Hollywood-Filme wurden über die sogenannte Finanzkrise gedreht, Millionen von Artikeln und Analysen publiziert, Bücher geschrieben. Zu verlockend sind allein schon die Fakten, das Gemisch aus Gier, Größenwahn, Sucht, Intrigen und unappetitlichen Mesalliancen zwischen Politik und Finanzoligarchie, um sie nicht zu verwerten. Das Meisterstück, das den Repräsentanten des Volkes gelang, noch während sie sich in Unterwäsche und Socken aus den zerwühlten Laken der Betten wälzten, in denen sie mit ihren Financiers gelegen hatten, sucht seinesgleichen. In vorschriftsmässigem Schock mit Landesmutterblick und schon wieder strotzend vor neuentdeckten Loyalitäten, verkündeten sie via Mikrofone und Kameras: „Alle Schuld den Banksters! Wir sind die Guten, opfern uns selbst, unsere ganze Zeit und ein wenig eures Geldes, um die Karre aus dem Dreck zu wuchten. Dank uns habt ihr Zukunft.“ Und sie haben es geschafft: Man glaubte ihnen. Und zum dritten Mal seit Ende der 80er Jahre, als die Blasenfinanzierungen ihren Anfang nahmen, konnte ein schwerer Markteinbruch bereinigt werden.
Wer nun aber denkt, die Finanzkrise sei abgehakt, es sei jetzt genug darüber gefaselt worden oder sie gehe ihn schlicht nichts an, der lebt so gefährlich an der Weltoberfläche, dass er jeden Augenblick hinunter- und ins Leere stürzen kann. Buchstäblich. Die Intervention der Politik via Zentralbanken zur „Rettung“ des Finanzsystems hatte und hat nämlich nur eines zur Folge: die neue Blase ist noch grösser, als jene, die uns vor acht Jahren um die Ohren flog. Die im Chor vorgetragenen Versprechen, das Investmentbanking der großen Geldhäuser würde nun ohne Pardon an die Kandare gelegt, der Derivatehandel via Clearing-Stellen brutal ausgebremst und die Banken mittels rituell zelebrierter Stresstests krisenresistent gemacht, sind genau das: Versprechen von Politikern, die, so ist anzunehmen, noch heute über den Coup lachen. Morgen fragt keiner mehr danach. Außerdem haben wir systemgefährdende Steuerhinterzieher, die es zu hassen und zu verfolgen gilt. Es lebe das Feindbild.
Haltet den Dieb, sagt die Politik und stiehlt weiter
Wer trotzdem danach fragt, stößt im schlecht beleuchteten Keller der großen Banken schon auf der untersten Treppenstufe auf ein Detonationspotential, wie es dies noch nie gegeben hat. Nie. Es ist grauenvoll, die Risiken sind gigantisch. Die führenden Banken sind heute größer als vor der Krise, während ihre Aktien zwischen 67 (Crédrit Agricole) und 99 (Bankia / Intesa) Prozent an Wert verloren haben. Die Deutsche Bank und die Schweizer Crédit Suisse liegen mit zirka 86 und 77 Prozent Wertverlust im Mittelfeld. Das Zauberwort auf der Lunte ist damals wie heute dasselbe: Derivate.
Man braucht kein Spezialist zu sein, um zu verstehen, was Derivate sind. Es reicht vollkommen, wenn man weß, dass es sich dabei salopp gesagt um Wettscheine handelt, die eine Bank ausgibt. Wettscheine auf die künftige Preisentwicklung von Werten, die sie in ihren Büchern hat. Also Aktien, Anleihen, Rohstoffe, Kredite, etc.. Die Bank ist dabei der Buchmacher. Ein paar Zahlen zeigen auf, wo wir heute stehen.
Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), auch die Zentralbank der Zentralbanken genannt, schätzt das Welt-Bruttoinlandprodukt, also den Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die im Lauf eines Jahres in allen Volkswirtschaften der Welt hergestellt werden (nach Abzug der Vorleistungen) auf 63 Billionen Dollar. Das deutsche BIP beträgt rund 3 Billionen. Für die Schweiz sind es 0.685 Billionen oder 685 Milliarden. Demgegenüber stehen laufende „Wetten“ der großen Geldhäuser, die diese Zahlen als Klacks erscheinen lassen. Vor der Krise hatte die Credit Suisse Derivate im Wert von rund 40 Billionen Dollar in den Büchern stehen. Heute sind es um die 60 Billionen. Die Deutsche Bank hat heute ungefähr ein Exposure gegenüber Derivaten von 70 Billionen. Oder anders gesagt: Sie wettet mit mindestens 47 Mal mehr Geld, als sie effektiv hat. Als Lehman Brothers 2008 in die Pleite geschickte wurde, hatte sie Wetten im Markt, die das Geld, das sie besaß, um das 35fache überstiegen. Vor der Krise wurde das weltweite Derivatevolumen auf rund 513 Billionen geschätzt. Heute liegen die Schätzungen zwischen 700 und 1.500 Billionen. Schätzungen deshalb, weil 20 bis 30 Prozent des Derivatehandels außerbörslich stattfindet (auch das nur eine Schätzung) und weil die Komplexität dieser Babuschka-Wetten ihr wahres Ausmaß heute mehr verschleiert als je zuvor. Von ihrer Bewertung ganz zu schweigen. Das einzige was sicher ist: Die Derivatebestände wachsen weiter. Täglich. Und es reicht ein Verlust von zwei, drei Prozentpunkten, um eine Bank oder gleich mehrere hochgehen zu lassen. Wenn diese „Kiste“ in die Luft geht, wird nur ein Krieg den Krach übertönen können. Wird er längst vorbereitet?
Casino-Korporatismus
Es ist nicht das Versagen des Kapitalismus. Denn: Es ist nicht Kapitalismus. Es ist Casino-Korporatismus. Betreiberin der Spielhölle ist die Politk. Banken sind lediglich die Croupiers. Und hier wie im echten Casino gilt: Die Bank gewinnt immer. Solange, bis das Casino pleite ist. Es ist die Politik, auf deren Geheiss das Spiel hochgradig manipuliert wird, damit sie überhaupt weitermachen kann. Unsere „Volksvertreter“ sind es, die die Karten zinken, um an die Kohle ranzukommen, die ein freier Markt, echter Kapitalismus ihnen längst verweigern würde. Die astronomischen Gewinne, die die Banken teilweise wieder einfahren, sind nicht natürlichem Wohl und Wehe der Märkte, individuellen Fähigkeiten oder einem Quantum Glück geschuldet. Unsere Politiker haben den Banken via Zentralbanken ihr Kreditfenster sperrangelweit geöffnet. Das ganze vor dem Hintergrund quasi abgeschaffter Zinsen. In Wahrheit wird hier zugunsten von Bordsteinpolitikern und freienden Banken ein Krieg gegen Sparer und Geldbesitzer, mithin gegen die Bürger geführt, der infolge Kapitalflucht die Austrocknung und Zerstörung unserer Kapitalmärkte bedeuten kann. Es ist ein Krieg zum Machterhalt der regierenden Cliquen und gegen die eigenen Leute.
Das ganze vor dem Hintergrund staatlicher Schuldenberge, die einem schon mal die Luft nehmen können. Für Deutschland sind dies in Prozenten des BIP und einschließlich staatlicher und privater Schulden sowie nicht gedeckten Verpflichtungen aus Pensions-, Renten- und Sozialleistungen 676 Prozent des BIP, für Griecheland 1.196 Prozent, für Frankreich 923 Prozent und für Italien 699 Prozent. Oder anders gesagt: Wir sind erstens Pleite und die Politik hat zweitens ihr Pulver zur „Bewältigung“ einer weitern Krise verschossen. Tausende von Menschen gehen in Europa täglich in Rente. Was passiert im Fall, dass deren Anlagegelder vernichtet werden, mag man sich gar nicht vorstellen. Von all den Transferleistungsbezügern – den heimischen und den gerade zuziehenden – ganz zu schweigen. Indes: die Frage ist nicht, ob es knallen wird, sondern nur wann. Ein Leser des Credit Suisse-Jahresberichts hat es bei „Inside Paradeplatz“ auf den Punkt gebracht: „How THE FUCK is this legal? THIS. WON’T. END. WELL.“.
Kaufen Sie Gold. Nein – sagen Sie jetzt nicht, sie hätten kein Geld, das sei nur was für die „Reichen“. Kaufen Sie eine Münze. Auch wenn Sie sich diese über 12 Monate in Raten vom Mund absparen müssen. Kaufen Sie sie, legen Sie sie ganz hinten in eine Schublade und vergessen Sie sie. Denn es ist sehr gut möglich, dass der Wert des Goldes beim Versuch, das System um jeden Preis zu retten, auf einen Fünftel seines aktuellen Werts einbricht. Ignorieren sie es. Aber, sofern es eintritt, wird auch das nur eine Phase sein und es wird der Tag kommen, an dem sie sich gerne an die Münze in der Schublade erinnern werden. Sie kann Ihnen oder Ihren Kindern dann, wenn das auf dem Schuldenvulkan tanzende Finanzsystem in Illiquidität verdampft sein wird, den Start in ein neues Leben ermöglichen. Sie wird nicht in erster Linie Wert, sondern Zukunft bedeuten. Und das wird mehr sein, als die Mehrheit der Menschen von sich wird sagen können. Deren Zukunft ist schon heute zu Ende. Mit ihren Geldscheinen können Sie dann Drachen basteln und sie fliegen lassen. Einer hat mal gesagt, am Ende einer Zivilisation stünden immer eine ausufernde Bürokratie, Korruption, Korporatismus und totale Geldentwertung. Am Anfang einer Zivilisation stünde Gold. Er hat noch immer recht.
Frank Jordan studierte Betriebswirtschaft. Weiterbildung in Öffentlichkeitsarbeit und Print-Journalismus. Daneben arbeitete er als Kellner in einem Schweizer Skiort, als Gärtner und Haussitter in Frankreich, als Rezeptionist in einem namhaften Pariser Hotel sowie als Maler. Zuletzt war er als freischaffender Kommunikations- und Mediaberater in der Schweiz tätig. Heute lebt Frank Jordan als Teilzeit-Selbstversorger in Frankreich.