In der Nähe des serbisch-ungarischen Grenzorts Subotica kommen Menschen zu Tode. Sie verfangen sich jedoch nicht in einem Grenzzaun und werden auch nicht von Grenzschützern angeschossen. Nein, die Migranten selbst und ihre Schlepper liefern sich untereinander Schießereien, wie nun Radio Free Europe mit Verweis auf das serbische Fernsehen berichtet. Am Samstag kam so ein Mann ums Leben, sechs Menschen wurden schwer verletzt. Die Opfer, angeblich Afghanen und Pakistaner zwischen 20 und 30 Jahren, waren nicht im Besitz von Ausweispapieren.
Ungarn beklagt einen massiv wachsenden Druck auf seine Grenzen, und zwar sowohl im Süden als auch im Osten. Im Grenzort Subotica traf Außenminister Péter Szijjártó seinen serbischen Amtskollegen Nikola Selaković, um die Lage zu besprechen. Szijjártó stellte fest, dass der Migrationsdruck auf Ungarn eine neue Bedrohungsstufe erreicht habe. Die Migranten würden aggressiver und gewalttätiger und benutzten immer mehr Waffen. Allein in diesem Jahr sei es zu 230 Übergriffen von Migranten und Schleppern gegen die ungarischen Grenzbeamten gekommen.
Orbán will neue Grenzschutz-Einheit gründen
„Versuche von Migranten, die Grenze mit Gewalt zu durchbrechen, körperliche Angriffe gegen Grenzbeamten und Beschädigungen am Grenzzaun sind zu alltäglichen Geschehnissen geworden“, sagte Bakondi laut der Website Daily News Hungary. Seine Erklärung: Noch immer landen viele Migranten an den Küsten Italiens und Griechenlands, um ihren Weg dann auf verschiedenen Routen fortzusetzen. In Ungarn kommen demnach vor allem Migranten aus Syrien, Afghanistan, Pakistan und neuerdings auch aus Indien an, daneben auch Afrikaner.
Laut UNHCR sind allein im April und Mai 13.000 Migranten nach Serbien eingereist. Als vorausgehende Transitländer gelten Griechenland und Bulgarien. Ende Mai waren aber nur gut 5.000 Migranten in Serbien aufhältig, eine Zahl, die weitgehend konstant zu bleiben scheint. Tausende müssen das Land also in dieser Zeit wieder verlassen haben. Regierungsberater Bakondi sieht jedenfalls keine Anzeichen für eine Verringerung des Migrationsdrucks in den kommenden Monaten. Entschiedenes Handeln sei nun gefragt.
Diese letzte Bemerkung dürfte ein Echo der Entscheidung Viktor Orbáns sein, der den Grenzschutz nach 15 Jahren erneut als selbständige Abteilung in der ungarischen Polizei neugründen will. Das könnte eine reine Frage der Organisationsform sein. Aber dem Anschein nach geht es auch um die gesteigerte Belastung der Grenzpolizisten, die „wieder zu ihren Familien“ zurückkehren sollen, so Orbán.
Frontex berichtete Anfang Juni ebenfalls von einer starken Zunahme, beinahe einer Verdreifachung der illegalen Einreisen über den Westbalkan. Zu diesem Bereich zählen außerdem die kroatischen Grenzen zu Bosnien und Serbien und die serbisch-rumänische Grenze. An diesen Außengrenzen berichtete Frontex von 40.000 illegalen Einreisen in den Schengenraum von Januar bis Mai 2022. Wenn die ungarische Zahl von 110.000 Zurückweisungen stimmt, lässt sich also sagen: Es ist den ungarischen Grenzpolizisten zu verdanken, dass es nicht zu 150.000 illegalen Einreisen kam.
Außenminister Szijjártó: Migranten nicht zur Grenzverletzung ermutigen
Andere Migranten – vor allem die aus Nahost und Nordafrika – sieht Ungarn als illegal Einreisende an, da sie „mindestens sechs, sieben, acht oder mehr sichere Länder“ durchreist haben, so Szijjártó gegenüber dem US-Nachrichtensender CNN. „Sie haben kein Recht, die Grenze zwischen Serbien und Ungarn zu verletzen“, sagte der Ungar einer skeptischen Christine Amanpour von CNN. Zudem verhielten sich die Migranten an der EU-Außengrenze immer aggressiver – im Gegensatz zu den ukrainischen Flüchtlingen.
Weil es von sicheren Staaten umgeben ist, lässt Ungarn Asylanträge nur an zwei Botschaften im Ausland, nicht aber an den Landesgrenzen zu. Die EU-Kommission hat das Land deshalb mehrfach beim Europäischen Gerichtshof verklagt. Doch auch Szijjártó kritisierte die EU-Kommission und ihre vermeintlichen Verbündeten scharf: „Wir fordern Brüssel und die Soros-NGOs auf, Migranten nicht zu ermutigen, sie nicht zu Verbrechen anzustiften und sie nicht dazu zu bewegen, die Souveränität von Ländern wie Serbien oder Ungarn zu verletzen.“
Die Fast-Verdreifachung der Zahlen ist im Übrigen auch weiter westlich zu verzeichnen, wie die NZZ bemerkt. In Österreich wurden in diesem Jahr bis einschließlich Mai bereits 22.000 Asylanträge gestellt. Das sind zweieinhalb mal so viele wie im Vorjahr. In Deutschland wurden von Januar bis Juni 2022 laut BAMF knapp 85.000 Erstanträge auf Asyl gestellt. Auch in diese Zahl sind sicher viele der Balkanrouten-Migranten eingegangen.