Tichys Einblick
Außenhandelsplus ist dahin

Deutschland wird zum Netto-Importeur

Die Zeit von Deutschland als Exportweltmeister ist womöglich vorbei. Erstmals seit Jahrzehnten wurde mehr importiert als exportiert.

Containerfrachter im Hamburger Hafen, 22.06.2022

IMAGO / Markus Tischler

Im Mai 2022 sind die deutschen Exporte gegenüber April 2022 kalender- und saisonbereinigt um 0,5 Prozent gesunken und die Importe um 2,7 Prozent gestiegen.  Laut Meldung des Statistischen Bundesamts überstiegen damit die Importe im April leicht die Exporte des einstigen Exportweltmeisters Deutschland. Es ist das erste Mal seit 1991.

In die USA lieferte Deutschland die meisten Güter; im Vergleich zum Vorjahresmonat stiegen die Exporte um 5,7 Prozent auf 13,4 Milliarden Euro. Nach China wurden Güter im Wert von 8,7 Milliarden Euro geliefert, im Vergleich zum April ein Plus von 0,5 Prozent. Der Import aus China lag bei 18 Milliarden Euro. Der aus den USA mit einem Wert von 7,4 Milliarden Euro.

Schon Anfang März 2022 hatte das Statistische Bundesamt berichtet, dass der deutsche Exportüberschuss (Exporte abzüglich Importe) im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr um 4,2 Prozent auf 172,9 Milliarden Euro gesunken war. Damit sank der Exportüberschuss im fünften Jahr in Folge. Die Exporte im Januar 2022 sanken um 2,8 Prozent im Vergleich zum Dezember 2021

Bisher stand der hohe deutsche Ausfuhrüberschuss (Außenhandelssaldo) oft im Mittelpunkt internationaler Diskussionen. Aufgrund der hohen Ausfuhrüberschüsse Deutschlands wurden wirtschaftliche Ungleichgewichte und negative Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft befürchtet. Die Deutschen exportierten zu viel, konsumierten selbst zu wenig fremde Produkte und lebten so auf Kosten ihrer Handelspartner, war aus Paris und Washington oft zu hören.

Gleichwohl: Die deutsche Wirtschaft ist in hohem Maße exportorientiert und damit auch exportabhängig. Annähernd jeder vierte Arbeitsplatz hängt vom Export ab. Gleichzeitig ist Deutschland ebenso auf Importe angewiesen, insbesondere im Energiebereich, heißt es beim Statistischen Bundesamt. 

Steigende Exporte nach Russland

Interessant: Trotz der verhängten Sanktionen stiegen die Exporte in die Russische Föderation im Mai 2022 gegenüber April 2022 um 29,4 Prozent auf 1,0 Milliarden Euro, nachdem sie im März 2022 um fast 60 Prozent gegenüber Februar 2022 und im April 2022 um 9,9 Prozent gegenüber März 2022 eingebrochen waren. 

Und was die Mai-Importe von Deutschland aus Russland betrifft: Sie erreichen 2022 mit 3,3 Milliarden Euro ein 10-Jahres-Hoch, das zeigen die am Montag veröffentlichten Daten des Statistischen Bundesamts. 

„Guten Morgen aus Deutschland, das als wirtschaftliches Kraftpaket auf globaler Ebene abstürzt. Deutschlands Handelsbilanzüberschuss ist dahin. Die Außenhandelsbilanz belief sich im Mai auf MINUS 1 Milliarde Euro, was aufgrund der Energieprobleme und der Schwäche im verarbeitenden Gewerbe der erste Einbruch seit 1991 ist“, kommentiert Holger Zschäpitz, leitender Wirtschaftsredakteur der Welt. 

„Keine Überraschung“, antwortet darauf ein Kommentator auf Twitter. „War absehbar. Zu unflexibel und ziemlich hintendran bei der Digitalisierung. Die Energiekrise beschleunigt alles, ist aber nicht die eigentliche Ursache.“

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