Schneller Corona-Test-Reibach mit lächerlichen Zeichnungen und ungeprüften Rechnungen
Redaktion
Hunderte Ermittlungen gegen betrügerische Betreiber von Corona-Schnellteststellen offenbaren einen Abgrund der Abzocke von Steuergeld. Der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn ließ die Betreiber bewusst nicht kontrollieren. Seit Amtsende interessiert er sich nicht mehr für Corona.
Rund 10,5 Milliarden Euro ließ sich bislang der deutsche Staat die für Bürger kostenfreien Corona-Schnelltests kosten. Für deren Anbieter war die Pandemie ein gutes Geschäft, das schnelles Abkassieren ermöglichte – ohne dabei nachweisen zu müssen, was man tat. Das Bundesgesundheitsministerium hat unter dem früheren Minister Jens Spahn, CDU, sogar angeordnet, die Rechnungen von Corona-Test-Zentren nicht zu prüfen. Das ist das politisch wohl brisanteste Detail eines Beitrags von Spiegel-TV. Allein in Berlin wird in rund 400 Fällen wegen Abrechnungsbetrug von Corona-Test-Stellen ermittelt. Ermittler gehen davon aus, dass rund eine von 10,5 bislang ausgezahlten Milliarden Euro Steuerzahlergeld an Kriminelle ging.
„Es ist unheimlich einfach gewesen, diese Gelder abzuzweigen, ohne die Leistungen zu erbringen“, sagt Jochen Sindberg vom Landeskriminalamt Berlin in die SpiegelTV-Kamera. Sein Kollege Jörg Engelhard sagt: „Wir gehen davon aus, dass bei über 90 Prozent der Fälle der begründete Verdacht besteht, dass betrügerisch abgerechnet wurde.“ Auf Listen von Testzentren mit angeblich Getesteten fanden die Ermittler nicht nur Menschen, die selbst sagen, dass sie nie dort waren, sondern auch Namen von Toten.
Der deutsche Staat hat ganz offensichtlich mit der Einführung der kostenlosen Tests potentiellen Betrügern eine Art Lizenz zum Abzocken zur Verfügung gestellt. Das offenkundige Desinteresse der Behörden an jeglicher Sicherstellung von Seriosität der aus dem Boden schießenden Schnelltest-Stellen begann schon bei den Anträgen. Um ein Testzentrum zu betreiben, musste man beim zuständigen Gesundheitsamt eine Skizze abgeben. SpiegelTV zeigt zahlreiche dieser Skizzen, die nur lächerliche Kritzeleien sind – aber allesamt genehmigt wurden.
Den früheren Gesundheitsminister Jens Spahn übrigens, unter dessen Ägide dieser wohl mehrere Hundert Millionen Euro schwere Betrug zu Lasten des Steuerzahlers stattfand, interessiert Corona nicht mehr. Er spricht etwa bei Anne Will in diesen Tagen viel über die Energiekrise und auch mal über das Verbrenneraus. Er twittert über CETA und in der Wirtschaftswoche schreibt er einen Gastbeitrag über „Deglobalisierung“. Auch über jüdisches Leben und die fehlende Wertschätzung bäuerlicher Landwirtschaft sprach er mit einem Welt-Reporter in einem Podcast. Nur zu gesundheits- und erst recht coronapolitischen Fragen hat er sich lange nicht geäußert. Den ihm auflauernden SpiegelTV-Reportern sagt er: „Ich hab mir vorgenommen, zu Corona nichts mehr zu sagen. Da müssen Sie durch.“ In dem Welt-Podcast sagt er ebenfalls: „Ich äußere mich zu aktueller Corona-Politik, Gesundheitspolitik im Grunde gar nicht mehr.“ Und er behauptet: „Ich finde, es ist eine gute Tradition in Deutschland, dass ein Minister, der aus einem Amt scheidet, eigentlich auch in ein anderes Politikfeld wechselt.“ Von solch einer Tradition ist zwar wenig bekannt, womöglich hat Spahn aber besondere Gründe, das gut zu finden.
In einem anderen Interview mit der Welt sagte Spahn vor einigen Tagen: „Es braucht Steuersenkungen für kleinere und mittlere Einkommen. Denn für jemanden, der auf jeden Euro schauen muss, für den macht es einen Unterschied, wenn er mehr Netto vom Brutto hat.“ Er selbst jedenfalls kann sich zur Gruppe derjenigen, die auf jeden Euro schauen (müssen), nicht zählen. Vor allem nicht, wenn es um die Euros der Steuerzahler geht.
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