EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat offenbar und damit zum wiederholten Mal Chatverläufe zwischen ihr und dem Pfizer-Chef Albert Bourla gelöscht. Das geht aus einer Antwort ihrer Behörde auf den Vorwurf der EU-Bürgerbeauftragten Emily O’Reilly hervor, wie das Nachrichtenportal Euractiv berichtet. So ist bezüglich der Corona-Impfstoffbeschaffung von „verwaltungstechnischen Missständen“ die Rede.
Auf die Antwort auf O‘Reilly gab von der Leyens Behörde bekannt, die Suche nach den Kurznachrichten hätte „zu keinen Ergebnissen“ geführt. Laut Enthüllungen der New York Times vom Frühjahr 2021 habe die Kommissionspräsidentin mit dem „lieben Albert“, wie die ehemalige deutsche Verteidigungsministerin den Pfizer-Chef nennt, die Verhandlung über rund 1,8 Milliarden Dosen Corona-Impfstoff via SMS geführt.
Kritik auch aus dem EU-Parlament
So stieg laut Financial Times, die offenbar in Teile der Verträge Einsicht und vor knapp einem Jahr dazu berichtet hatte, der Preis nach dem Chat zwischen Bourla und von der Leyen um satte vier Euro auf 19,50 Euro pro Dosis. Experten schätzen den Preis pro Dosis auf weniger als drei Euro.
Unterdessen startete die Nicht-Regierungsorganisation SumOfUS, die sich für gegen Korruption und für die Kontrolle von Konzernen einsetzt, eine Petition, die bereits mehr als 100.000 Unterstützer unterschrieben haben, wie das Portal Netzpolitik.org berichtet. Ihre Forderung: Die Kommissionspräsidenten soll den Verhandlungsverlauf über den Kauf der Vakzine transparent machen.
Auch aus dem Europäischen Parlament (EP) kommt Kritik. „Wir haben das Recht zu erfahren, was der Kommissionspräsident mit dem CEO von Pfizer besprochen hat“, sagte etwa die Abgeordnete Kathleen Van Brempt. Immerhin habe das EP mit Pfizer Verträge im Wert von mehreren Milliarden Euro abgeschlossen, so die Niederländerin.
Bereits als Verteidigungsministerin löschte von der Leyen SMS
Es ist nicht das erste Mal, dass bei Ursula von der Leyen relevante Textnachrichten nicht mehr auffindbar sind. So urteilte die EU-Bürgerbeauftragte bereits am 28. Januar, dass die Europäische Kommission „eine umfassendere Suche nach den relevanten Nachrichten durchführen“ müsse. Dies ist bis heute nicht geschehen.
Auch im Jahr 2020 verschwanden Kurznachrichten von Ursula von der Leyen. Die damalige Vereidigungsministerin war damals in die sogenannte Berateraffäre verwickelt, in der mehrere Millionen Euro für Beraterfirmen ausgegeben wurde. Auch hier verhandelte von der Leyen hauptsächlich per SMS, die zum Untersuchungsausschuss nicht mehr auffindbar waren. Konsequenzen hatte ihr Verhalten damals keine.
Von der Leyens Verhalten mit System
Die Kommissarin für Transparenz, Věra Jourová, veröffentlichte ihre Antwort an die EU-Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly am vergangenen Mittwoch. Es seien keine derartigen Textnachrichten registriert worden. Ferner sehe sie das Vorgehen in Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften über den Zugang zu Dokumenten.
Diese Argumentation ist altbekannt: Da das Dokument „keine wichtigen Informationen enthält“ und „kurzlebig“ sei, falle es „nicht in den Verantwortungsbereich des Organs“ und werde demnach auch nicht gespeichert. Es scheint, dass von der Leyen seit Jahren erfolgreich diese Gesetzeslücke nutzt.
Julian Marius Plutz