Sicher, die Medien haben Robert Habeck zum beliebtesten Politiker erkoren und wollen ihn zum Bundeskanzler hochschreiben und hochsenden. Dort, wo man Phrasen liebt, wo man – im Grunde aus Autoritätshörigkeit – sich gern von freundlichen und vor allem verständnisvollen Sätzen aus der sich verdüsternden Wirklichkeit tragen lässt, feiert man den Primaklimaminister als Star. Doch in Schwedt nicht.
Dort, wo man täglich mit der Realität zu kämpfen hat, wo man schuftet und die Welt nicht woke und nicht grün ist, wo man nicht auf dem Lastenrad über breite Fahrradalleen die wenigen Meter von der Wohnung zum nächsten Bioladen oder zum Late Macchiato Café zurücklegt, wo nicht der Staat verlässlich Geld auf das Konto der NGO überweist, für die man die Welt oder was auch immer rettet, vor allem die Deutschen vom Wohlstand befreit, dort also, wo man hart arbeitet für sein Geld und sich berechtigt Sorgen machen muss, dass man zu Weihnachten noch einen Job hat, dort glaubt wohl kaum jemand den märchenhaften Erzählungen des märchenhaften Ministers aus dem märchenhaften Berlin-Mitte. Im Gegenteil, sie haben ihn am Mittwoch ausgebuht, als er ihnen wieder ein X vor dem U vormachen wollte. Sie wollen nicht – und noch dazu medienwirksam – die dankbare Gekümmertenkulisse für den Kümmererminister abgeben. Sie durchschauen die durchschaubare Inszenierung.
Hatte Habeck seinen Dolmetscher aus Sparsamkeitsgründen, denn mit dem Sparen kennt er sich aus, wie man erfahren durfte, zu Hause gelassen? Ebenfalls wurden die kleineren technischen Probleme, zum Beispiel wie das Flüssiggas nach Deutschland kommt, wie es verarbeitet werden kann, nicht bedacht. Am 11. Mai fanden sich Berichte in den Medien, wonach der Erdgasdeal mit Katar zu platzen drohte, aus der „langfristigen Energiepartnerschaft“ wurde ein Zankapfel.
Drei Monate nach der „großartigerweise“ mit Katar vereinbarten „langfristigen Energiepartnerschaft“ wird Robert Habeck wieder kreativ und gibt wie der Moderator einer Ratgebersendung, die „Frieren mit Robert“ heißen könnte, Tipps, so von Mensch zu Mensch, wie man Erdgas einsparen könnte, tremoliert einen Sparappell nach dem anderen, wie ein Bußprediger eine Verzichtspredigt nach der anderen, während gleichzeitig der Chef der Bundesnetzagentur den Totalausfall russischer Gaslieferungen befürchtet und Habecks Staatssekretär Patrick Graichen, der zuvor dem Think Tank „Agora Energiewende“ vorstand und den Habeck auf diesen Posten hievte, Unternehmen, sich noch vor dem Winter Notstromaggregate anzuschaffen. Man sieht daran, mit welch hoher Kompetenz grüne Think Tanks, die schon zu Merkels Zeiten den energiepolitischen Ton vorgaben, Energiekonzepte entwickeln. Insofern kann man nicht sagen, dass Habeck nichts für das Erbe kann, das er von Peter Altmaier übernahm, im Gegenteil, er hat geerbt, was er schon als Oppositionspolitiker unter der grünaffinen Merkel durchbekommen hat.
Jens Spahn, der inzwischen nicht mehr Gesundheits-, sondern Energieexperte der Union ist, was nichts Gutes hoffen lässt, spottet: „Die von Wirtschaftsminister Habeck vor Wochen verkündete Reduktion der Abhängigkeit bei Rohöl auf zwölf Prozent war offenbar eher eine spontane Schätzung.“
Die Grünen liegen zwar mit ihrer Politik falsch, doch die FDP liegt nicht nur falsch, sie macht sich obendrein noch lächerlich, wenn ihr energiepolitischer Sprecher Michael Kruse allen Ernstes kommentiert: „Die Europäische Union hat ein weitreichendes Ölembargo gegenüber Russland beschlossen, das schnellstmöglich vollzogen werden muss. Deutschland hat hier eine Vorbildfunktion“. Der FDP geht es nicht schnell genug damit, dass in Deutschland das Licht ausgeht. Niemand wird übrigens diesem Vorbild folgen, statt zum Vorbild wird man so zum Außenseiter. Das einzige, was dann noch leuchten kann, wird die Klimabilanz sein – obwohl bei massenhafter Nutzung von Notstromaggregaten, wie sie Habecks Klima- und Windradvordenker Patrick Craichen vorschlägt, wird wohl auch die Klimabilanz dunkel werden. Aber Kruse weiß natürlich sehr praktischen Rat: „Dieser Sommer muss dafür genutzt werden, unsere Öl- Importstruktur dauerhaft von Russland unabhängig zu machen“. Folgt man dem FDP-Politiker, darf man wohl darauf hoffen, dass im September massenhaft Erdöl aus der Nordsee sprudeln und die russischen Importe ersetzen wird.
Bei Allah, kann man im Koran lesen, ist schließlich nichts unmöglich, wenn er sagt: es sei, dann ist es. Außerdem ist die Lage bei Lichte besehen, zumindest solange Licht da ist, nicht so schlecht, denn, so hat ein weiterer grüner Vordenker, Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg, klargestellt: „Wir haben eine Gasmangellage und erstmal keine Strommangellage. Atomkraftwerke produzieren bekanntlich Strom – und kein Gas.“ Frei nach Kretschmann produzieren dann Gaskraftwerke Gas?
Zumindest dürfen die Deutschen dabei sein und mit vor Frost klappernden Zähnen applaudieren, wenn Robert Habeck völlig neue Wirtschöpfungsketten erfindet und eine ethische Wirtschaft kreiert, er muss nur sagen, so sei es, dann ist es so.
Vor zwei Jahren hatte am 8. Juni 2020 der damalige Oppositionspolitiker Robert Habeck in der Sendung „Hart aber fair“ seine Freude darüber zum Ausdruck gebracht, wie leicht es ist, Krisen und existentielle Verwerfungen auszulösen: „Wer hätte gedacht, dass wir die ganze Wirtschaft lahmlegen, weil wir Werte … vor ökonomische Kreisläufe stellen.“ Aus Ideologie wird Wertschöpfung, aus Utopie Wirklichkeit – und in Deutschland werden Träume wahr.