelung durch die Ampel vom April 2022, sollte der oder die Beauftragte in Zukunft durch politischen Vorschlag und Wahl ins Amt kommen – und damit konkurrenzlos. Zwar hätte die Union einen Gegenkandidaten aufbieten können – etwa den Psychologen und Publizisten Ahmad Mansour. Er wäre zweifellos der weitaus bessere Kandidat gewesen. Allerdings lässt sich schwer jemand dazu überreden, sich einer Wahl zu stellen, die er absehbar verliert.
Genau dieser seltene Fall ereignet sich jetzt in München bei der Entscheidung über den Posten des städtischen IT-Referenten wider Erwarten doch. Bei dem aktuellen Besetzungsverfahren handelt es um eine Mischung aus Bewerberrunde und politischer Entscheidung: Mehrere Kandidaten durften sich den Stadtverordneten vorstellen. Und dabei schnitt Dornheim am schlechtesten ab, auch, aber nicht nur wegen der Ungereimtheiten in ihrem Lebenslauf. Als Bewerber mit der besten Qualifikation stellte sich in den Augen vieler Abgeordneter der frühere Siemens-CIO Harald Hoefler heraus, der die IT des Weltkonzerns neu organisierte und Erfahrungen mit der Verwaltung großer Budgets besitzt. Hoefler, seit 1989 bei Siemens, war zuletzt als sogenannter Regionen-CIO für die Zusammenführung der IT des Weltkonzerns an verschiedenen internationalen Standorten zuständig.
Die Rathausfraktion von CSU und Freien Wählern konnte Hoefler dazu überreden, am 27. Juli als Alternativkandidat zu Dornheim anzutreten. Obwohl seine Chancen schlecht stehen, müssen sich die Abgeordneten – anders als bei Ataman – zwischen zwei Möglichkeiten entscheiden.
Genau das will Oberbürgermeister Reiter offenbar ändern. Er kündigte einen Vorstoß beim Freistaat an, um die Gemeindeordnung zu ändern und Referentenposten für die Zukunft als rein politische Ämter zu definieren – nach dem Muster der Antidiskriminierungsbeauftragten. Das würde auch für die städtischen Referentenposten heißen: Formale Bewerberrunden fielen weg, der politisch ohnehin favorisierte Kandidat müsste sich auch nicht mehr dem Vergleich mit anderen stellen.
Und die Wahl findet höchstwahrscheinlich ohne Auswahl statt.