Mitarbeiter von Krankenkassen hatten bis in die 90er Jahre quasi einen Beamten-Status. Entsprechend agieren sie noch heute. Mit schriller Kritik an politisch Verantwortlichen halten sie sich deswegen meist zurück. Umso erstaunlicher sind manche Zitate, die sich auf die Pläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) beziehen, die Lücke in der Finanzierung der Krankenkassen schließen zu wollen: „Es ist gut, dass der Bundesgesundheitsminister nun endlich Vorschläge für ein GKV-Finanzierungsgesetz gemacht hat“, sagt Ulrike Elsner, die Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen. Und sie legt nach: „Allerdings sind die Maßnahmen nicht nachhaltig und unausgewogen.“ Für eine Kassenvertreterin ist das schon recht krawallig.
Doch was der Staat für die medizinische Versorgung von Hartz-IV-Empfängern überweist, reicht nicht. Das behaupten die Ersatzkassen, das bestätigt der Dachverband der GKV: „Im Auftrag des Staats organisieren und bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen die gesundheitliche Versorgung der ALG-II-Empfangenden, erhalten dafür aber vom Staat pro Jahr zehn Milliarden Euro weniger aus Steuermitteln, als sie für diese Versorgung ausgeben müssen“, sagt Doris Pfeiffer, die Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbandes. Es sei eine „Enttäuschung“, dass der Staat angesichts des gesamten Defizits von 17 Milliarden Euro an der Stelle nicht nachgebessert habe: „Hier hat es, trotz der Ankündigung im Koalitionsvertrag, keinerlei Bewegung gegeben.“
Rund 3,6 Millionen Menschen beziehen in Deutschland laut Statistischem Bundesamt Hartz IV – oder wie es korrekt heißt: Arbeitslosengeld II. 2013 waren es noch 4,4 Millionen Menschen. Also entschärft sich das Problem? Nein. Denn die aktuelle politische Entwicklung wirkt dagegen: Seit Juni können ukrainische Flüchtlinge Hartz IV beantragen. Wie stark der Zulauf ausfällt, lässt sich derzeit nur vermuten. Die Anträge abzuarbeiten, stellt die Jobcenter laut Medienberichten vor eine große Aufgabe, entsprechend verzögert sich eine statistische Auswertung. Grundsätzlich ist aber mit steigenden Hartz-IV-Zahlen zu rechnen. Vor allem dann, wenn die Politik Hartz IV auch noch für weitere Einwanderungsgruppen öffnet.
Entsprechend müssen nun die Arbeitnehmer, Rentner und Arbeitgeber weiter für die Krankenkosten der Hartz-IV-Empfänger aufkommen: „Das Gros der Belastungen geht an die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler“, sagt IKK-Chef Hohnl. Und ob die angekündigte Erhöhung um 0,3 Prozentpunkte ausreiche, ist für ihn auch noch nicht sicher: „Die vorgestellten Eckpunkte sind außerdem enttäuschend, weil die große Finanzkeule damit auf das Jahr 2024 verschoben wird.“ Dann seien die Rücklagen der Kassen erschöpft.
„Eine nachhaltige Finanzierung sieht anders aus“, sagt denn auch Elsner von den Ersatzkassen. Zu denen gehören unter anderem die Barmer und die Techniker. Elsner macht einen zusätzlichen Vorschlag: Der Staat könnte die Mehrwertsteuer auf Gesundheitsleistungen senken. Bisher verdient der Staat an den Teuerungen voll mit.